Gedächtnispalast für den Examensstoff bauen - Anleitung?

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Tibor
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Re: Gedächtnispalast für den Examensstoff bauen - Anleitung?

Beitrag von Tibor »

Klar, aber die Leistung besteht dann im Transfer der „entschiedenen Fälle“ bzw. Konstellationen auf den Sachverhalt. Eine Klausurlösung die nur sagt: „Nach der ...Rechtsprechung des BVerfG ist ...“ bekommt keine Punkte, weil das kein Begründung ist. Dafür muss man wieder die Argumentation der genannten Rspr kennen und anwenden.
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Re: Gedächtnispalast für den Examensstoff bauen - Anleitung?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Den Studenten möchte ich sehen, der in einer Klausur mit Schwerpunkt bei Artikel 14 GG das gesamte Brimborium an vertretenen Meinungen, die da so von Relevanz werden können (Inhalts- und Schrankenbestimmung schlägt in Enteignung um, Nassauskiesung, Sonderopferlehre mit Analogie zum Preußischen ALR und was weiß ich noch alles) während der Fallbearbeitung auf Grund erkannter Zusammenhänge und verstandener Systeme aus dem Ärmel schüttelt, anstatt es sich vorher angelesen und gemerkt zu haben.
Sehe ich genauso, aber was mich verwirrt ist, dass es oftmals heißt, man müsste die Klausur "rein argumentativ", d.h. ohne Bezugnahme auf historische Argumente lösen.

Bzw. gilt es ja als schlechter Stil explizit die Ansicht des BGH als solche zu kennzeichnen, aber wenn die Rechtsprechung die Auslegung nun mal entscheidend geprägt hat ist sowas doch unumgänglich?


Was den Gedächtnispalast angeht, so war mir dieses Konzept bisher nicht bekannt, ich halte es allerdings für zweckmäßig. Ich würde mich hierbei nicht an einem Palast oder ähnlichen konkreten Struktur festklammern: Das BGB z.b. ist doch bereits systematisch gegliedert, warum das nicht gleich als Rahmen nutzen?
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Schnitte
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Re: Gedächtnispalast für den Examensstoff bauen - Anleitung?

Beitrag von Schnitte »

Ich hab's immer so gehandhabt, einen Problempunkt argumentativ aufzubauen. Also nicht Meinungen A und B getrennt voneinander zu präsentieren und dann die Argumente auszutauschen, sondern damit anfangen, dass hier ein Problem ist. Das könnte man soundso machen. Dagegen würde sprechen, dass bla bla, so dass man es auch anders machen könnte. Dem steht aber wiederum das entgegen. Also eine inhaltliche Entwicklung des Problemstandes statt einer Darstellung zweier Meinungen. Kurioserweise bin ich damit letztlich meistens bei der Rechtsprechung rausgekommen, selbst wenn ich gar nicht wusste (und daher auch nicht erwähnte), dass das die Meinung der Rechtsprechung war.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

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Schnitte
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Re: Gedächtnispalast für den Examensstoff bauen - Anleitung?

Beitrag von Schnitte »

juraidiot hat geschrieben: Donnerstag 24. Mai 2018, 09:41 Ich würde mich hierbei nicht an einem Palast oder ähnlichen konkreten Struktur festklammern: Das BGB z.b. ist doch bereits systematisch gegliedert, warum das nicht gleich als Rahmen nutzen?
Das kann man natürlich tun, aber das hat dann mit dem Gedächtnispalast nichts mehr zu tun. Grundidee dahinter (und den verwandten Loci-Techniken) ist ja gerade, abstrakte Konzepte mit einer konkret greifbaren Struktur zu verknüpfen.
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flx
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Re: Gedächtnispalast für den Examensstoff bauen - Anleitung?

Beitrag von flx »

Warum Mnemonik mMn nicht der beste Weg ist: Ich hab früher mal Pharmazie studiert, da muss man sich für Anorganik total viele grundsätzlich sinnlose Formeln und Nachweise merken. Das Stoffvolumen dieser Klausur ist völlig unfassbar und mit nichts vergleichbar, was man im Jurastudium so machen muss, weil der Stoff zusätzlich auch (noch, da vor Labor) so abstrakt ist. Ich habe damals die Major-Methode verwendet, um mir diese Formeln einzuprägen. Einige Nachweisreaktionen weiß ich heute noch, es ist wirklich unglaublich. Das Problem, und Tibor hat es schon angesprochen: es ist eine sehr sehr effektive Art, auswendig zu lernen, aber es verbaut einem völlig die Möglichkeit, den Stoff inhaltlich zu verknüpfen - und das braucht man bei Jura unbedingt. Wenn man sich etwas durch Mnemonik gemerkt hat, musst man es im Kopf dekodieren - beim Mind Palace muss man etwa für jede Kleinigkeit im Palast rumlaufen und verschiedene Sachen suchen. Das braucht Zeit, die man in der Klausur nicht hat.

Ich selbst bin nicht so gut mit Mind Palaces (weil ich ne Orientierungsnull bin, deswegen funktioniert die Loci-Methode bei mir auch nicht). Aber falls du, David, einen Mind Palace bauen willst, dann orientiere dich - soweit das möglich ist - bei der Planung am Gesetz und am Prüfungsaufbau. Ich hab mir zu neuen Themen mit Paragrafen, die viel untereinander verweisen (Verbrauchergeschäfte oder GoA) gern Mind Maps gezeichnet, die die Beziehung der einzelnen Paragraphen darstellen. Ein anderer Ansatzpunkt fürs Zivilrecht ist die Prüfungsreihenfolge (vertraglich, quasivertraglich, dinglich, deliktisch , § 812) als Grundplan zu machen, wo jeweils in den einzelnen Abzweigungen wieder Abzweigungen zu potentiell einschlägigen Anspruchsgrundlagen hast. Die Anspruchsgrundlagen führen weiter zu den jeweiligen Voraussetzungen, die Voraussetzungen wieder zu u.U einschlägigen Normen usw usf. Das gute hieran ist, dass du dir von Anfang an einen rigiden, rechtsfolgenorientierten Aufbau angewöhnst, der dich davon abhält, gierig auf Probleme zu springen, nur weil du sie (er)kennst. Das kann nämlich schon mal ordentlich Punkte kosten.

Ich hab mal die "Karteikarten" von nem guten Freund von mir (bestes Examen bayernweit letztes Jahr) bekommen. Die waren für mich fast unlesbar. Da stand dann ein Begriff oder Pragraph, und die Rückseite waren oftmals 30 Zeilen extrem kondensiertes Wissen zu allen Fallstricken und Verflechtungen. Sowas geht glaub ich nur, wenn man eine ganz genaue Landkarte im Kopf hat, wo das alles zu verorten ist. Sonst lernt man einfach nur einzelne Tidbits auswendig und hofft, dass sie einem im Examen einfallen.
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Re: Gedächtnispalast für den Examensstoff bauen - Anleitung?

Beitrag von Idee1290 »

Was flx sagt. Warum muss man sich einen Palast vorstellen, wenn man es einfach an die Gesetze anknüpfen kann, die tatsächlich vor einem liegen. Ich hab für Jura zwar nie strukturiert eine bestimmte Lernmethode verwendet. Aber rückblickend hatte ich mir angewöhnt, eben immer erstmal das Gesetz aufzuschlagen und mir die Paragraphen anzugucken - und auch so gelernt. Ich hab ein recht bildliches Gedächtnis und selbst eine durchaus monothon aussehende Seite des Schönfelders hat bei mir irgendwann immer die entsprechenden Assoziationen zur den Problemen der Normen ausgelöst, die auf der Seite abgedruckt waren. Gerade, wenn man die mit Unterstreichungen usw. individualisiert und sich dann an die Lernsituation zurückerinnern kann.

(Das war jetzt bei der 2. Lernrunde im Ref faszinierend. Dort, wo ich im neu gekauften Gesetz nicht nachsortieren musste und auch das Layout gleich blieb, konnte ich viel einfacher das Wissen aus dem 1. erinnern als dort, wo sich was verschoben hatte.)

Vielleicht könntest du so oder so ähnlich vorgehen und das ggf. für dich noch ein bisschen mehr strukturieren?
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