Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Flanke
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von Flanke »

Lobbyismus ist nichts prinzipiell Böses und die Ergebnisse von Lobbyarbeit sind nicht von vornherein unbrauchbar. Zumal die Äußerung eines Parlamentariers, dessen Beruf darin besteht, im Interesse des Gemeinwohls die Verfassung zu konkretisieren, nicht dasselbe ist wie Lobbyismus. Und das Vertrauen in die Staatsrechtslehre erscheint mir angesichts der vielen Aufsätze gerade zu aktuellen Themen, denen Rechtsgutachten zugrunde liegen, doch recht rührend.

Wir äußern uns alle vor dem Hintergrund einer bestimmten beruflichen, wirtschaftlichen und kulturellen Stellung, bestimmter Überzeugungen usw. Bei einem Text eines Politikers liegt das Vorverständnis immerhin in der Tendenz offen zutage, und man kann den Text von vornherein entsprechend würdigen. Ihn schlicht zu ignorieren, weil einem die politische Tendenz nicht passt, halte ich - zumal bei einem Vertreter einer Partei, die im Bundestag vertreten ist und allen Anzeichen nach weiterhin vertreten sein wird - für engstirnig und unklug. Bei einem Text z.B. eines Sozialrichters, bei dem man erst einmal das Publikationsverzeichnis sichten muss, um eine Ahnung davon zu bekommen, wes Geistes Kind er ist, ist vergleichbare Transparenz nicht gewährleistet.
julée
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von julée »

Versteckte Interessen sind sicherlich ein allgemeines Problem. Allerdings würde ich als Kennzeichen eines Aufsatzes, der zur Einführung in ein Thema geeignet ist, doch die Breite der Darstellung der unterschiedlichen Ansätze machen. Je mehr berufliche Interessen an einem Thema bzw. einer bestimmten Meinung hierzu bestehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass dann auch das gewünschte Ergebnis erzielt wird.
Das mag wissenschaftlich korrekt begründet sein und ist in einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung selbstverständlich zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu würdigen, allerdings sollte man sich m. E. bewusst sein, dass man hier möglicherweise kein vollständiges Bild erhält, sondern nur ein selektives. Dann sollte dies aber nicht die einzige Lektüre zum Thema sein, die man wählt.
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von Ant-Man »

showbee hat geschrieben:
JS hat geschrieben:
showbee hat geschrieben:Neskovic ist nun nicht wirklich eine neutrale Quelle, oder?
Die vermeintliche oder tatsächliche politische Einstellung eines Autors führt nicht zur Falschheit der von ihm getätigten Aussagen. Sie sagt darüber nichts aus. Demzufolge eretzt der Hinweis auf diese politische Einstellung nicht die argumentative Auseinandersetzung.

Neutralität gibt es darüber hinaus sowieso nur theoretisch, nie praktisch. Selbst Richter sind geprägt von persönlichen Einstellungen.
Es mag vielleicht keine vollständige Objekttivität (i.S. 100%) geben.
Zustimmung.
showbee hat geschrieben: Wenn also ein Ordinarius (Staatsrechtler) eine Abhandlung zu dem Thema verfasst wird dies tendentiell objektiver ausfallen als ein Aufsatz eines Poiltikers einer Randgruppenspartenpartei.
Das unterstellst du einfach, und zwar weil du die Parteizugehörigkeit des Staatsrechtlers nicht kennst. Ich beispielsweise kannte die Parteizugehörigkeit der Autoren nicht. Aber selbst wenn ich sie gekannt hätte, wäre das kein Grund gewesen, die Aufsätze nicht zu nennen. Warum auch? Es geht hier um einen Fachaufsatz (und nicht um einen Zeitungsartikel in einer Zeitung), in dem die rechtliche Würdigung eines Problems im Vordergrund steht (und nicht irgendwelche parteipolitischen Parolen). Dass einem die rechtliche Argumentation ggf. nicht zusagt, ist eine Sache, die man erst nach dem Lesen des Aufsatzes beantworten kann.
showbee hat geschrieben: Nochmals: Wenn in einer ÖRechtshausarbeit über die Zulässigkeit der Fortführung von Endlager Gorleben geschrieben würde, würdest du dann Aufsätze von Grünen-Politikern (oder auch von der CSU) als "objektivierte Quelle mit argumentativer Auseinandersetzung" ansehen? Wohl sicherlich nicht.
Solange ich die Parteizugehörigkeit einer Person nicht kenne, sehe ich jeden Fachaufsatz als objektivierte Quelle mit argumentativer Auseinandersetzung an. Kenne ich die Parteizugehörigkeit einer Person, dann hält mich das nicht davon ab, den Aufsatz trotzdem zu lesen. Denn ich gehe davon aus, dass jeder, der einen Fachaufsatz zum Thema XYZ veröffentlicht, in der Lage ist, das Meinungsbild und die dazugehörigen Argumente zu einem bestimmten Problem sauber darzustellen. Dass sich das Ergebnis mit der Linie der Partei X deckt, ist für mich im ersten Moment unerheblich.
showbee hat geschrieben: Im Gegenteil, wer nach der "Wahrheit" sucht (wahre Wissenschaft), kommt natürlich nicht umhin die Extrema auszuloten um in der Mitte nach der Wahrheit zu suchen.
Das können und sollen diejenigen machen, die sich vertieft mit dem Problem beschäftigen wollen. Wer sich nur über das Meinungsbild einen Überblick verschaffen möchte, der kann und sollte sich die Aufsätze von oben anschauen, zumal die Literaturauswahl nicht sehr groß zu sein scheint (so jedenfalls mein Eindruck nach einer schnellen juris-Suche).
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showbee
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von showbee »

Lieber Ant-Man,
Solange ich die Parteizugehörigkeit einer Person nicht kenne, sehe ich jeden Fachaufsatz als objektivierte Quelle mit argumentativer Auseinandersetzung an.
Dann verwechselst du aber vermeintliche Objektivität mit Unwissenheit. Es entlarvt m.E. eine mangelne Sensibilität zum Gewicht der Autorenschaft / eigene Meinung, weil nicht in jedem Aufsatz deutlich wird, was wirklich "m.E." ist. Blind vor Identität des Autors einen Aufsatz zu lesen halte ich schon fast für töricht (zumindest in der Praxis).

Wenn ich einen Aufsatz / eine Kommentierung lese (beruflich), schaue ich mir zuerst an, wer der Autor ist. Das ist auch nicht schwer, in den Aufsätzen sind in der 1. Fn i.d.R. die nötigen Angaben zu finden. Bei Büchern/Kommentaren wird es noch einfacher. Gerade im Steuerrecht begegne ich oft "Kollegen" (u.a. Steuerberater = Wiwis), die bspw. auch Richtlinien und Anweisungen aus der Verwaltung "wie ein Gesetz" verstehen. Das ist das absolute Extrem.

Wenn ich einen Schriftsatz an das Finanzamt fertige, hat eine Literaturangabe ohne weiteres ein höheres Gewicht, wenn der Aufsatz aus dem Lager oder der Gerichtsbarkeit kommt. Verweise/Fußnoten in eigenen Schriftsätze sind an Nutzlosigkeit kaum zu überbieten, wenn es ohnehin nur interessengesteuerte Kollegen aus der GK sind. Dann kann ich deren Meinung auch einfach so übernehmen, denn im Schriftsatz herrscht ja keine Zitatpflicht.

Ich bin in die Diskussion auch nicht der Sache wegen eingestiegen, sondern weil ich eben diese 3 Fundstellen sah, wovon zwei auf den ersten Blick eben "Geschmäckle" haben. Gerade wenn man dann nichts anderes findet zu dem Thema, sollte man die Aussagekraft der beiden Fundstellen ernsthaft hinterfragen; gerade wenn man "sich nur über das Meinungsbild einen Überblick verschaffen möchte"!

Gerade in Verfassungswidrigkeitsdiskussionen findet man leider selten wirklich gute Beiträge. Was ich bspw. schon an Aufsätzen zum Steuerrecht gelesen habe, danach leben wir in einem Zustand der Steuererhebung wider die Verfassung. Das ist mehr Trommelwirbel als wirklich Musik.

Gruß
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von Flanke »

Die dritte Fundstelle hat auch ein Gschmäckle, wenn man den Autor kennt, es ist nur die andere Geschmacksrichtung. Und ich würde ansonsten Erfahrungen aus dem Steuerrecht höchstens mit sehr großer Vorsicht ins Sozialhilferecht extrapolieren. Hier gibt es weder in der Wissenschaft Meriten zu verdienen noch kann man in dem Bereich reich werden. Die geringe Zahl der Veröffentlichungen sagt möglicherweise mehr über diese Faktoren aus als über die rechtliche Brisanz des Themas.
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von Ant-Man »

showbee hat geschrieben:Lieber Ant-Man,
Solange ich die Parteizugehörigkeit einer Person nicht kenne, sehe ich jeden Fachaufsatz als objektivierte Quelle mit argumentativer Auseinandersetzung an.
Dann verwechselst du aber vermeintliche Objektivität mit Unwissenheit.
Ich gehe vorurteilsfrei an die Sache ran. Du schließt von der Parteizugehörigkeit auf
a) die mangelnde Objektivität und
b) die mangelnde Fähigkeit, sich argumentativ mit einem bestimmten Problem auseinanderzusetzen.

Punkt a) kann ich (zähneknirschend) noch nachvollziehen, aber Punkt b) ist einfach weit hergeholt.
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showbee
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von showbee »

Bei vielen Autoren bestimmter Richtung ist eine argumentative Auseinandersetzung gar nicht Ziel der Sache, sondern Darstellung eines Problems und Lösung in eigenem Interesse. Sog. Aufsätze nach Auftrag um etwas zitierfähig zu haben.
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von Ant-Man »

showbee hat geschrieben:Bei vielen Autoren bestimmter Richtung ist eine argumentative Auseinandersetzung gar nicht Ziel der Sache, sondern Darstellung eines Problems und Lösung in eigenem Interesse. Sog. Aufsätze nach Auftrag um etwas zitierfähig zu haben.
Vielleicht ändere ich in einigen Jahren meine Meinung. ;)
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von Frittenverkäufer »

T203004 hat geschrieben:
Frittenverkäufer hat geschrieben:Gebietet es die Menschenwürde, Personen das Existenzminimum zu gewähren, die die Spielregeln nicht einhalten?
Ja! Gerade das macht Art. 1 unseres Grundgesetzes aus. Die Menschenwürde muss bedingungslos beachtet werden.
Vielleicht könnte man mit einer Vermutung arbeiten: Wer sich nicht an die Spielregeln hält, scheint sein Existenzminimum auf andere Weise sichern zu können. Die Menschenwürde wäre demnach nicht in Gefahr.

Die Konsequenzen wären allerdings putzig...
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von julée »

Frittenverkäufer hat geschrieben: Vielleicht könnte man mit einer Vermutung arbeiten: Wer sich nicht an die Spielregeln hält, scheint sein Existenzminimum auf andere Weise sichern zu können. Die Menschenwürde wäre demnach nicht in Gefahr.

Die Konsequenzen wären allerdings putzig...
Die menschliche Dummheit ist bekanntermaßen unermessenlich, folglich könnte diese Vermutung ein Trugschluss sein.

Rixen (hat die BReg beim Hartz IV-Verfahren vertreten) verweist etwa darauf, dass auch die Eigenverantwortlichkeit zur Würde des Menschen gehöre und beide Aspekte auszubalancieren seien (vgl. http://www.zeit.de/2012/50/Hartz-IV-San ... Ralph-Boes, im Kästchen).

Wenn ich Nešković richtig verstanden habe (zugegebenermaßen habe ich den Aufsatz mehr überflogen als vertieft studiert; war mir tlw. zu anstrengend), dann ist sein Argument: Nach dem Hartz IV-Urteil darf der Gesetzgeber den Bedarf nur berechnen, aber nicht noch weiter konkretisieren oder differenzieren je nach "Schutzwürdigkeit" des Leistungsempfängers. Auch beruft er sich darauf, dass das BVerfG was von einem "einheitlichen Anspruch" geschrieben hat und daher sei eine Differenzierung zwischen physischen und soziokulturellen Existenzminimum - wie sie viele andere vornehmen würden - unzulässig.
Insbesondere wird, soweit ich gesehen habe, die Frage danach, ob der aktuelle Hartz IV-Satz vielleicht doch über dem Existenzminimum liegt, ebenso wenig angegangen wie die Frage nach der Befugnis die Art und Weise der Leistungsgewährung - ohne eine Kürzung im Umfang - zu modifizieren.
Aber vielleicht hat noch jemand die Muße, die Aufsätze en detail zu studieren und vllt. etwas sachgerechter zusammenzufassen.
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von markus87 »

Es wird doch wohl Einigkeit darüber bestehen, dass es -Menschenwürde hin oder her- nicht für jeden Menschen voraussetzungsfrei ALG 2 geben kann. So würde doch sicher niemand vertreten, dass ein im Ausland lebender Ausländer in Deutschland erfolgreich ALG 2 beantragen kann, nur weil er sonst sein Existenzminimum nicht decken kann. Und das, obwohl er sich ja wohl auf Art. 1 GG berufen kann. Eine derart absolute Geltung der Menschenwürde, wie sie zB T... verlangt, gibt es also nicht. Im Gegenteil gibt es Spielregeln für die Gewährung des Existenzminimums. Wir diskutieren hier also nur, welche Regeln ok sind und welche nicht. Da zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen zu kommen, dürfte schon sehr sehr schwer werden.
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JS
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von JS »

Meiner Ansicht nach sollte man sich eines Diskussionsbeitrags enthalten, wenn man nicht wenigstens die Leitsätze des
Regelsatzurteils und des Asylbewerberleistungsgesetzurteils des BVerfG gelesen hat. Dann würde so ein Unsinn wie von markus87 nicht kommen.

Das soziokulturelle Existenzminimum in Deutschland ist ein ganz anderes als in anderen Ländern. Der deutsche Staat ist nur für Deutsche verantwortlich und für Menschen die in Deutschland leben. Dass man von Deutschen in der Regel verlangen kann, in Deutschland zu wohnen, um bestimmte Sozialleistungen vom deutschen Staat erhalten zu können, hat mit der Rechtfertigung von Sanktionen nichts zu tun. Denn der deutsche Staat muss den Sozialstaat und den Schutz der Menschenwürde auf seinem Staatsgebiet, auf dem er die Staatsgewalt hat, verwirklichen und nicht darüber hinaus.
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von daimos »

markus87 hat geschrieben:Im Gegenteil gibt es Spielregeln für die Gewährung des Existenzminimums.
*seufz* ...

Nunja, wie soll ich es sagen... aA: BVerfG, Urt. v. 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 -, LS 2:
  • "[Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums] ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden [...]."
The farther backward you look, the farther forward you can see.
(Winston Churchill)

Im Konjunktiv ist alles möglich.
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von markus87 »

Nun, deinem ersten Satz würde ich nicht bedingungslos zustimmen - aber schon gut, ich halt mich raus ;)
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Re: Hartz IV Sanktionen und die Verfassung

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

daimos hat geschrieben:
markus87 hat geschrieben:Im Gegenteil gibt es Spielregeln für die Gewährung des Existenzminimums.
*seufz* ...

Nunja, wie soll ich es sagen... aA: BVerfG, Urt. v. 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 -, LS 2:
  • "[Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums] ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden [...]."
Der zitierte Teil bedeutet aber zunächst nur, dass es erstens ein menschenwürdiges Existenzminimum gibt - welches zudem absolut gilt, was aber nicht bedeutet, dass es auch im Einzelfall ein absolutes Ahdndlungsgebot des Staates enthält - und zweitens, dass dem potentiellen Leistungsempfänger durch das einfache Recht ein subjektiv-öffentliches Recht zugestanden werden muss (eigentlich ein interessanter Schutzgehalt: das einzige verfassungsrechtliche Leistungsrecht fordert, dass das einfache Recht ein Leistungsrecht enthalten muss).

Der zweite Teil des Leitsatzes und natürlich auch die ergiebigere Entscheidungspassage stellen aber - insoweit fällt das leider hier unter den Tisch - heraus, dass es insoweit einen Gestaltungsspielraum des Sozialgesetzgebers gibt. Diesen Gestaltungsspielraum stellt das Gericht aber nur für die Berechnung der zu gewährenden Leistungen fest. Das bedeutet aber nun nicht, dass ein solcher Gestaltungsspielraum nicht auch für das Sanktionsregime in Betracht kommen kann, das hatte nur das Gericht nicht zu entscheiden und deswegen schweigt auch sein Leitsatz dazu.

Mit anderen Worten: man kann aus der genannten Entscheidung viel ab- und herleiten, der Schluss auf die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit entsprechender Sanktionen jedoch gelingt nicht ohne weiteres. Hierzu muss man schon einen eigenständigen Argumentationsansatz entwickeln.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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