Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

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Klingeln und Pfeifen
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Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Klingeln und Pfeifen »

Hallo zusammen,

beschäftige mich gerade ein bisschen mit den Rundfunkbeiträgen. Hier wird immer wieder im Internet gefordert (teilweise auch von Anwälten), man solle die Rundfunkbeiträge nur "unter Vorbehalt" zahlen.
Nun frage ich mich, was das im öffentlichen Recht bringen soll. Meiner Meinung nach dürfte es hier keinen Unterschied machen, ob eine Zahlung "unter Vorbehalt" oder ohne Vorbehalt geleistet wird. Wurde eine Zahlung aufgrund eines Gesetzes/VAs geleistet und stellt sich dieses Gesetz/VA als nichtig heraus oder wird der VA aufgehoben etc. entsteht ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber dem Hoheitsträger und zwar unabhängig davon, ob die Zahlung unter Vorbehalt oder ohne Vorbehalt geleistet wurde.

Was meint ihr?
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Tobias__21
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Tobias__21 »

Hintergrund des Ganzen dürfte wohl sein, dass diese Zahlungsaufforderungen nicht als Verwaltungsakte anzusehen sind/waren. Es gab da 2014 ein Urteil des LG Tübingen dazu.

Wenn das der Fall ist, dürfte hinsichtlich der Rückforderung der Zivilrechtsweg eröffnet sein, oder liege ich mit diesem Schluss falsch??
Mit einer "Zahlung unter Vorbehalt" wird die Beweislast umgekehrt und der Zahlungsempfänger, also der Beitragsservice, oder wie die jetzt auch heissen mögen, muss das Bestehen der Forderung beweisen.

Ich weiss allerdings nicht ob man beim Beitragsservice nachgebessert hat und mittlerweile "richtige" Beitragsbescheide (Verwaltungsakte) verschickt werden. Ich gehe aber mal stark davon aus, dass dem so ist und dann bringt eine Zahlung unter Vorbehalt auch nichts, sie dürfte schon gar nicht zulässig sein.
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Swann
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Swann »

Tobias__21 hat geschrieben:Hintergrund des Ganzen dürfte wohl sein, dass diese Zahlungsaufforderungen nicht als Verwaltungsakte anzusehen sind/waren. Es gab da 2014 ein Urteil des LG Tübingen dazu.

Wenn das der Fall ist, dürfte hinsichtlich der Rückforderung der Zivilrechtsweg eröffnet sein, oder liege ich mit diesem Schluss falsch??
Ist der Verwaltungsrechtsweg etwa nur gegen Verwaltungsakte eröffnet?
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Klingeln und Pfeifen »

Vielen Dank für eure Antworten.

Der Beschluss des LG Tübingen wurde mittlerweile vom BGH aufgehoben. Es handelt sich bei den Leistungsbescheiden um VAe.

Aber auch ansonsten wäre wohl statt eines zivilrechtlichen Anspruchs ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch einschlägig, da zwischen Bürger und Behörde ein öffentlich-rechtliches Verhältnis vorliegt, der Bürger wollte ja gerade auf eine vermeintliche öffentlich-rechtliche Schuld zahlen.
Zuletzt geändert von Klingeln und Pfeifen am Mittwoch 26. August 2015, 10:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Tobias__21
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Tobias__21 »

Swann hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Hintergrund des Ganzen dürfte wohl sein, dass diese Zahlungsaufforderungen nicht als Verwaltungsakte anzusehen sind/waren. Es gab da 2014 ein Urteil des LG Tübingen dazu.

Wenn das der Fall ist, dürfte hinsichtlich der Rückforderung der Zivilrechtsweg eröffnet sein, oder liege ich mit diesem Schluss falsch??
Ist der Verwaltungsrechtsweg etwa nur gegen Verwaltungsakte eröffnet?
::oops: ::oops: Nein, natürlich nicht.
Zuletzt geändert von Tobias__21 am Mittwoch 26. August 2015, 10:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Tobias__21
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Tobias__21 »

Klingeln und Pfeifen hat geschrieben:Vielen Dank für eure Antworten.

Das Urteil des LG Tübingen wurde mittlerweile vom BGH aufgehoben. Es handelt sich bei den Leistungsbescheiden um VAe.

Aber auch ansonsten wäre wohl statt eines zivilrechtlichen Anspruchs ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch einschlägig, da zwischen Bürger und Behörde ein öffentlich-rechtliches Verhältnis vorliegt, der Bürger wollte ja gerade auf eine vermeintliche öffentlich-rechtliche Schuld zahlen.
Ja, das scheint mehr Sinn zu machen, als meine Argumentation :) Hast du zufällig das Az. vom BGH zur Hand?
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Klingeln und Pfeifen »

I ZB 64/14

Also stimmst du zu, dass eine Zahlung unter Vorbehalt keine Vorteile bringt?
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Tobias__21
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Tobias__21 »

Danke!

Ich würde meinen, dass eine Zahlung unter Vorbehalt keinerlei Vorteile bringt, wenn man öffentlich-rechtlich zur Zahlung verpflichtet wird. Eine Zahlung unter Vorbehalt ist ja nichts anderes als eine Bedingung, § 158 BGB. Hier liegt aber schon kein vertragliches Verhältnis vor. Der Bürger ist mE verpflichtet unbedingt zu zahlen. Die Bedingung dürfte eigentlich schon gar nicht zulässig sein

Würde man das anders sehen, würde der Bürger doch dem hoheitlich handelnden Staat auf einer Art horizontalen Ebene gegenübertreten. maW: Ich zahle, aber nur wenn du meine Bedingung akzeptierst und später die Beweislast trägst.

§ 10 III RBStV:
(3) Soweit ein Rundfunkbeitrag ohne rechtlichen Grund entrichtet
wurde, kann derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden
ist, von der durch die Zahlung bereicherten Landesrundfunkanstalt
die Erstattung des entrichteten Betrages fordern. Er trägt insoweit die
Darlegungs- und Beweislast.
Der Erstattungsanspruch verjährt nach
den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die regelmäßige
Verjährung.
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Herr Schraeg
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Herr Schraeg »

Dass die Frage, ob die Zahlungsaufforderung VA-Charakter trägt, für die öffentlich-rechtliche Natur des Beitrags unerheblich ist, ist ja jetzt geklärt. Die aufgehobene Entscheidung des LG Tübingen betraf meines Wissens eine privatrechtliche Einkleidung der Problematik in Gestalt einer Eintragung ins Schuldnerverzeichnis.

Der Hintergrund dieser Empfehlungen zur Zahlung unter Vorbehalt liegt m.E. woanders. Ich erinnere mich dunkel an eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, dass die vorbehaltlose Zahlung einer öffentlichen Abgabe deren Anerkenntnis darstelle und einen nachfolgenden (fristgerechten) Widerspruch unzulässig mache. Das ist natürlich Unsinn und ist zu Recht nie wieder aufgegriffen worden.

Wenn man aber diese Entscheidung vor Augen hat und/oder eine entsprechende Argumentation der Behörde fürchtet, kann die Zahlung unter Vorbehalt als der berühmte "sicherste Weg" Sinn ergeben. Wahrscheinlicher ist aber, dass diese Empfehlungen zur Zahlung nur unter Vorbehalt schlicht ohne Nachdenken ausgesprochen werden.
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Tobias__21 »

Was auch gegen einen Sinn der Zahlung unter Vorbehalt spricht, sind die Vrs. die der BGH an solch einen Vorbehalt gestellt hat. U.a muss der Zahlende den Empfänger davon unterrichten auf welchen Gründen der Vorbehalt fußt. Es reicht also nicht in den Überweisungsträger "unter Vorbehalt" zu schreiben. Vielmehr bedarf es einer extra Erklärung warum und wieso. Weiterhin muss er sich um eine Klärung des Sachverhalts bemühen, der BGH legt hier wohl idR eine Frist von zwei Wochen an.

Also kann man auch gleich Widerspruch gegen den Bescheid erheben und eine gerichtliche Klärung herbeiführen und vorbehaltlos zahlen, bevor man noch eine extra Begründung an den Beitragsservice rausschickt. Um den Widerspruch kommt man sowieso nicht drum herum.
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Klingeln und Pfeifen »

@Herr Schraeg: Ah, das bringt etwas Licht ins Dunkel.
Tobias__21 hat geschrieben:Also kann man auch gleich Widerspruch gegen den Bescheid erheben und eine gerichtliche Klärung herbeiführen und vorbehaltlos zahlen, bevor man noch eine extra Begründung an den Beitragsservice rausschickt. Um den Widerspruch kommt man sowieso nicht drum herum.
Nicht immer liegt jedoch ein Bescheid vor. Insbesondere die Rundfunkbeiträge sind ja schon ohne Bescheid fällig. Nur wenn die Behörde vollstrecken will, muss ein Bescheid erlassen werden.

Der Gedanke einer Zahlung unter Vorbehalt soll sein, dass keine Vollstreckungshandlungen der Behörde zu befürchten sind, gleichzeitig aber ein Anspruch auf Rückzahlung der Rundfunkbeiträge besteht, wenn sich der RBStV als verfassungswidrig und damit nichtig herausstellt. Wie gesagt, m.E. besteht in einem solchen Falle auch ohne Vorbehalt ein Rückerstattungsanspruch auf die gezahlten Rundfunkbeiträge.
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Gelöschter Nutzer

Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Klingeln und Pfeifen hat geschrieben: Der Gedanke einer Zahlung unter Vorbehalt soll sein, dass ... ein Anspruch auf Rückzahlung der Rundfunkbeiträge besteht, wenn sich der RBStV als verfassungswidrig und damit nichtig herausstellt. Wie gesagt, m.E. besteht in einem solchen Falle auch ohne Vorbehalt ein Rückerstattungsanspruch auf die gezahlten Rundfunkbeiträge.
Die Frage, die sich nun (mit Ausgang des Jahres 2016) stellt, ist folgende: Angenommen jemand hätte für das Jahr 2013 und im Jahr 2013 Rundfunkbeiträge "unter Vorbehalt" bezahlt und möchte nicht, dass evtl. Rückzahlungsansprüche verjähren. Ein abschließendes Urteil des BVerfG zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gibt es noch nicht. Reichte es zur Hemmung der Verjährung, einen einfachen Antrag auf Rückerstattung bei der Rundfunkanstalt bzw. dem Beitragsservice zu stellen (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB) oder müsste vor Ende der Verjährungsfrist bereits Widerspruch/Untätigkeitsklage erhoben worden sein?
Swann
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Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Swann »

Findet bei der Rundfunkanstalt ein Insolvenz- oder schiffahrtsrechtliches Verteilungsverfahren statt?
Gelöschter Nutzer

Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

nein, Nr. 10 war nicht richtig, gemeint ist § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB
12. die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird;
Gelöschter Nutzer

Re: Sinn einer Zahlung unter Vorbehalt

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

nochmal die Frage etwas anders formuliert:

der RBStV verweist in § 7 Abs. 4 bzgl. der Verjährung von Beitragsforderungen auf die Regelungen des BGB.
(4) Die Verjährung der Beitragsforderung richtet sich nach den Vorschrif-
ten des Bürgerlichen Gesetzbuches über die regelmäßige Verjährung.
Richtet sich die Hemmung der Verjährung somit ebenfalls nach dem BGB oder aber nach dem VwVfG?

D.h. genügt ein einfacher Antrag auf Rückerstattung der unter Vorbehalt geleisteter Rundfunkbeiträge (§ 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB) oder ist ein Verwaltungsakt nötig gem. § 53 VwVfG, um die Verjährung zu unterbrechen?
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