Die Kammer stellt maßgeblich darauf ab, dass das betroffene Grundrecht - die informationelle Selbstbestimmung - bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschrift des Niedersächsischen SOG (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG) dergestalt zu berücksichtigen ist, dass eine Grundrechtseinschränkung nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr möglich ist.Kammerentscheidung, Rn. 13 f. hat geschrieben:Danach sind die Gesetze ihrerseits unter Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auszulegen und anzuwenden, damit dessen Bedeutung für das einfache Recht auch auf der Ebene der Rechtsanwendung zur Geltung kommt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gebietet dabei insbesondere eine Auslegung des einfachen Rechts, bei der abschreckende Effekte auf den Gebrauch des Grundrechts möglichst gering gehalten werden (vgl. BVerfGE 43, 130 <136>; 93, 266 <292>).
Hiergegen verstieße es, wenn das Anfertigen von Lichtbildern oder Videoaufnahmen eines Polizeieinsatzes unter Verweis auf die bloße Möglichkeit einer nachfolgenden strafbaren Verletzung des Rechts am eigenen Bild (nach § 22 Satz 1, § 33 Abs. 1 KunstUrhG) genügen sollten, um polizeiliche Maßnahmen wie eine Identitätsfeststellung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds.SOG durchzuführen. Wer präventivpolizeiliche Maßnahmen bereits dann gewärtigen muss, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sein Verhalten Anlass zu polizeilichem Einschreiten bietet, wird aus Furcht vor polizeilichen Maßnahmen auch zulässige Aufnahmen (zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Filmens und Fotografierens polizeilicher Einsätze vgl. BVerwGE 109, 203 <210 f.>) und mit diesen nicht selten einhergehende Kritik an staatlichem Handeln unterlassen. Beabsichtigt die Polizei, wegen Lichtbildern und Videoaufnahmen präventivpolizeilich - sei es durch ein Film- oder Fotografierverbot (vgl. BVerwGE 143, 74 <77 ff.>), sei es wie hier durch eine Identitätsfeststellung - einzuschreiten, ergibt sich aus den durch die Maßnahme jeweils betroffenen Grundrechten - hier Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG - die Anforderung einer konkreten Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut. Dies ist eine Frage der tatsächlichen Umstände im Einzelfall.
Mein Störgefühl beruht nun darauf, dass das bereits der einfach-rechtlichen Rechtslage entspricht: nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG können die zuständigen Behörden die Identität einer Person feststellen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist. Aus der Liste der Legaldefinitionen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 a) Nds. SOG) folgt sodann, dass eine "Gefahr" im Sinne dieses Gesetzes nur eine konkrete Gefahr darstellt, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Diese Vorschrift bleibt in der Entscheidung unerwähnt; vielmehr wird § 13 Abs. 1 Nr. 1 Nds. SOG aus verfassungsrechtlichen Erwägungen so ausgelegt.
Heißt also: die Entscheidung ist jedenfalls - folgt man der nachvollziehbaren Argumentation der Kammer zur Gefahrenprüfung - einfachrechtlich unrichtig. Aber das löst noch nicht das Problem, dass ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts nur dann zulässig ist, wenn die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts im Raume steht. Hier differenziert die Kammer meines Erachtens nicht deutlich genug zwischen Auslegung der Vorschrift im Allgemeinen - Erfordernis einer konkreten Gefahr - und Anwendung im Einzelfall. Man erhält durch diese Konstruktion nun doch faktisch einen verfassungsprozessualen Anspruch auf Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung.
Frage zur persönlichen Vertiefung: wie steht es eigentlich nun mit Vorschriften zur Identitätsfeststellung, die bereits nach der einfach-rechtlichen Konzeption nur eine abstrakte Gefahrenlage voraussetzen? Zum Beispiel: § 26 Abs. 1 Nr. 2 PolG BW.