Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Swann
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Swann »

Tibor hat geschrieben:Obgleich das mE Hohn ist. Das Gericht/Spruchkörper prüft die Sache komplett durch, schreibt die Gründe hierzu nieder um es dann doch nicht zu entscheiden? Aus Blick der Revisionszulassungsgründe (Filterfunktion) unverständlich.
Das ist allerdings auch ein besonders gelagerter Fall, weil der Grundrechtsverstoß ja gerade in der Nichtzulassung der Revision lag, die dem Beschwerdeführer nach neuerer Rechtsprechung auch nicht mehr hülfe. Die Annahmenentscheidung unterscheidet sich insoweit (und auch in anderer Hinsicht) von den Revisionszulassungsgründen der Fachgerichtsbarkeiten.
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Levi
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Levi »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:Bei einer Nicht-Annahme der Verfassungsbeschwerde bleibt die Frage der Zulässigkeit und Begründetheit unentschieden (!). Insofern kann man auch nicht sinnvoll davon sprechen, dass die Beschwerde zulässig und/oder begründet wäre.
Neues Gegenbeispiel hierzu: http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 79715.html
2 BvR 1797/15, Rn. 12 hat geschrieben:Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Das angegriffene Urteil des Landgerichts München I vom 20. August 2015 hat die Revision unter der Annahme nicht zugelassen, der Umfang der sekundären Darlegungslast des (beklagten) Inhabers eines Internetanschlusses, von dem aus eine Urheberrechtsverletzung begangen worden ist, sei bereits zu diesem Zeitpunkt durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfassend und eindeutig geklärt gewesen. Es hat die maßgebliche Vorschrift des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO damit in unhaltbarer Weise gehandhabt und den Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
2 BvR 1797/15, Rn. 15 hat geschrieben:Die Verfassungsbeschwerde ist dennoch nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat weder grundsätzliche Bedeutung, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt sind, noch ist sie zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a und b BVerfGG).
Nichts desto trotz bleibe ich bei meiner Auffassung, dass ein solches Vorgehen der Kammer eigentlich nicht zulässig ist. 

Das ist im Übrigen nicht nur meine Auffassung, sondern soweit ich weiß h. L. Beispielsweise Voßkuhle A., in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 94 Abs. 2 Rn. 39:
"Bei der Annahme handelt es sich nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern um das Ergebnis eines völlig eigenständigen Gerichts-Zugangsverfahrens, innerhalb dessen zwar Zulässigkeits- und Begründetheitsfragen eine Rolle spielen (können), das aber der eigentlichen Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen und der materiellen Rechtslage vorgeschaltet bleibt. Dementsprechend enthält die Ablehnung der Annahme einer Verfassungsbeschwerde auch keine Entscheidung in der Sache."
 
Ebenso beispielsweise auch Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 268 m.w.N.

Wenn eine Kammer - wie hier - ihre rechtlichen Überlegungen veröffentlichen möchte, müsste sie daher m.E. formulieren:
"Die Verfassungsbeschwerde wäre (offensichtlich) zulässig und begründet.... Sie ist jedoch nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil..."

Die von der Kammer gewählte Formulierung: "Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist auch begründet." halte ich in diesem Zusammenhang mindestens für missverständlich.
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Einwendungsduschgriff
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Es geht nicht um "rechtliche Überlegungen", sondern die Kammer nimmt ihren prozessualen Prüfauftrag ernst. Nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG i. V. m. § 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, wenn diese Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist und die einschlägigen Rechtsfragen in der Senatsrechtsprechung geklärt sind. Wie kann eine Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der genannten Rechte angezeigt sein, wenn sie unzulässig oder unbegründet ist? Die Durchsetzungsannahme ist nur dann möglich, wenn die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet ist. Nichtsdestoweniger benötigt die Durchsetzungsannahme durch die Kammer immer noch den Schritt der Bejahung des einschlägigen Annahmekriteriums.
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thh
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von thh »

Levi hat geschrieben:Nichts desto trotz bleibe ich bei meiner Auffassung, dass ein solches Vorgehen der Kammer eigentlich nicht zulässig ist.
Das wird ausgerechnet das BVerfG vermutlich furchtbar beeindrucken.
Deutsches Bundesrecht? https://www.buzer.de/ - tagesaktuell, samt Änderungsgesetzen und Synopsen
Gesetze mit Rechtsprechungsnachweisen und Querverweisen? https://dejure.org/ - pers. Merkliste u. Suchverlauf
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Levi
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Levi »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Es geht nicht um "rechtliche Überlegungen", sondern die Kammer nimmt ihren prozessualen Prüfauftrag ernst. Nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG i. V. m. § 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, wenn diese Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist und die einschlägigen Rechtsfragen in der Senatsrechtsprechung geklärt sind. Wie kann eine Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der genannten Rechte angezeigt sein, wenn sie unzulässig oder unbegründet ist? Die Durchsetzungsannahme ist nur dann möglich, wenn die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet ist. Nichtsdestoweniger benötigt die Durchsetzungsannahme durch die Kammer immer noch den Schritt der Bejahung des einschlägigen Annahmekriteriums.
Die Stattgabe der Verfassungsbeschwerde durch die Kammer ist in den Fällen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ohnehin nur möglich, "wenn sie offensichtlich begründet ist". Insofern bietet eine (zusätzliche)  Inzidenzprüfung der Zulässigkeit und Begründetheit in § 93a Abs. 2 lit. b) BVerfGG keinen erkennbaren Mehrwert. 

In den übrigen Fällen halte ich ein Verständnis der Durchsetzungsanordnung, das eine Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerde bereits für die Annahme zur Entscheidung zwingend voraussetzt, mit dem Verfahrensrecht des BVerfGG nur schwerlich für vereinbar. Mündliche Verhandlung, Beweisaufnahme, Anhörungen Dritter etc. werden dadurch praktisch bedeutungslos. 

Nach wie vor warte ich auch immer noch auf eine Literaturfundstelle, die deine Meinung unterstützt (die hatte ich ja schon weiter oben im Thread erbeten). Dass die Praxis des BVerfG bisweilen so verfährt, stelle ich überhaupt nicht in Abrede. Ich - und mit mir wohl die h.L. - halten diesen Weg nur für dogmatisch wenig überzeugend. 
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Einwendungsduschgriff
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Levi hat geschrieben:Die Stattgabe der Verfassungsbeschwerde durch die Kammer ist in den Fällen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ohnehin nur möglich, "wenn sie offensichtlich begründet ist". Insofern bietet eine (zusätzliche)  Inzidenzprüfung der Zulässigkeit und Begründetheit in § 93a Abs. 2 lit. b) BVerfGG keinen erkennbaren Mehrwert.
Es gibt keine Inzidentprüfung. Nochmals: wie soll eine Verfassungsbeschwerde zur Annahme geeignet sein, die unzulässig oder unbegründet ist?
In den übrigen Fällen halte ich ein Verständnis der Durchsetzungsanordnung, das eine Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerde bereits für die Annahme zur Entscheidung zwingend voraussetzt, mit dem Verfahrensrecht des BVerfGG nur schwerlich für vereinbar. Mündliche Verhandlung, Beweisaufnahme, Anhörungen Dritter etc. werden dadurch praktisch bedeutungslos.
Du verkennst, dass es keine isolierten Verfahrensschritt der Annahme gibt. Die Annahmeentscheidung ergeht gemeinsam mit der Sachentscheidung. Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme erfolgen im Kammerverfahren nicht. Die eingehende Verfassungsbeschwerde ist im Normalfall mit dem Ablauf der Monatsfrist entscheidungsreif. Selbstverständlich erfolgt noch eine Zustellung der Verfassungsbeschwerde durch den Berichterstatter, wenn die Stattgabe im Raum steht.
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Levi
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Levi »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:Die Stattgabe der Verfassungsbeschwerde durch die Kammer ist in den Fällen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ohnehin nur möglich, "wenn sie offensichtlich begründet ist". Insofern bietet eine (zusätzliche)  Inzidenzprüfung der Zulässigkeit und Begründetheit in § 93a Abs. 2 lit. b) BVerfGG keinen erkennbaren Mehrwert.
Es gibt keine Inzidentprüfung. Nochmals: wie soll eine Verfassungsbeschwerde zur Annahme geeignet sein, die unzulässig oder unbegründet ist?
In den übrigen Fällen halte ich ein Verständnis der Durchsetzungsanordnung, das eine Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerde bereits für die Annahme zur Entscheidung zwingend voraussetzt, mit dem Verfahrensrecht des BVerfGG nur schwerlich für vereinbar. Mündliche Verhandlung, Beweisaufnahme, Anhörungen Dritter etc. werden dadurch praktisch bedeutungslos.
Du verkennst, dass es keine isolierten Verfahrensschritt der Annahme gibt. Die Annahmeentscheidung ergeht gemeinsam mit der Sachentscheidung. Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme erfolgen im Kammerverfahren nicht. Die eingehende Verfassungsbeschwerde ist im Normalfall mit dem Ablauf der Monatsfrist entscheidungsreif. Selbstverständlich erfolgt noch eine Zustellung der Verfassungsbeschwerde durch den Berichterstatter, wenn die Stattgabe im Raum steht.
Es gibt halt nicht nur "Schwarz oder Weiß" bzw. (un)zulässig oder (un)begründet, sondern auch rechtliche oder tatsächliche Zweifelsfragen, die sich nicht unmittelbar beantworten lassen. 

Im Übrigen trennt das BVerfGG m. E. eindeutig zwischen der Annahmeentscheidung und der Sachentscheidung. Das zeigt sich auch an § 93d Abs. 3 Satz 2 BVerfGG. Danach ist die Annahme durch den Senat bereits beschlossen, wenn mindestens drei (!) Richter ihr zustimmen. Für eine positive Sachentscheidung bedarf es dagegen der Zustimmung von mindestens 4 und in der Regel mindestens 5 Richtern (vgl. § 15 BVerfGG). Das heißt, es kann und muss Konstellationen geben, bei denen eine Verfassungsbeschwerde zwar zur Entscheidung anzunehmen ist, die sich im Ergebnis aber als unbegründet erweist (z. B. bei einem Stimmenergebnis von 4:4 oder 3:5). - Nach deiner Lesart des Gesetzes wäre das ausgeschlossen. Das überzeugt mich nicht.
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Einwendungsduschgriff
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Du vermengst durchweg das Kammer- mit dem Senatsverfahren. Bestehen rechtliche Zweifelsfragen über den verfassungsrechtlichen Maßstab, so ist das Verfahren im Senat zu betreiben. Selbstverständlich ist nach meiner Lesart eine Entscheidung möglich, die zu einer Annahme - die Einzelheiten hierzu sind ja auch streitig - gelangt und trotzdem die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg hat. Nur eben nur vor dem Senat, nicht in der Kammer. In der Kammer ist ein solches Ergebnis ausgeschlossen. Ich habe den Eindruck, dass Du Dir meine Beiträge nicht durchliest und auch die in der Vergangenheit des Threads nur bedingt zur Kenntnis genommen hast.
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Levi
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Levi »

@Einwendungsduschgriff:
Ich lese deine Beiträge schon durch; wir haben aber eben halt einen Dissens in der Sache. 

Für mich - ebenso wie für die ganz h.L. - statuiert das BVerfGG in 93a ff. ein von der Sachentscheidung rechtlich getrenntes, vorgeschaltetes Annahmeverfahren. Die entsprechende Ermächtigungsgrundlage in Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG spricht sogar ausdrücklich von einem "besonderen Annahmeverfahren".

Dabei ist es gleichgültig ob die Annahme- bzw. Sachentscheidung von der Kammer oder dem Senat getroffen wird. Auch die Praxis des Gerichts, die Entscheidungen im Regelfall in einem Dokument zusammenzufassen, ändert nichts daran, dass es sich um ein gestuftes Verfahren handelt.

Wie du selbst einräumst, können die Entscheidungen - jedenfalls in den Senatsfällen - auch durchaus unterschiedlich ausfallen (Annahme: Ja; Begründetheit: Nein). 
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Einwendungsduschgriff
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Du vollziehst zu wenig nach, dass das Kammerverfahren und das Senatsverfahren anders laufen und genau das auch im BVerfGG angelegt ist. Lies Dir doch noch einmal Flankes Beitrag zuvor an. Das Kammerverfahren beruht auf der Idee, dass hier nur die Durchsetzungsannahme möglich ist. Nochmals: wie soll eine Durchsetzungsannahme möglich sein, wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig oder unbegründet ist?

Es geht auch nicht um die Zusammenfassung in einem Dokument. Sondern darum, dass die Annahmeentscheidung prozessual nicht eigenständig ergeht. "Vorgeschaltet" nur insofern, als dass die Annahmekriterien einen Sachenentscheid vermeiden, wenn die Vb. nicht zulässig oder begründet ist. Daraus einen zeilichen Ablauf der Befassung herleiten zu wollen, entspricht zwar der Rechtsansicht der Bf., aber nicht dem Willen des BVerfGG. Wenn man sich die Annahmekriterien vergegenwärtigt, ist Deine Rechtsansicht jedenfalls hinsichtlich der Durchsetzungsannahme kaum haltbar.
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Levi
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Levi »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Du vollziehst zu wenig nach, dass das Kammerverfahren und das Senatsverfahren anders laufen und genau das auch im BVerfGG angelegt ist. Lies Dir doch noch einmal Flankes Beitrag zuvor an. Das Kammerverfahren beruht auf der Idee, dass hier nur die Durchsetzungsannahme möglich ist. Nochmals: wie soll eine Durchsetzungsannahme möglich sein, wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig oder unbegründet ist?

Eine Annahme zur Entscheidung durch die Kammer ist zweifellos nur möglich, "wenn sie offensichtlich begründet ist". Das ist unstreitig und ergibt sich zwanglos aus 93b iVm 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

Das ist aber nur eine besondere Zuständigkeitsregelung (Kammer statt Senat) und beinhaltet keine Ausschaltung des Annahmeverfahrens. Jedenfalls vermag ich das aus 93b BVerfGG beim besten Willen nicht heraus zu lesen.
Es geht auch nicht um die Zusammenfassung in einem Dokument. Sondern darum, dass die Annahmeentscheidung prozessual nicht eigenständig ergeht. "Vorgeschaltet" nur insofern, als dass die Annahmekriterien einen Sachenentscheid vermeiden, wenn die Vb. nicht zulässig oder begründet ist.

Was aber, auch nach deiner Meinung, wiederum nicht gelten soll, wenn der Vb.
grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt (lit. a). In diesem Fall wäre auch eine unzulässige oder unbegründete Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen.
Daraus einen zeilichen Ablauf der Befassung herleiten zu wollen, entspricht zwar der Rechtsansicht der Bf., aber nicht dem Willen des BVerfGG.

Ich dachte bislang eigentlich immer, dass der Wille des Gesetzgebers maßgebend ist und nicht der "Wille" eines Gerichts.
Wenn man sich die Annahmekriterien vergegenwärtigt, ist Deine Rechtsansicht jedenfalls hinsichtlich der Durchsetzungsannahme kaum haltbar.
Solange diese "kaum haltbare" Rechtsansicht von praktisch allen namhaften Kommentatoren (einschließlich des Präsidenten des BVerfG ;-) so vertreten wird, kann ich damit leben.
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von JS »

Levi hat geschrieben:
Daraus einen zeilichen Ablauf der Befassung herleiten zu wollen, entspricht zwar der Rechtsansicht der Bf., aber nicht dem Willen des BVerfGG.

Ich dachte bislang eigentlich immer, dass der Wille des Gesetzgebers maßgebend ist und nicht der "Wille" eines Gerichts.
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Wobei ein Gesetz streng genommen keinen Willen haben kann, nur der Gesetzgeber.
"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden." - Konrad Adenauer
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Levi
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Levi »

JS hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:
Daraus einen zeilichen Ablauf der Befassung herleiten zu wollen, entspricht zwar der Rechtsansicht der Bf., aber nicht dem Willen des BVerfGG.

Ich dachte bislang eigentlich immer, dass der Wille des Gesetzgebers maßgebend ist und nicht der "Wille" eines Gerichts.
BVerfG: Gericht
BVerfGG: Gesetz

Wobei ein Gesetz streng genommen keinen Willen haben kann, nur der Gesetzgeber.
Eben; und deswegen bin ich auch davon ausgegangen, dass hier nur ein Tippfehler (oder Autovervollständigung) vorlag und BVerfG (Gericht) gemeint war und nicht BVerfGG (Gesetz). Gesetze haben keinen Willen (auch wenn sie laut Larenz "manchmal klüger sind als der Gesetzgeber").
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Tibor
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Tibor »

Kurzer Denkanstoß zum Willen: Das BVerfG favorisiert die objektive Auslegung von Normen ("Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt,") --> der "objektive Wille" ist dem Gesetz "zu entnehmen" --> das BVerfGG wird nur vom BVerfG selbst angewandt bzw. betrifft dies --> das BVerfGG hat in Bezug auf dieses einfache Gesetz somit eine Auslegungskompetenz --> der Wille des BVerfG entspricht dem Willen des BVerfGG. :-w
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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Levi
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Re: Identitätsfeststellung: konkrete Gefahr?

Beitrag von Levi »

Tibor hat geschrieben:--> der Wille des BVerfG entspricht dem Willen des BVerfGG. :-w
Faktisch gesehen, ist das zweifellos so.
Verfassungsrechtlich würde ich dem aber immer widersprechen.
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