Menschenrechte, insb. Ehe?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Tibor
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tibor »

Ant-Man hat geschrieben: Der Art. 6 I GG statuiert kein bestimmtes Ehemodell, ..., allerdings lässt sich dem Art. 6 I GG i.V.m. Art. 3 II GG entnehmen, dass der Verfassungsgesetzgeber das Bild einer gleichberechtigten Ehepartnerschaft vor Augen hatte.
Definiere "Verfassungsgesetzgeber"! Meinst du ernsthaft den Historischen aka parlamentarischer Rat unter Adenauers Vorsitz? Du meinst sicherlich eine systematische Auslegung, oder?
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Ant-Man »

Tibor hat geschrieben:
Ant-Man hat geschrieben: Der Art. 6 I GG statuiert kein bestimmtes Ehemodell, ..., allerdings lässt sich dem Art. 6 I GG i.V.m. Art. 3 II GG entnehmen, dass der Verfassungsgesetzgeber das Bild einer gleichberechtigten Ehepartnerschaft vor Augen hatte.
Definiere "Verfassungsgesetzgeber"! Meinst du ernsthaft den Historischen aka parlamentarischer Rat unter Adenauers Vorsitz?
Ja. Siehe auch BVerfGE 3, 225 (242): "Da mithin kein Zweifel sein kann, daß der Verfassungsgeber Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG für vereinbar hielt, kann eine Auslegung, die dieser Vorstellung des Gesetzgebers Rechnung trägt, nur zu dem Ergebnis kommen: auch in Ehe und Familie sind Mann und Frau gleichberechtigt."
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Tibor
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tibor »

Das anzuerkennen hat aber beim Gesetzgeber weitere 25 Jahre (EheRRG 1976)gedauert. Das mag nicht nur am Unwillen in der Politik gelegen haben, sondern auch an der Gesellschaft, die diese Gleichberechtigung scheinbar nicht forderte bzw zu fordern fähig war.
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Ara
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Ara »

Damals war ja auch schon Erna Scheffler als erste Richterin am Bundesverfassungsgericht im 1. Senat tätig! Ham die Männer sich sicher nichts anderes mehr getraut!
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tobias__21 »

Ich finde es recht schwierig einen "Menschenwürdekern" greifbar zu machen, das gilt in Bezug auf alle Grundrechte, nicht nur auf die Ehe. Was man genau darunter versteht und wie man diesen Menschenwürdekern für das jeweilige Grundrecht definiert ist mir nicht ganz klar.

Ist dieser Menschenwürdekern dann "weniger" als die Menschenwürde selbst? Eine Art Randbereich der Menschenwürde, bzw. nur eine spezielle Ausprägung derselben? Oder habe ich hier schon wieder den falschen Denkansatz und ich müsste da anders herangehen, etwa so:

Schafft man die Ehe ab, verletzt man zwar damit nicht die Menschenwürde iSd. des Art. 1 I, aber da die Ehe eine spezielle Ausprägung der Menschenwürde ist (hier dann die Argumentation von Ant-Man), ist sie von Art. 79 III GG erfasst. Nach anderer Ansicht wäre es wohl zulässig selbst einzelne Grundrechte abzuschaffen, da in diesem Fall der Schutz direkt aus Art. 1 I GG weiterhin bestehen bleibt, sofern mit der Abschaffung der Grundrechte auch die Menschenwürde, bzw. der Menschenwürdekern der dem Grundrecht innewohnt, tangiert ist.

Naja, die Menschenwürde hat mir schon immer Probleme bereitet, sehts mir bitte nach :)
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Tobias__21 hat geschrieben:Naja, die Menschenwürde hat mir schon immer Probleme bereitet, sehts mir bitte nach :)
Der Argumentationstopos "Menschenwürde" bzw. "Menschenwürdekern" wird ja auch in der Literatur häufig kritisch gesehen, nicht zuletzt weil die Vorstellungen, was davon gewährleistet sein soll, im Einzelnen seit weit auseinander gehen. Für dich interessant ist vielleicht der Aufsatz von Stern, JuS 1985, S. 329 ff. Dort geht es spezifisch um die Bedeutung des Art. 79 III GG für die Grundrechte (mit mehr oder weniger überzeugenden Behauptungen, welche Grundrechte einen solchen "Menschenwürdekern" haben sollen und welche nicht).

Was deine Ausgangsfrage angeht: Die Ehe ist, in Form der Eheschließungsfreiheit, auch von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geschützt (Art. 16) und insofern sicher ein Menschenrecht.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Ant-Man »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Für dich interessant ist vielleicht der Aufsatz von Stern, JuS 1985, S. 329 ff.
Nicht wirklich.
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Dort geht es spezifisch um die Bedeutung des Art. 79 III GG für die Grundrechte (mit mehr oder weniger überzeugenden Behauptungen, welche Grundrechte einen solchen "Menschenwürdekern" haben sollen und welche nicht).
Auf änderungsfeste bzw. nicht änderungsfeste Grundrechte geht der Autor auf der letzten Seite in einem kurzen Absatz ein. Die dortige Aufzählung wird dabei nicht nennenswert begründet.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ant-Man hat geschrieben:Nicht wirklich.
Der Hintergrund der Annahme eines solchen "Menschenwürdekernes" wird dort immerhin für Studierende geeignet erläutert.
Auf änderungsfeste bzw. nicht änderungsfeste Grundrechte geht der Autor auf der letzten Seite in einem kurzen Absatz ein. Die dortige Aufzählung wird dabei nicht nennenswert begründet.
Ich hatte mich ja insofern bewusst zurückhaltend ausgedrückt. Aber über bloße Behauptungen geht das doch sowieso kaum hinaus.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Ant-Man »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Ant-Man hat geschrieben:Nicht wirklich.
Der Hintergrund der Annahme eines solchen "Menschenwürdekernes" wird dort immerhin für Studierende geeignet erläutert.
Wir sprechen anscheinend nicht über den gleichen Aufsatz. Der genannte Aufsatz fängt auf S. 329 an. Und erst auf S. 337 (und damit auf der vorletzten Seite rechte Spalte) fängt der Autor an, endlich mal etwas über die Bestimmung des Menschenrechtskern zu erzählen. Diejenigen, die hoffen, in dem Aufsatz etwas nennenswertes über die Bestimmung des Menschenwürdekerns der Grundrechte zu erfahren, werden beim Lesen enttäuscht werden. Tobias__21 steht es aber natürlich frei, den Aufsatz zu lesen und sich sein eigenes Bild zu machen.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ant-Man hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Ant-Man hat geschrieben:Nicht wirklich.
Der Hintergrund der Annahme eines solchen "Menschenwürdekernes" wird dort immerhin für Studierende geeignet erläutert.
Wir sprechen anscheinend nicht über den gleichen Aufsatz. Der genannte Aufsatz fängt auf S. 329 an. Und erst auf S. 337 (und damit auf der vorletzten Seite rechte Spalte) fängt der Autor an, endlich mal etwas über die Bestimmung des Menschenrechtskern zu erzählen. Diejenigen, die hoffen, in dem Aufsatz etwas nennenswertes über die Bestimmung des Menschenwürdekerns der Grundrechte zu erfahren, werden beim Lesen enttäuscht werden. Tobias__21 steht es aber natürlich frei, den Aufsatz zu lesen und sich sein eigenes Bild zu machen.
Ich nehme zur Kenntnis, dass dir der Beitrag nicht gefällt, ich hatte mich allerdings auch nicht an dich gewandt, als ich sagte, er sei vielleicht interessant, und ich bin mir auch nicht sicher, ob du den Aufsatz in seiner Gesamtheit gelesen hast. Der angesprochene "Hintergrund" wird nämlich gerade auch vor S. 337 erläutert.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Ant-Man »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Ant-Man hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Ant-Man hat geschrieben:Nicht wirklich.
Der Hintergrund der Annahme eines solchen "Menschenwürdekernes" wird dort immerhin für Studierende geeignet erläutert.
Wir sprechen anscheinend nicht über den gleichen Aufsatz. Der genannte Aufsatz fängt auf S. 329 an. Und erst auf S. 337 (und damit auf der vorletzten Seite rechte Spalte) fängt der Autor an, endlich mal etwas über die Bestimmung des Menschenrechtskern zu erzählen. Diejenigen, die hoffen, in dem Aufsatz etwas nennenswertes über die Bestimmung des Menschenwürdekerns der Grundrechte zu erfahren, werden beim Lesen enttäuscht werden. Tobias__21 steht es aber natürlich frei, den Aufsatz zu lesen und sich sein eigenes Bild zu machen.
Ich nehme zur Kenntnis, dass dir der Beitrag nicht gefällt,
Das tut er in der Tat nicht, denn der Inhalt des Aufsatzes rechtfertigt nicht den Titel des Aufsatzes ("Die Bedeutung der Unantastbarkeitsgarantie des Art. 79 III GG für die Grundrechte").
Honigkuchenpferd hat geschrieben:ich hatte mich allerdings auch nicht an dich gewandt, als ich sagte, er sei vielleicht interessant,
Ich lege nur meine persönliche Meinung dar, weil es Tobias__21 um die Bestimmung des Menschenwürdekerns geht und er gerade zu dieser Frage in dem Aufsatz nicht viel finden wird. Der Titel des Aufsatzes (s.o.) erweckt beim Leser den Eindruck, als ob der Autor darauf eingehen wird, ob (und ggf. wie) einzelne Grundrechte abgeschafft/geändert werden können. Tatsächlich behandelt der Aufsatz fast ausschließlich allgemeine "Hintergrundinfos" (Bedeutung des Art. 79 III GG, Entstehungsgeschichte, usw). Damit sind wir auch an dem entscheidenden Punkt angelangt: Wird Tobias__21 nach dem Lesen des Aufsatzes in Bezug auf die Bestimmung des Menschenwürdekerns schlauer sein als vorher?
Honigkuchenpferd hat geschrieben:und ich bin mir auch nicht sicher, ob du den Aufsatz in seiner Gesamtheit gelesen hast.
Natürlich habe ich ihn gelesen, die ganzen 9,5 Seiten. Und wie ich bereits geschrieben habe, kann sich Tobias_21 ja ein eigenes Bild machen.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tobias__21 »

Ich schau ihn mir auf jeden Fall mal an, wenn ich wieder in der Bib bin. Wollte zu der Thematik eh einen Großkommentar zu Rate ziehen :)
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

@Ant-Man

Weißt du, Beiträge wie die deinen erinnern einen immer wieder daran, warum man sich eigentlich von diesem Forum fernhalten sollte.

Ich persönlich denke im Übrigen schon, dass der Aufsatz einem durchaus dabei helfen kann zu verstehen, worum es bei diesem ominösen "Menschenwürdekern" geht (und dass präzisere Formeln dafür angeben zu wollen der Quadratur des Kreises gleicht) und vor allem auch, welche Funktion Art. 79 III GG mit Blick auf die Grundrechte nach der (restriktiven) Rechtsprechung des BVerfG überhaupt hat - ein Punkt, der hier bislang gar nicht aufgetaucht ist.

Um nicht mehr und nicht weniger ging es mir (und ich bezweifle, dass man diese Intention tatsächlich missverstehen konnte).
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Ant-Man »

@Honigkuchenpferd

Du findest den Aufsatz toll. Ich teile dieses Urteil nicht. Damit ist doch alles gesagt.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tobias__21 »

In wie weit kann denn im ersten Examen eine Klausur drohen, die diese Themen anschneidet? Im WuV Kurs wurde uns gesagt, wir sollen bloß die Objektformel des BVerfG nehmen, sofern überhaupt was zu Art. 1 I GG geprüft wird. Scheinbar halten sich die Prüfungsämter damit eher zurück, da die ganze Thematik nicht so recht greifbar gemacht werden kann und man Gefahr läuft in einen Besinnungsaufsatz abzudriften. Die Klausur wäre ja auch relativ schnell vorbei, würde man vorschnell eine Verletzung der Menschenwürde bejahen, also auch da Zurückhaltung üben. So zumindest der Dozent.

Die üblichen Geschichten haben wir natürlich behandelt: Paintball, Laserdrome, Luftsicherheitsgesetz, etc. Aber gerade diese Sache mit dem Menschenwürdekern und Art. 79 III GG, finde ich doch etwas komplizierter. Was meint ihr zur gleichgeschlechtlichen Ehe? Könnte man da einen Klausur draus basteln? Ist ja immerhin ein aktuelles Thema, wobei das mE eher was für die mündliche Prüfung wäre.
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