Menschenrechte, insb. Ehe?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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sai
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von sai »

Tobias__21 hat geschrieben:
sai hat geschrieben:Ich halte das ganze für eine Scheindiskussion.

Art. 6 GG verlangt ja nicht, dass ich eine Ehe gegenüber anderen Partnerschaften ausdrücklich privilegiere.
Man könnte den ganzen Spaß abkürzen, indem man gleichgeschlechtlichen Partnerschaften einfach dieselben Rechte wie einer Ehe zubilligt, das ganze aber nicht Ehe nennt. Finde ich auch völlig in Ordnung. So bleibt die Unterscheidbarkeit gegeben, von den rechtlichen Konsequenzen her ist es aber dasselbe.
Doch das verlangt Art. 6 GG m.E., wenn das BVerfG sagt, dass nur für die Ehe ein verfassungsrechtlicher Auftrag zur Förderung besteht. Wenn Art. 6 GG als Institutsgarantie nur die Ehe zw. Mann und Frau schützt, verstößt die Einführung einer gleichgeschlechtlichen Ehe wohl auch gegen Art. 6 GG. Und ich glaube kaum, dass das BVerfG sich jetzt hinstellt und sagt, dass sich die gesellschaftlichen Vorstellungen gewandelt haben und der Verfassungsgeber die Ehe zwischen Mann/Mann und Frau/Frau einfach nicht auf dem Zettel hatte und man deshalb den Art. 6 GG jetzt einfach anders verstehen muss und es keine Verfassungsänderung braucht. Die gleiche Diskussion hat man nämlich beim Streikrecht für Lehrer und Art. 33 V GG geführt. Gut, Art. 33 ist kein Grundrecht, ich glaube trotzdem nicht, dass das BVerfG jetzt plötzlich von seiner Position abrückt und einen Wandel der gesellschaftlichen Vorstellungen ins Feld führt und Art. 6 GG einfach komplett anders auslegt und seine vorherige Rspr. dazu über den Haufen wirft.

Sicher kann man die gleichen Rechte zubilligen und das nicht Ehe nennen. Das ist aber nicht gewollt. Man will ja gerade die absolute Gleichstellung mit der Ehe zwischen Mann und Frau, also muss das Ding auch zwangsläufig Ehe heissen. Sonst könnte man ja auch einfach die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft erweitern und diese völlig mit der Ehe gleichstellen.
Sehe ich anders.

BVerfG, NJW 2002, 2543 (2547):

"b) Dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. GG Artikel 6 GG Artikel 6 Absatz I GG, die Ehe als Lebensform anzubieten und zu schützen (Institutsgarantie, vgl. BVerfGE 10, BVERFGE Jahr 10 Seite 59 [BVERFGE Jahr 10 Seite 66f.] = NJW 1959, NJW Jahr 1959 Seite 1483; BVerfGE 31, BVERFGE Jahr 31 Seite 58 [BVERFGE Jahr 31 Seite 69f.] = NJW 1971, NJW Jahr 1971 Seite 1509; BVerfGE 80, BVERFGE Jahr 80 Seite 81 [BVERFGE Jahr 80 Seite 92] = NJW 1983, NJW Jahr 1983 Seite 2195), hat der Gesetzgeber mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft durch das LPartDisBG nicht zuwider gehandelt. Regelungsgegenstand des Gesetzes ist nicht die Ehe."

Wenn ich die Ehe nicht regele, d.h. sie als Lebensform zweier geschlechtsverschiedener Menschen so wie bislang unangetastet lasse, kann ich daneben regeln was ich will, weil die Ehe dadurch weder als Grundrecht noch als Institut auch nur im Ansatz betroffen ist.
Tobias__21
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tobias__21 »

Nichts anderes habe ich behauptet :) Da sind wir ja uns ja einig. Es geht aber darum, dass hier die Ehe geregelt werden soll. Sie wird also angetastet, in dem man sie für gleichgeschlechtliche Paare öffnet. Die eingetragene Lebenspartnerschaft haben wir ja schon, ist ja auch kein Problem. Jetzt soll es aber an die Ehe an sich gehen.
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sai
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von sai »

Tobias__21 hat geschrieben: Sie wird also angetastet, in dem man sie für gleichgeschlechtliche Paare öffnet. Die eingetragene Lebenspartnerschaft haben wir ja schon, ist ja auch kein Problem. Jetzt soll es aber an die Ehe an sich gehen.
Ja, und genau das ist der Fehler, der meiner Meinung nach politisch gemacht wird.

Ich kann doch die Ehe so, wie sie jetzt ist, einfach als Ehe bestehen lassen.
Gleichgeschlechtliche Partnerschaften stelle ich rechtlich vollkommen gleich, nenne sie aber nicht Ehe, sondern einfach anders.
Damit taste ich die Ehe nicht an, erreiche aber mein Ziel der rechtlichen Gleichstellung.
Tobias__21
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tobias__21 »

Ja, gut, aber man will ja nicht nur eine rechtliche Gleichstellung. Hier steckt doch auch der Gedanke dahinter, dass man gleichgeschlechtliche Paare komplett gleich behandeln will. Man also nicht mehr zwischen Ehe Frau/Mann und Mann/Mann, bzw. Frau/Frau differenziert. Würde man jetzt nur an der Lebenspartnerschaft ansetzen, würde sich immer noch Menschen daran stören, dass man gleichgeschlechtliche Paare insoweit diskriminiert, dass ihnen die Ehe verwehrt bleibt. Genau genommen wäre es auch keine rechtliche Gleichstellung, da sie dann immer noch nicht am Schutz des Art. 6 GG partizipieren, sonder nur einfachgesetzlich geschützt wären.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Flanke »

Das Argument mit dem Abstandsgebot scheint mir im Ansatz verfehlt. Es geht dabei, wenn überhaupt, darum, die Ehe von nichtehelichen Verbindungen abzugrenzen, nicht darum, wer die Ehe schließen darf. Selbst wenn man ein Abstandsgebot vertritt, wird es durch die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare nicht verletzt bzw. beseitigt.

http://verfassungsblog.de/warum-das-gru ... -verlangt/
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Vorkriegsjugend
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Vorkriegsjugend »

Ohne Experte im ÖR zu seine sehe ich das genauso, lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.

Ganz grundsätzlich finde ich es schön, dass die Ehe für alle jetzt kommt und damit diese elendige Diskussion bald beendet ist. Und ich könnte mir vorstellen, dass das BVerfG heute anders urteilt als 2002.
Tobias__21
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tobias__21 »

Ah, Herr Hong, sehr gut. Ich durfte ihn schon kennenlernen und schätze ihn sehr.

So ganz überzeugt es mich aber (noch) nicht. Was er gar nicht aufgreift ist der Schutz der Familie, der im gleichen Grundrecht geregelt ist. Homosexuelle Paare kriegen aber nun mal keine Kinder (zumindest nicht auf natürlichem Wege). Ist das nicht auch ein Punkt, der den Verfassungsgesetzgeber dazu bewogen hat, die Ehe zwischen Mann und Frau besonders zu schützen? Die Möglichkeit dass aus der Ehe auch einmal eine Familie hervorgeht? Alleine das Argument, dass man "wilde Ehen" nicht schützen wollten, überzeugt mich nicht. Auch die Ausführungen zu Art. 3 GG und dem APR überzeugen mich nicht. Das ist ein schwaches Argument. Das APR und Art. 3 GG kann man so gut wie immer anführen, egal um was es geht. So schützt bspw. Art. 4 GG eben auch nicht alles was einen Glaubensbezug hat. Daran vermögen auch Art. 3 und das APR nichts zu ändern.

In den Kommentaren wurde geschrieben, dass hier ein Mehr an Freiheit gewährt werden soll und Grundrechte ja Abwehrrechte seien. Art. 6 GG ist eben auch eine Institutsgarantie. Und sollte es so sein, dass hier nur Mann/Frau geschützt werden, würde man dieses Institut der Ehe doch auflösen und damit verfassungswidrig handeln, egal ob Art. 6 auch ein Grundrecht ist. Man müsste also zuerst die Frage klären, wer überhaupt geschützt sein soll, bevor man sich der Frage widmet, ob hier ein Mehr an Freiheit gewährt werden soll. Denn die Geschlechterverschiedenheit Bestandteil dieser Institutsgarantie ist, steht das nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers.

Vielleicht bin auch etwas voreingenommen, da es mich schon gar nicht so richtig überzeugt, der Ehe an sich überhaupt einen Menschenwürdekern zuzusprechen. Die Ehe wird doch vom Staat als einfachgesetzliches Institut ausgestaltet, braucht es da überhaupt eine verfassungsrechtliche Absicherung? Es entspricht doch gerade nicht der Natur des Menschen seine Partnerschaft auch vom Staat abgesegnet zu bekommen. Klar, der Mensch will Partnerschaften eingehen, aber braucht er dafür eine staatliche Anerkennung? Das kann er auch so, ohne dass ihm der Staat einen Standesbeamten stellt und gewisse steuerliche Vergünstigungen gewährt (verkürzt gesprochen). Eine Ehe hat man, weil sie der Staat einem gibt. Glaube, Meinung, Persönlichkeit, entspringen dagegen dem Menschen selbst. Gut, diese Argumentation ist spätestens bei der Eigentumsfreiheit auch angreifbar, geb ich zu :P

Ich weiss, mit dieser Ansicht stehe ich alleine auf weiter Flur :D
Zuletzt geändert von Tobias__21 am Donnerstag 29. Juni 2017, 12:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Flanke »

Den Schutz der Familie muss man hier nicht erwähnen, weil er vom Schutz der Ehe unabhängig ist und der Schutz der Ehe von ihm. Kinderlose Ehen zwischen Mann und Frau stehen ohne jede Abstriche unter dem Schutz von Art. 6 GG, genauso wie kinderreiche Ehen. Das ist auch so, wenn Mann und Frau im Standesamt ausdrücklich erklären, sie wollten niemals miteinander Kinder haben, und außerdem noch ärztliche Atteste über ihre Sterilisation vorlegen. Sie können trotzdem heiraten, und danach können sie sich vollumfänglich auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe berufen.

Warum die Institutsgarantie der Ehe einer Erweiterung der Ehe entgegenstehen soll, erschließt sich mir nicht. Der Gesetzgeber schafft die Ehe ja nicht ab, im Gegenteil. Ich kann mich auch nicht als Eigentümer eines Villen- oder Fabrikgrundstücks unter Berufung auf die Institutsgarantie des Eigentums und ein daraus folgendes Abstandsgebot dagegen wehren, dass die Rechtsordnung auch ein Eigentum an etwas so Unwürdigem und Proletarischem wie einem Schrebergarten oder einer Eigentumswohnung anerkennt.

Was die Natur des Menschen zum Thema Ehe zu sagen hat, weiß ich nicht, fühle mich dabei aber in guter Gesellschaft. Hier geht es ja auch nur um die Frage, ob die Ehe als rechtliche Verbindung nach rechtlichen Maßstäben für bestimmte Paare geöffnet werden darf. Das ist eine Frage, die sinnvoll nur die Rechtsordnung beantworten kann.

Ob man Mathias Hongs Position zum Gebot einer Gleichstellung heterosexueller und homosexueller Paare mitgeht, ist eine andere Frage. Hier ging es aber um das Abstandsgebot und damit die Frage, ob es ein Verbot einer solchen Gleichstellung gibt. Dafür sehe ich überhaupt keinen Anhaltspunkt, und insoweit erscheint mir die historisch fundierte Argumentation in dem Blogpost schlagend.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tobias__21 »

Für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in dem von den Beschwerdeführern behaupteten Sinne spricht auch nicht, daß die Eingehung einer Ehe nicht von der Fortpflanzungsfähigkeit der Partner abhängig ist und daß die Zahl der kinderlosen Ehen zugenommen hat, während eine wachsende Zahl von Kindern außerhalb einer Ehe geboren wird. Mit diesen Erwägungen wird die Annahme nicht widerlegt, daß die Ehe vor allem deshalb verfassungsrechtlich geschützt wird, weil sie eine rechtliche Absicherung der Partner bei der Gründung einer Familie mit gemeinsamen Kindern ermöglichen soll (vgl. auch den Hinweis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf den Zusammenhang zwischen Eheschließungsfreiheit und Familiengründung in Art. 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Urteil im Fall Rees, Serie A, Bd. 106, unter Nr. 49).
(BVerfG, Kammerbeschluss vom 04. Oktober 1993 – 1 BvR 640/93 –, Rn. 5, juris)
Gut, von 1993, aber immerhin :D Ich will mich auch gar nicht dagegen stemmen. Allerdings halte ich nach wie vor den Weg über eine Verfassungsänderung für richtiger ;)

Die Institutsgarantie steht mE einer einfachgesetzlichen Erweiterung der Ehe durchaus entgegen. Unterstellt es ist so, dass nur Mann/Frau geschützt sein sollen, dann war das eine Entscheidung des verfassungsgebenden Gesetzgebers. Darüber kann man doch nicht einfachgesetzlich disponieren? Art. 14 GG ist ein normgeprägtes Grundrecht: " Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt". Hier ist also der Gesetzgeber von Verfassungswegen berufen das Eigentum auszugestalten. Das ist bei Art.6 gerade nicht so. Der Vergleich hinkt also
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Flanke »

"Vor allem" sagt nichts darüber aus, dass Ehen ohne Kinder Ehen zweiter Klasse wären. Im Übrigen - und nur als Hilfsargument - können auch homosexuelle Ehepartner durchaus zusammen Kinder aufziehen. Dass das keine biologisch gemeinsamen Kinder sind, erscheint mir vollkommen irrelevant. (Teil-)Adoptivfamilien stehen wiederum ebenso unter verfassungsrechtlichem Schutz wie Familien mit biologisch gemeinsamen Kindern.

Sinn der Institutsgarantie des Eigentums ist gerade, dem ausgestaltenden Gesetzgeber verfassungsrechtliche Maßgaben für die Ausgestaltung vorzugeben, denen er sich nicht entziehen kann. Der Schutz der Ehe ist im Übrigen durchaus auch eine normgeprägte Gewährleistung, da die (bürgerliche) Ehe ein rechtliches Gebilde ist und nicht alle Voraussetzungen, Modalitäten und Grenzen der Eheschließung und erst recht nicht alle Fragen des ehelichen Güterrechts usw. verfassungsrechtlich im Detail vorgegeben sind. Die Institutsgarantie der Ehe definiert insoweit wiederum einen verfassungsrechtlich gewährleisteten Kern und Direktiven für die Ausgestaltung. Der Vergleich hinkt daher mitnichten.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tobias__21 »

Natürlich muss die einfachgesetzlich ausgestaltet werden, man könnte sicher auch von einem normgeprägten Grundrecht sprechen, von daher war mein Einwand wohl verfehlt. Die Grenzen dieser Ausgestaltung liegen aber da wo das Wesen der Ehe und damit die Institutsgarantie angetastet werden. Und wenn nun eben die Geschlechterverschiedenheit wesentliches Merkmal der Ehe als verfassungsrechtlichem Institut ist, ist die einfachgesetzliche Öffnung der Ehe für Paare versch. Geschlechts eben verfassungswidrig. Und diese Frage steht nun einmal im Raum und Wetten darauf abschließen, dass das BVerfG das jetzt anders sieht würde ich nicht.

Das BVerfG hat es nie beanstandet, gleichgeschlechtliche Paare eben nicht dem Schutz des Art. 6 zu unterstellen. Warum sollten sie jetzt von dieser Position abrücken, wenn sie es oft genug entschieden haben? Diese Diskussionen werden schon ewig geführt und das BVerfG hat klar und deutlich gesagt, dass hier der Gesetzgeber berufen ist. Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn da deutliche Worte aus Karlsruhe kommen, dass man doch bitte einfach die Verfassung ändern soll.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Flanke »

Ich sehe aber immer noch nicht, warum die Institutsgarantie der Ehe angetastet werden soll, wenn der Anwendungsbereich der Ehe erweitert wird. Die Ehe als Institution bleibt für heterosexuelle Paare unvermindert bestehen, für homosexuelle Paare wird sie erstmals geöffnet. Niemandem wird etwas genommen. Es gibt, wenn ich das richtig sehe, kein anderes Grundrecht, wo man auch nur auf die Idee käme, aus einer grundrechtlichen institutionellen oder Institutsgarantie, einem grundrechtlichen Bestandsschutz o.ä. darauf zu schließen, dass es ein Problem sein könnte, wenn - unter vollständiger Erhaltung des bisherigen Bestands - neue Rechtspositionen geschaffen werden: Art. 14 GG wird nicht verletzt, wenn neben dem Grundeigentum auch ein Eigentum an Wohnungen begründet werden kann oder wenn neben Vermögensrechten auch Persönlichkeitsrechte vererbt werden können. Art. 9 Abs. 1 GG wird nicht verletzt, wenn zu den bisherigen Formen juristischer Personen eine neue hinzutritt. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird nicht verletzt, wenn sich neben Mitarbeitern der klassischen Massenmedien auch Blogger auf Zeugnisverweigerungsrechte für Presseangehörige berufen können.

Das aus Art. 6 GG abgeleitete Abstandsgebot für die Ehe zwische Mann und Frau und ein daraus gefolgertes verfassungsrechtliches Eheverbot für homosexuelle Paare war noch nie eine dogmatisch überzeugende Position, sondern immer schon eine Anomalie. Mittlerweile ist auch der gesellschaftliche Diskurs in weiten Teilen darüber hinweggegangen. Ich würde die Wette jederzeit abschließen.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Tobias__21 »

Das einzige Problem, sofern es denn überhaupt eins ist, das ich sehe ist, dass der einfache Gesetzgeber evtl. Grenzen überschreitet, die ihm von der Verfassung gezogen sind. Er ist eben nicht der verfassungsändernde Gesetzgeber und hat grds. nicht darüber zu entscheiden was unter Ehe im verfassungsrechtlichen Sinne zu verstehen ist. Wenn aber unter Ehe iSd. Art. 6 GG nur die Ehe Mann/Frau zu verstehen ist, kann er sich darüber nicht einfachgesetzlich hinwegsetzen, auch wenn es sich bei Art. 6 um ein normgeprägtes Grundrecht handeln mag. Da ist es doch auch egal, ob man jemandem was wegnimmt und im Endeffekt nur Gutes tut, oder nicht? Den Willen des Verfassungsgesetztgebers hat er doch zu respektieren. Wie man die Ehe näher ausgestaltet kann man einfachgesetzlich regeln, aber doch nicht was Ehe überhaupt ist. Aber ja, wahrscheinlich läuft es wirklich so, dass man den Ehebegriff des Art. 6 GG einfach zeitgemäß auslegt und davon eben auch die gleichgeschlechtliche Ehe als mitumfasst ansieht, so dass ein einfaches Gesetz ausreicht.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von Flanke »

Sehe ich anders. Selbst wenn man davon ausginge, dass Art. 6 GG wirklich nur die Ehe zwischen Mann und Frau als Institution garantiert und mit besonderem verfassungsrechtlichen Schutz versieht, gibt es m.E. keinen Grund, warum der Gesetzgeber das zivilrechtliche Institut der Ehe nicht für Dritte öffnen können soll. Dann gäbe es eben eine Ehe im verfassungsrechtlichen Sinn und eine Ehe im zivilrechtlichen Sinn. Eine derartige Divergenz ist gar nicht so ungewöhnlich, es gibt zum Beispiel auch einen Rundfunk im verfassungsrechtlichen und im medienrechtlichen Sinn und ein Eigentum im verfassungsrechtlichen und im zivilrechtlichen Sinn. Ein Problem entstünde aus meiner Sicht nur dann, wenn die Öffnung des zivilrechtlichen Instituts Beeinträchtigungen für das verfassungsrechtliche Institut mit sich brächte. So wäre es etwa, wenn der Gesetzgeber beliebigen privatrechtlichen Vereinen das Recht gäbe, Tarifverträge abzuschließen, weil dann die durch die Koalitionsfreiheit spezifisch geschützten Akteure nicht einfach nur andere neben sich hätten, sondern in ihrer eigenen Tätigkeit massiv beeinträchtigt werden könnten (Verlust von Mobilisierungsmacht usw.). Bei der Ehe sehe ich das nicht. Es ist für ein Ehepaar völlig egal, wie viele weitere Ehepaare es gibt und welches Geschlecht die Ehepartner dieser anderen Paare haben.

Ich denke allerdings in der Tat, dass eine Öffnung des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs für gleichgeschlechtliche Partnerschaften vorzugswürdig und auch dogmatisch recht zwanglos möglich wäre.
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Re: Menschenrechte, insb. Ehe?

Beitrag von markus87 »

Im Sinne des letzten Beitrags von Flanke: Wer weiß, vielleicht können sich Wohnungseigentümer auch gar nicht auf Art. 14 GG berufen, falls das WEG nicht mit verfassungsändernder Mehrheit zustande kam?
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