Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Einwendungsduschgriff
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

mea parvitas hat geschrieben:Die Verwarnung/Sicherstellung des Plakats könnte doch allgemein an die Versammlung gerichtet werden ("Wir beschlagnahmen all jene Transparente, die xxx beinhalten, um Ausschreitungen entgegen zu wirken")?
Das ist natürlich keine Maßnahme, sondern lediglich die Inaussichtstellung einer solchen. Warum konstruierst Du das so herum? Warum überlegst Du nicht, ob man eine Auflage dahingehend erlässt, dass solche Transparente zu unterlassen sind? Wenn ich eine Antwort voraussagen sollte: weil die Voraussetzungen des § 15 VersG dann nicht gewahrt werden würden. Ich sehe immer noch keinen versammlungsrechtlichen Weg, das Ganze zu einer Lösung in Deinem Sinne zu bringen. Du kannst natürlich die harte Nummer ziehen und eine Allgemeinverfügung gegen alle Versammlungsteilnehmer erlassen, um einen einzigen Störenfried zu erwischen. Dass das unverhältnismäßig sein dürfte, liegt wohl auf der Hand.

Herr Schraeg: das kann man natürlich überlegen, freilich würde ich weniger auf die grundgesetzliche Versammlungsfreiheit abzustellen. Aber Tobias_21 hat hier schon einen - in der Praxis gar nicht seltenen - Konfliktfall konstruiert, der das Versammlungsgesetz sehr schnell an seine Grenzen bringt.
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mea parvitas
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von mea parvitas »

Siehe zB hier unter D.: http://archiv.jura.uni-saarland.de/repe ... 6fb094.pdf

M ist Teilnehmer einer Versammlung. Es wird unter anderem das Transparent beschlagnahmt. Läuft völlig unproblematisch über § 15 III als Minusmaßnahme (§ 15 II a.F.).
Zuletzt geändert von mea parvitas am Mittwoch 23. März 2016, 12:14, insgesamt 1-mal geändert.
Tobias__21
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Tobias__21 »

mea parvitas hat geschrieben:Siehe zB hier unter D.: http://archiv.jura.uni-saarland.de/repe ... 6fb094.pdf

M ist Teilnehmer einer Versammlung. Es wird unter anderem das Transparent beschlagnahmt. Läuft völlig unproblematisch über § 15 III als Minusmaßnahme (§ 15 II a.F.).
Ja, man scheint da nicht so sauber zu differenzieren. Ich habe gerade im Schenke nachgeschaut. Der schreibt bei Rn. 377, dass ein Ausschluss einer einzelnen Person sogar auf § 15 I "Auflage" gestützt werden kann. § 18 III hat weitergehende Voraussetzungen und kommt daneben in Betracht, wenn diese vorliegen. Das erscheint mir dogmatisch nicht richtig zu sein. Ich würde da § 18 III als lex specialis sehen.

Im Ergebnis scheint auch er ein Vorgehen gegen einzelne Personen über § 15 iVm mit dem Gefahrenabwehrrecht laufen zu lassen -> Er nimmt dann die EGL aus dem PolG. Das hat das BVerwG auch so gemacht in obigem Urteil, aber da ging es eben um Maßnahmen die sich gegen die Versammlung an sich richteten.

Vertretbar wird das sicher sein, aber ich kann Duschgriffs Kritik schon nachvollziehen. Richtig sauber ist das alles nicht, was wohl auch am VersG an sich liegt.
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Ara
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Ara »

Tobias__21 hat geschrieben:
Im Ergebnis scheint auch er ein Vorgehen gegen einzelne Personen über § 15 iVm mit dem Gefahrenabwehrrecht laufen zu lassen -> Er nimmt dann die EGL aus dem PolG. Das hat das BVerwG auch so gemacht in obigem Urteil, aber da ging es eben um Maßnahmen die sich gegen die Versammlung an sich richteten.
So kenne ich das ehrlich gesagt aber auch nur. Die Sperrwirkung des VersG greift nicht bei Minusmaßnahmen zu § 15. Rechtsgrundlage ist dann die Norm aus dem PolG + § 15 VersG.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

mea parvitas hat geschrieben:Siehe zB hier unter D.: http://archiv.jura.uni-saarland.de/repe ... 6fb094.pdf

M ist Teilnehmer einer Versammlung. Es wird unter anderem das Transparent beschlagnahmt. Läuft völlig unproblematisch über § 15 III als Minusmaßnahme (§ 15 II a.F.).
Ohne Begründung. Würde ich eine solche Rechtsansicht vertreten würde ich das auch ohne Begründung machen. Ansonsten schämt man sich doch nur.
Zuletzt geändert von Einwendungsduschgriff am Mittwoch 23. März 2016, 17:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Ara hat geschrieben:
So kenne ich das ehrlich gesagt aber auch nur. Die Sperrwirkung des VersG greift nicht bei Minusmaßnahmen zu § 15. Rechtsgrundlage ist dann die Norm aus dem PolG + § 15 VersG.
Minusmaßnahme ist nie gleich Minusmaßnahme. Mit der Sperrwirkung hat das natürlich nichts zu tun, sondern höchstens mit der Spezialitätsgeltung des Versammlungsgesetzes. Die Verknüpfung aus § 15 VersG und allgemeinem Polizeigesetz ist nun wirklich krude. Das vertritt doch niemand von Verstand.
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Ara »

Ich hab nochmal nachgeschaut. Du hast Recht. Nur die Rechtsfolge wird aus dem PolG genommen. Rechtsgrundlage bleibt § 15 VersG.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Tobias__21 »

Schenke schreibt wörtlich:
"Das BVerwG (BVerwGE 64, 55, 57f) versteht den Begriff der "Auflagen" in dieser Vorschrift zu recht so, dass damit auf die Ermächtigungsgrundlagen außerhalb des VersG verwiesen wird"
Schenke - Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Auflage, Rn. 379
Weiter unten, auch wieder wörtlich : " § 15 VersG iVm den einschlägigen polizeirechtlichen Vorschriften"

Und ich verstehe das so, dass er tatsächlich die EGL aus dem PolG nimmt und nicht nur die Rechtsfolge. Was davon zu halten ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Ara »

Also im Schlömer/Sperl-Skript (Hemmer) steht halt tatsächlich in nem Extra dicke umrandeten Kasten zum BVerwG-Urteil: "Die Rechtsgrundlage für die Minusmaßnahme findet sich im VersammlG. Allein im Hinblick auf die Rechtsfolgen erfolgt ein Rückgriff auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht."
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Tobias__21 »

Das Urteil habe ich vorhin überflogen. Die einschlägige Passage findet sich hier:

http://forum.jurawelt.com/viewtopic.php ... 05#p726478

Wenn ich mich recht erinnere (ich hab jetzt keine Lust schon wieder Juris aufzumachen) ging es in diesem Fall aber darum, dass sich die Maßnahme - Verbot von Transparenten - hier an die gesamte Versammlung richtete und nicht an einen einzelnen Versammlungsteilnehmer. § 103 StGB stand da auch noch im Raum. Das Urteil ist auch schon etwas älter. Und mir scheint als würde da jeder so sein eigenes Süppchen kochen wie man das Urteil zu verstehen hat.

§ 15 VersG spricht aber nunmal von "die Versammlung" und nicht vom Versammlungsteilnehmer. Dass da differenziert werden muss ergibt sich mE auch aus § 18, da das VersG den Begriff des "Teilnehmers" der Versammlung sehr wohl kennt und eigenständige Regelungen bereithält. Jetzt den § 15 VersG auf den Teilnehmer auszudehnen erscheint mir dogmatisch mehr als unsauber.

Und das mit der Minusmaßnahme stößt mir eh schon sauer auf :) Was ist denn wenn im gleichen Zuge noch eine Identitätsfeststellung des Teilnehmers erfolgt, oder er irgendwie festgehalten wird (Gewahrsam?). Das sind dann wohl aus seiner Sicht schon gar keine Minusmaßnahmen mehr, sondern weitere, noch stärker wirkende, Grundrechtseingriffe.

Und überhaupt zitieren die wenigstens Polizeigesetze den Art. 8. Bspw. § 4 PolG BW. Das ist ja dann schon wieder die nächste Baustelle #-o
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Re: Verhältnis Polizeigesetz / VersG

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Ara hat geschrieben:Ich hab nochmal nachgeschaut. Du hast Recht. Nur die Rechtsfolge wird aus dem PolG genommen. Rechtsgrundlage bleibt § 15 VersG.
Das finde ich auch nachvollziehbar, sich an dem dortigen Instrumentarium zu bedienen - meine Kritik oben war etwas harsch, das tut mir leid, aber mich ärgert die hier häufig anzutreffende Ungenauigkeit, weil man dadurch den Spezialitätsgedanken weitgehend durch Duldung einer Exekutivpraxis zurückfährt. Weiter dann: Sind die dann aber die Minusmaßnahmen föderal unterschiedlich ausgestaltet? Man sollte aber dabei bleiben, dass Adressat trotzdem nur die Versammlung als solche sein kann. Ein Beispiel: Eine kleine Versammlung - vier Menschen - halten gemeinsam ein Plakat in die Höhe. Das Plakat ist nicht einem Einzelnen, sondern der Versammlung als solcher zuzuordnen. Liegen die Voraussetzungen des § 15 VersG vor, so könnte man hier an eine Minusmaßnahme Beschlagnahme denken. Zu § 18 Abs. 3 VersG kann man auch lustige Situationen stricken, die die Frage aufwerfen wie sich die Ausschlussverfügung zur späteren polizeirechtlichen Maßnahme verhält.
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