Ignorieren der aufschiebenden Wirkung durch Privatperson

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

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Ara
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Ignorieren der aufschiebenden Wirkung durch Privatperson

Beitrag von Ara »

Moin,

Folgender Sachverhalt: A möchte eine Windkraftanlage errichten. Er beantragt bei der Behörde eine Genehmigung nach dem BImschG. Diese bekommt er auch. Nachbar N legt dagegen Widerspruch ein. A ignoriert die aufschiebende Wirkung schlicht und einfach und fängt an loszubauen. Was kann N nun machen?

Richtige Lösung soll nun wohl sein, dass N Klage nach §§ 80 V, 80a VwGO auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung anstrebt.

1. Was bringt es ihm? Wenn der A die aufschiebende Wirkung ignoriert, wird er auch die Feststellung des Gerichtes ignorieren.

2. Warum ist die Klage nicht auf ordnungsrechtliches Einschreiten der Behörde gerichtet? Durch die aufschiebende Wirkung baut der A seine Windkraftanlage ja auch ohne Baugenehmigung (Die BImschG-Genehmigung kann ja keine Konzentrationswirkung entfalten durch den Widerspruch) und daher kann doch einfach nach Bauordnungsrecht gegen den Schwarzbau vorgegangen werden?

Was übersehe ich?
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Pillendreher
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Re: Ignorieren der aufschiebenden Wirkung durch Privatperson

Beitrag von Pillendreher »

Gibt da nicht auch noch irgendwas mit §§ 80 f. analog hinsichtlich etwaiger Verzugsfolgen?
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Tobias__21
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Re: Ignorieren der aufschiebenden Wirkung durch Privatperson

Beitrag von Tobias__21 »

:-k komisch..Das ist der ganze Sachverhalt? Mehr ist da nicht? Keine Präklusion nach § 10 III BimSchG, keine Anordnung der sofortigen Vollziehung seitens der Behörde?
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Ara
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Re: Ignorieren der aufschiebenden Wirkung durch Privatperson

Beitrag von Ara »

Das ist der ganze Sachverhalt (aus einer mündlichen Prüfung). Der Prüfer legte besonderen Wert darauf, dass das Gericht in der Begründetheit ausschließlich prüft, ob aufschiebende Wirkung eingetreten ist und nicht ob die Baugenehmigung rechtmäßig ist.

Aber ich kann doch nicht einfach die Behörde verklagen, um festzustellen, dass aufschiebende Wirkung vorliegt. Die Klage kann doch nur darauf gerichtet sein, dass die Behörde nicht einschreitet. Dann wäre die Begründetheit aber ja nicht beschränkt auf "liegt aufschiebende Wirkung vor oder nicht", sondern der Prüfungsumfang wäre "Ist die Behörde zum Einschreiten verpflichtet oder nicht".
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Pillendreher
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Re: Ignorieren der aufschiebenden Wirkung durch Privatperson

Beitrag von Pillendreher »

Dem Klägerbegehren entspricht doch auch die Feststellung der aW gar nicht, da ja dadurch A nicht an der Errichtung der Anlage gehindert wird. Kann man so etwas vielleicht als nötigen Zwischenschritt für ein Vorgehen gegen die Errichtung sehen? Etwa als eine Art "Vollstreckungstitel"? :-k
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Tobias__21
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Re: Ignorieren der aufschiebenden Wirkung durch Privatperson

Beitrag von Tobias__21 »

Ich versteh es auch nicht so ganz.

Wenn der Nachbar gegen die BImSchG Genehmigung Widerspruch einlegt, hat dieser ja aufschiebenden Wirkung. Eine Baugenehmigung liegt ja noch nicht vor, da wäre dann § 212a BauGB ein Problem. Wenn der jetzt trotzdem baut, kann sich der Nachbar doch an die Behörde wenden, wenn die nicht einschreiten Klage auf einschreiten erheben.

Hängt es vielleicht daran:

Wenn die Behörde ein Einschreiten ablehnt, müsste er ja grds. erstmal Verpflichtungswiderspruch erheben und dann eine VK, oder eben Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO. Hat man da irgendwo Probleme, dass bereits ein Widerspruch gegen die Genehmigung anhängig ist und der noch nicht beschieden ist? Fehlt da dann das RSB? Und die Feststellung der aufschiebenden Wirkung wäre der einfachere Weg? Denn im Widerspruch gegen die Genehmigung (der ja bereits anhängig ist) wird ja auch entschieden ob er seine Anlage bauen darf, oder nicht. Da wäre es doch eigentlich aus prozessökonomischen Gründen verfehlt nochmal eine Klage auf Einschreiten zu erheben, die ihn ja im Endeffekt seinem eigentlich Ziel - Verhinderung des Baus - nicht näher bringt.

Oder anders gesagt: Sein eigentliches Ziel ist ja den Bau komplett zu verhindern. Das erreicht er mit Widerspruch (bereits erhoben) und anschließender AK. Was bringt es ihm eine Baueinstellung zu erreichen, wenn seine AK in letzter Konsequenz dann doch abgelehnt wird? Ist sie erfolgreich, muss er seine Windkraftanlage so oder so abreissen. Der Kläger verliert doch nichts, wenn er ihn erstmal bauen lässt und abwartet wie seine Klage ausgeht
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famulus
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Re: Ignorieren der aufschiebenden Wirkung durch Privatperson

Beitrag von famulus »

Ich hätte eher an § 80a Abs. 3 VwGO gedacht. Ich hatte so etwas in der Praxis mal: da hat der Begünstigte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung schlicht ignoriert und die Behörde hat ihn gewähren lassen. Ich habe mich dann mit dem Antrag an das Gericht gewandt, einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten zu treffen:
jurisPK VwGO, § 80a Rn. 27 hat geschrieben:Die Sicherungsmaßnahmen betreffen nicht nur die Fallkonstellation, in der im Zuge einer AdV eine Absicherung dieser Entscheidung erforderl wird, sondern auch diejenigen, in denen der Begünstigte die aW missachtet (vgl auch Rn 20 ).* Ein Rückgriff oder ein Ausweichen auf die eA nach § 123 ist in allen Anwendungsfällen im Hinblick auf § 123 V nicht möglich. * Die Sicherungsmaßnahmen werden vom Ger grundsätzl selbst angeordnet. Das Ger ist angesichts des klaren Wortlauts des S 1 und der gleichermaßen unmissverständlichen Entstehungsgeschichte* nicht auf einen bloßen VerpflAusspruch gegenüber der Beh beschränkt.* Dem Ger ist es aber nicht verwehrt, ausnahmsweise der Beh bestimmte Sicherungsmaßnahmen aufzugeben.* Die Maßnahme ist nicht als Anspr zu verstehen, der mit der VerpflKlage durchgesetzt werden müsste. Für den Erlass einer Sicherungsmaßnahme muss es immer einen Anlass geben (vgl Rn 22 ).
Im Kopp/Schenke steht dazu unter Rn. 17 auch was (auch ausdrücklich zur hier schon genannten "Feststellung der mangelnden Vollziehbarkeit des VA").
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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