Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Tobias__21
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von Tobias__21 »

famulus hat geschrieben:Naja, zumindest war er ja offenbar verzweifelt genug, den Altmaier um "Beistand" zu bitten. Mimimi.

http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 86128.html
Als ich den Artikel gelesen habe, dachte ich auch erst dass ihm der Stift geht. Mittlerweile bin ich aber felsenfest davon überzeugt, dass er genau wusste was da kommen wird und sich einer Strafbarkeit durchaus bewusst war, als er das Gedicht verfasste. Das was jetzt gerade passiert, ist alles noch Teil der Show :D
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thh
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von thh »

[enigma] hat geschrieben:Denn gerade hier gehört die Entscheidung, ob es sich noch um zulässige Satire handelt oder nicht doch wenn überhaupt dann in den Gerichtssaal.
Und nicht in die Presse, genau.

(Oder was meintest Du? ;))
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[enigma]
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von [enigma] »

Mietspantrakt hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Ich sehe das eher umgekehrt. Das äußere Gewand ist die Satire. Denn es ging ja gerade nicht nur um das Gedicht, es war eine ganze Nummer, in deren Mittelpunkt dann das Gedicht stattfand. Das ist auch durchaus wichtig, denn dieser äußere Rahmen ging in der Debatte und Aufregung dann völlig verloren. Da wurde mE auch sehr deutlich, dass es Böhmermann darum ging, die Grenzen zwischen Satire und Schmähkritik (wohl aber eben im Rahmen der Satire) aufzuzeigen.

Sinn war es wohl einerseits, die typischen, vorhersehbaren Mechanismen und Abläufe, die sich bei jeder auch nur ansatzweise beleidigenden Satire abspielen (Medienecho, Löschung aus der Mediathek, Erdogan dreht am Rad) dadurch lächerlich zu machen, dass er sie ausdrücklich vorhersagt und dann auslöst, indem er einfach völlig absurde, sinnlose Beleidigungen aneinander reiht. Der eigentliche Schaden für Erdogan entsteht dann aber nicht diese kindischen Beleidigungen, sondern durch eben die vorhergesagten Automatismen. Kann man infantil finden (fand ich auch), ist mE aber durchaus legitim. Vor allem ging es auch darum zu zeigen, dass Meinungsfreiheit keinesfalls selbstverständlich ist, wenn selbst ein vergleichsweise harmloser extra3 Beitrag solche Schlagzeilen macht und darüber diskutiert wird.

Zweitens ging es darum, den Streisand-Effekt zu verdeutlichen. Von wegen natürlich wird das Video gelöscht, natürlich regt sich Erdogan auf, umso mehr verbreitet sich aber das Video. Das wurde sowieso nur zum Thema, WEIL sich Erdogan so dünnhäutig gezeigt hat. Das ist halt die typisch böhmermannsche Meta-Medienkritik, die ich mal mehr (Varoufakis) mal weniger (Erdogan-Gedicht) gelungen finde. Das jetzt aber auf die Beleidigungen zu reduzieren, ist mir wie gesagt viel zu einfach.
warum eigentlich die ploetzliche sinnesaenderung zur qualitaet der boehmermann-aktion?
Welcher Sinneswandel? Unabhängig davon, was ich von der Aktion halte, gingen sowohl deine Intepretation (sinnlose Provokation) als auch die Interpretationen der meisten Presseartikel und Onlinekommentare voll am Thema vorbei. Wenn man die Aktion schon kritisiert (das tue ich wohlgemerkt nicht, ich fand es nicht wirklich lustig, halte es aber nicht für problematisch) sollte man sie zumindest verstanden haben. Dazu gehört, dass man auch die Äußerungen vor und nach dem Gedicht sowie die Intention Böhmermanns berücksichtigt.
thh hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Denn gerade hier gehört die Entscheidung, ob es sich noch um zulässige Satire handelt oder nicht doch wenn überhaupt dann in den Gerichtssaal.
Und nicht in die Presse, genau.

(Oder was meintest Du? ;))
Mit den Gedichtinterpretationen der Presse habe ich weniger Bauchschmerzen als mit einem "Machtwort" der BReg, auch wenn die meisten Artikel in den Tagen danach wie gesagt erschreckend oberflächlich waren. Das gehört eben zum öffentlichen Diskurs, den Böhmermann ja gerade anstoßen wollte.
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falsus
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von falsus »

[enigma] hat geschrieben: Dazu gehört, dass man auch die Äußerungen vor und nach dem Gedicht sowie die Intention Böhmermanns berücksichtigt.
Andernfalls wäre im Falle einer mündlichen Verhandlung auch das Verlesen des konkreten Anklagesatzes strafbar.
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von OJ1988 »

Na, nur deshalb? Wiederhol nochmal die Beleidigungsdelikte ;) Alleine der Vorsatz schon...
Tobias__21
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von Tobias__21 »

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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von OJ1988 »

Wo ist der Popcorn-Smiley, wenn man ihn mal braucht.
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Tibor
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von Tibor »

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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Tja. Interessanter Fun-Fact: 1967 "half" sich die damalige Bundesregierung, indem sie eine (bewusst) allgemein gehaltene diplomatische Note des Iran, in der strafrechtliche Folgen für angebliche Beleidigungen des Schahs gefordert wurden, schlicht nicht als förmliches Strafverlangen i.S.d. heutigen § 104a StGB auslegte.
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von Riven »

Erfordert der § 103 nicht die Anwesenheit des Staatsoberhaupts im Inland? Oder gilt das nur für die Alt. 2?
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von OJ1988 »

Das dürfte sich "intrasystematisch" ausweislich der Variantenbildung mit "oder" nur auf die zwischen dem ersten und dem zweiten "oder" stehende 2. Variante beziehen.
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von [enigma] »

Christian Solmecke vertritt exakt die gleiche Meinung und Argumentation wie ich. Konsequenz: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil.
https://www.youtube.com/watch?v=xhnNtH6mbBs
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von [enigma] »

OJ1988 hat geschrieben:Das dürfte sich "intrasystematisch" ausweislich der Variantenbildung mit "oder" nur auf die zwischen dem ersten und dem zweiten "oder" stehende 2. Variante beziehen.
Korrekt. So auch Fischer, §103a Rn 1.
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von Ara »

[enigma] hat geschrieben:Christian Solmecke vertritt exakt die gleiche Meinung und Argumentation wie ich. Konsequenz: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil.
https://www.youtube.com/watch?v=xhnNtH6mbBs
Warum? Biste auch der Meinung, dass die Staatsanwaltschaft keine Anklage erstatten wird?

Ich glaube ein großes Problem bei der ganzen Debatte ist, dass die Medienrechtler ihre ganzen zivilrechtlichen Wertungen 1:1 aufs Strafrecht übertragen. Das funktioniert in diesem Fall glaube ich nicht so wirklich...
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Böhmermann: § 103 StGB/Meinungsfreiheit

Beitrag von [enigma] »

Nein, meinte eher die grundsätzlichen Ausführungen zur Meinungsfreiheit. Ich hoffe sogar, dass die StA Anklage erheben wird, die Sache gehört nach Karlsruhe ;)

Da es auf Youtube derzeit wohl nicht auffindbar ist, hier das vollständige Video inklusive Kontext: https://mega.nz/#!2whTxYwK!Wu4qGlWIiz9w ... iRNPwCLhB4
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