Rundfunkanstalten und Beitragsservice

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Gelöschter Nutzer

Rundfunkanstalten und Beitragsservice

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo zusammen,

Person X hat seit geraumer Zeit vier offene Fragen zum Thema Rundfunkanstalten und Beitragsservice und möchte sich von Juristen eine Meinung einholen.

1.) Hoheitliche Befugnisse von Rundfunkanstalten?
Person X fragt sich wo, wie und wann genau festgehalten wurde, dass Rundfunkanstalten hoheitliche Befugnisse per Gesetz zugesprochen bekommen haben, ähnlich einer Behörde, um z.B. Verwaltungsakte zu erlassen; Konkret ihre sogenannten „Festsetzungsbescheide“ über den „Beitragsservice“ zu versenden zu fordern und einzutreiben.

Person X recherchiert seit geraumer Zeit, als juristischem Laien erschließt sich im jedoch nicht wieso eine „Firma“ mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet wurde?

Person X hat bereits in einem Beschluss des BverfG die sehr eindeutige Aussage gefunden, dass Rundfunkanstalten gegenüber Staatsbürgern über keinerlei hoheitliche Rechte verfügen. Des weiteren gab es ja bisher zwei sehr erfreuliche Beschlüsse des LG Tübingen hierzu. Das letzte Urteil vom 9.9.2015 wurde, soweit Person X weiß, noch nicht vom BGH einkassiert.

Kann jemand dazu Stellung nehmen, kann man sich darauf beziehen und festhalten oder wurde das irgendwann einmal korrigiert?
BverfG, 27.07.1971 – 2 BvF 1/68
„Die formale Organisation der Träger von Rundfunk und Fernsehdarbietungen als öffentlich rechtliche Anstalten kann -- unbeschadet dessen, dass sie ausnahmsweise einmal an sehr peripheren materiellrechtlichen Punkten durchschlägt (Kompetenz zum Erlaß einer Satzung in § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens vom 31. Oktober 1968, ARD-Handbuch 1970, S. 299; Zuteilung von Sendezeiten an politische Parteien im Wahlkampf als mit Verfassungsbeschwerde angreifbarer Akt der öffentlichen Gewalt, BVerfGE 7, 99 [104]; 14, 121 [129 f.])--nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie nach ihrem Aufbau, ihren Organen und der Abwicklung ihrer Geschäfte jedes spezifisch öffentlichrechtlichen Elements ermangeln: sie kennen nicht einmal Beamte oder öffentlichrechtliche Bedienstete; sie verfügen dem Staatsbürger gegenüber über keinerlei hoheitliche Gewalt; ihre Aufgabe gehört nicht zu den dem Staat vorbehaltenen Aufgaben; sie konkurrieren de constitutione lata potentiell mit privaten Trägern.Sie gleichen also insoweit jedem beliebigen anderen Großunternehmen.“
LG Tübingen, Beschluß vom 9.9.2015, 5 T 162-15
„Im Übrigen drängt sich gerade im Rundfunkbereich auch keineswegs die Behördeneigenschaft des „SWR“ auf. Nach außen hin tritt der „SWR“ bzw. treten die Landesrundfunkanstalten nicht anders auf als beispielsweise das ZDF oder RTL (alle mit Werbung, Vergütungen außerhalb der Besoldung im öff. Dienst, Programmstruktur). Dass in der Sendergruppe ARD, SWR, NDR, BR, ZDF, SAT1, 3SAT, RTL und arte sich zwar letztlich 7 öffentlich-rechtliche Sender, darunter nur 1 landesbezogene Landesrundfunkanstalt und 2 Mehr-Länder-Landesrundfunkanstalten, befinden, nur drei der genannten öffentlich rechtlichen Sender Behörden mit Beitragsfestsetzungsbefugnis sind und wiederum nur ein Teil davon zugleich – teilweise in Teilflächen des Sendegebiets - Vollstreckungsbehörde, kann schwerlich als offenkundig angesehen werden. Schließlich ist zu sehen, dass keineswegs zwingend die Landesrundfunkanstalt auch zugleich Vollstreckungsbehörde ist Die gleiche Problematik betrifft auch die Gläubigerermittlung.“
Wie kann es dann sein, dass sich der Beitragsservice und am Ende die jeweilige LRA darauf beruft, Verwaltungsakte zu erlassen und Beiträge einzufordern?


2). Verwaltungsakt
Es gibt auch noch eine weitere Ungereimtheit betrachtet man das LVwVfG am Beispiel von Baden-Württemberg:
LVwVfG - § 2 Ausnahmen vom Anwendungsbereich
„(1) Dieses Gesetz gilt nicht für die Tätigkeit der Kirchen, der Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen und nicht für die Tätigkeit des Südwestrundfunks.“
In allen Schreiben des Beitragsservice an Person X wurde immer auf dieses Verwaltungsverfahrensgesetz hingewiesen.

Hierzu ein Gerichtsbeschluss:
OVG Nordrhein-Westfalen · Beschluss vom 14. Juli 2010 · Az. 16 A 49/09

Hier klagte jemand auf Kostenerstattung nach § 80 VwVfG NRW. Das OVG NRW verbiegt die Gültigkeit des VwVfW NRW auf den WDR immer passend zur Klage und hebelt somit jedwede Klagebegründung aus.
Ungültig weil:
33... Die Aufnahme des Beklagten in den Ausschlusskatalog des § 2 Abs. 1 VwVfG NRW kann daher nur so verstanden werden, dass der Gesetzgeber die Tätigkeiten des Westdeutschen Rundfunk umfassend von der Geltung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes ausnehmen wollte, auch und gerade bezogen auf dessen originäre Verwaltungstätigkeit.

Gültig weil:
14... Auch eine unlängst bekannt gewordene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, in der die Anwendbarkeit der §§ 48 und 49 VwVfG NRW im Rundfunkrecht bejaht werde, soweit nicht der Kernbereich der Rundfunkfreiheit iSd Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes berührt sei, lasse sich nicht in der Weise deuten, dass trotz der Regelung des § 2 Abs. 1 VwVfG NRW das gesamte Landesverwaltungsverfahrensgesetz auf seine, des Beklagten, Verwaltungstätigkeit anzuwenden sei.
Auch hierzu wären Meinungen sehr interessant.


3.) Ablauf des Verwaltungsaktes
Der Beitragsservice versendet Schreiben in willkürlicher Reihenfolge, zumindest ist für Person X die Logik der Abfolge nicht ersichtlich. Die Betreffe lauten dann z.B.: „Zahlung der Rundfunkgebühren“, „Ihr Rundfunkbeitrag“, „Mahnung“, „Zahlungsaufforderung“, „Gebühren/Beitragsbescheide“.

Von Person X wird allerdings die Befolgung des absolut korrekt Ablaufs eingefordert.
D.h. auf einen „Festsetzungsbescheid“ innerhalb von vier Wochen mit einer Zurückweisung oder Widerspruch zu reagieren und dann auf die Reaktion des Beitragsservice zu warten. Im Fall von Person X ergingen vier „Festsetzungsbescheide“; bis zur Zustellung des Widerspruchsbescheides verging über ein Jahr. Inzwischen hat sich die Argumentation von Person X grundlegend geändert.

Als letzter Weg wird Person X der Weg der Klage aufgezeigt, wobei sich Person X die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens nicht erschließt, wenn angenommen werden könnte, dass der Verwaltungsakt an sich nichtig ist.

Wäre es nicht möglich ein Schreiben in Form einer „Zurückweisung des Widerspruchsbescheides“ beim Beitragsservice einzureichen oder steht tatsächlich nur noch der Klageweg offen.


4.) Gerichtsvollzieher
Gerichtsvollzieher bundesweit ohne grundgesetzliche Ermächtigungsgrundlage privatisiert, § 1 Gerichtsvollzieherordnung (GVO) „aufgehoben“ mit Wirkung vom 01.08.2012
„Bis zum 31. Juli 2012 hat es im § 1 der Gerichtsvollzieherordnung (GVO) Rechtsstellung des Gerichtsvollziehers geheißen, dass der Gerichtsvollzieher Beamter im Sinne des Beamtenrechts ist. Bundeseinheitlich heißt es seit dem 01. August 2012 an gleicher Stelle, nämlich dem § 1 GVO von nun an: „aufgehoben„.

Nachdem diese ohne grundgesetzliche Ermächtigungsgrundlage erfolgte „Privatisierung“ hoheitlicher Aufgaben wider Art. 33 Abs. 4 GG bereits seit dem 01.08.2012 Rechtswirklichkeit geworden ist, wird derzeit nachträglich verfassungswidrig an einer entsprechenden Grundgesetzänderung gearbeitet. Mehr dazu liest man derzeit auf der entsprechenden Seite des nds. Justizministeriums mit dem Titel: Neuorganisation des Gerichtsvollzieherwesens / Privatisierung. Im verfassungswidrigen Entwurf eines verfassungsändernden Gesetzes heißt es dazu,

Gesetzentwurf des Bundesrates, Drucksache 17/1210 17. Wahlperiode vom 24.03.2010 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes.
„Änderung des Grundgesetzes
Nach Art. 98 des GG für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil II, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch… geändert worden ist, wird folgender Artikel 98a eingeführt:

Artikel 98a
Die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und die Ausübung sonstiger Befugnisse der Gerichtsvollzieher können durch Gesetz, die die staatliche Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben sicherzustellen hat, auf Personen, die nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes im Sinne von Art. 33 Abs. 4 sind, übertragen werden. Artikel 92 bleibt unberührt.

Obwohl die Grundgesetzänderung bis heute nicht mit der verfassungsändernden Mehrheit von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde, ist die neue GVO in allen Bundesländern bereits mit dem 01.08.2012 in Kraft getreten.

Es werden demzufolge Fakten geschaffen, die eine Grundgesetzänderung auf verfassungswidrigem Wege erzwingen sollen. Verfassungsrechtlich zulässig ist nur ein einfaches Gesetz wie die GVO, wenn dafür auch die grundgesetzliche Ermächtigungsgrundlage bereits zur Verfügung steht, so ist es in den Protokollen des Parlamentarischen Rates noch heute nachzulesen.“
Die Annahme:
§ 1 GVO ist aufgehoben worden, dies bedeutet, dass Gerichtsvollzieher nicht mehr Beamte i.S.d. Beamtenrechts sind und somit nur noch als Privatpersonen und selbstständige Unternehmer handeln können.

Das wiederum hat zur Folge, dass keine Gerichtsvollzieher/in rechtlich mehr dazu in der Lage ist, noch irgendwelche Vollstreckungshandlungen vornehmen zu können und dürfen.
Zum Bereich der Vollstreckung gehört bzw. gehörte insbesondere die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Privatpersonen und/oder selbständige Unternehmer sind jedoch nicht dazu befugt, direkte Vollstreckungshandlungen vorzunehmen, insbesondere sind sie nicht dazu befugt, eidesstattliche Versicherungen abzunehmen.

Mit anderen Worten ist kein Mensch in Deutschland mehr dazu verpflichtet, gegenüber Gerichtsvollzieher/innen die "eidesstattliche Versicherung" abzugeben bzw. sich von diesem Personenkreis die eidesstattliche Versicherung abnehmen zu lassen.

Das Gesetz zur Umwandlung des Offenbarungseides in die "Eidesstattliche Versicherung" mit Art. 53 des 1. Bundesbereinigungsgesetzes im Zuständigkeitsbereich des Bundesjustizministeriums aus dem Jahr 2006 wurde gestrichen.

Danach stellt sich die Frage, ob die Aufforderung zur Abgabe einer "Eidesstattlichen Versicherung" überhaupt noch zulässig ist. Wenn zu keinem Zeitpunkt der Offenbarungseid rechtlich in eine "Eidesstattliche Versicherung" umgewandelt worden ist, so besteht wenn überhaupt nur die Pflicht, einen Offenbarungseid abzugeben, abgesehen davon, dass eine "Eidesstattliche Versicherung" und auch ein "Offenbarungseid" nicht mehr von Gerichtsvollziehern abgenommen werden kann.

Man kann nicht nur Widerspruch gegen die Abnahme der "Eidesstattlichen Versicherung" und "Erinnerung" gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung einlegen. Man hat im Allgemeinen das Recht, eine derartige Erklärung nicht abgeben zu müssen. Hierzu kann man sich auf Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz berufen und zivilen Ungehorsam leisten.

Im Falle der Durchsetzung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen würde sich der Gerichtsvollzieher nachfolgender Straftaten schuldig machen:

Amtsanmaßung § 132 StGB:
sachliche Zuständigkeit von Vollstreckungsbeamten wurde aufgehoben – siehe §1, § 24 GVO vom 01.08.2012
Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen § 132a StGB:
wenn ein Finanzbeamter(in) kein Beamter mehr ist (§1 GVO), so ist er auch keine Amtsperson, welche zu hoheitlichem Handeln befugt ist – siehe § 11 StGB
Täuschung im Rechtsverkehr § 270 StGB:
Vorlage von falschen Dokumenten
Urkundenfälschung § 267 StGB:
Gebrauch von gefälschten Urkunden, der Versuch ist strafbar

Mittelbare Falschbeurkundung § 271StGB:
Verwendung von Entwürfen bzw. Abschriften mit Deklaration als Urkunde
Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen §276 StGB:
Vorlage von Dienstausweis mit Deklaration als Amtsausweis, dadurch Täuschung im Rechtsverkehr
Nötigung nach § 240 und § 241 Abs.2 StGB:
die Anmaßung als Amtsperson mit Drohung und Nötigung zur Erschleichung von Leistungen ist strafbar
Betrug § 263 StGB:
Verschaffung von Vermögensvorteil durch Vortäuschung falscher Tatsachen ist strafbar
Hochverrat gegen den Bund oder ein Land §81,82 StGB:
wer es unternimmt, die verfassungsgemäße Ordnung zu ändern, begeht Hochverrat

Weitere schwere Vorwürfe, die sich aus der Tatsache, dass die Täter rechtlich grundgeschult sind, ergeben:
– vorsätzlicher Betrug
– vorsätzliche Täuschung
– vorsätzliche Amtsanmaßung
– vorsätzliche Urkundenfälschung § 267 StGB
– vorsätzliche Anleitung Straftaten § 130a i.V. §126 Abs.4 Satz 1 StGB

– Anleitung zur vorsätzliche Begünstigung § 257 Abs.1 StGB
– vorsätzliche Untergrabung der freiheitlich demokratischen Grundordnung §81 und §82 StGB

Daraus ist eine den Täter(in)n vorsätzliche Rechtsbeugung nach § 339 StGB in Betracht zu ziehen.
Was ist von dieser Annahme zu halten?
Person X würde sich über Erläuterungen oder Informationen von Juristen freuen – möglichst in einer für den juristischen Laien verständlichen Sprache.
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Tibor
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Re: Rundfunkanstalten und Beitragsservice

Beitrag von Tibor »

Hier keine Rechtsberatung. Geschlossen.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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