Klausurfrage

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

Klausurfrage

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

In einer Klausur vor kurzem (keine Angst, es ist keine Hausarbeiten-Zeit ;)) hat sich mir folgende Frage gestellt:

1. Antrag auf begünstigenden VA
2. Ablehnung
3. "Neuer Antrag" (meine Wortwahl), bei dem die Begünstigung mit Auflagen versehen wäre (Bsp.: Baugenehmigung), nach dem Motto "ich könnte auch X machen, wenn ihr dann zufrieden seid".

--> Meine Frage: ist der "neue Antrag" als eben genau das einzuordnen oder als Widerspruch hinsichtlich der ersten Ablehnung einzuordnen (habe ich bei der Statthaftigkeit einer VK geprüft)?

Bzw. ist das ein "Problem"/eine Frage der Auslegung oder gibt es dazu eine ganz simple, logische Antwort, die ich mangels ÖR-Kenntnisse einfach nicht kenne?

In der Klausur war es so, dass das Widerspruchsverfahren i.E. entbehrlich war, sodass der erste Antrag nicht den Vorteil mit sich brachte, dass dann das Widerspruchsverfahren nicht erneut durchlaufen werden müsste. Daher habe ich argumentiert, dass es sich einfach um einen neuen, "schwächeren"/eingeschränkteren Antrag handelt: "ich will eine Baugenehmigung mit Auflagen". Denn ich ging davon aus, dass hierdurch die Chance des Obsiegens ohne Abstriche größer wäre.

Aber wie gesagt: vielleicht ist das auch einfach grottenfalsch, daher frage ich hier nach.
OJ1988
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Re: Klausurfrage

Beitrag von OJ1988 »

Wenn das Widerspruchsverfahren (aus anderen Gründen?) entbehrlich war, stellt sich diese Frage nur bei der Auslegung des Klageantrages. Soweit nicht noch andere Gesichtspunkte herangezogen werden können, die dafür sprechen, dass der Kläger von seinem ursprünglich beantragten VA restlos Abstand genommen hat, würde ich bei dem von dir geschilderten Sachverhalt schlicht von einem Haupt- (ursprünglich beantragter VA ohne Auflagen) und Hilfsantrag (VA mit Auflagen) ausgehen.
Gelöschter Nutzer

Re: Klausurfrage

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

OJ1988 hat geschrieben:Wenn das Widerspruchsverfahren (aus anderen Gründen?) entbehrlich war, stellt sich diese Frage nur bei der Auslegung des Klageantrages. Soweit nicht noch andere Gesichtspunkte herangezogen werden können, die dafür sprechen, dass der Kläger von seinem ursprünglich beantragten VA restlos Abstand genommen hat, würde ich bei dem von dir geschilderten Sachverhalt schlicht von einem Haupt- (ursprünglich beantragter VA ohne Auflagen) und Hilfsantrag (VA mit Auflagen) ausgehen.
Ja, das Widerspruchsverfahren war (bei mir) entbehrlich gem. § 75 VwGO.

Was Haupt- und Hilfsantrag angeht: klingt sinnvoll und viel Ahnung habe ich davon nicht, aber:

1. Braucht man wirklich einen Hilfsantrag, wenn das eine nur ein direktes "Minus" des anderen ist? Denn: selbst wenn man "nur" die Baugenehmigung insgesamt beantragen würde, müsste das Gericht doch (soweit ich weiß) ohnehin auch das "Weniger" einer Erteilung unter Auflagen prüfen, oder? Ich meine, das ist ja quasi "inzident" in dem Hauptantrag enthalten -- jedenfalls nach meinem Verständnis.

2. Vor allem aber: wenn man via Hauptantrag auch die auflagenlose Genehmigung beantragt, aber i.E. nur die auflagenbelastete erhält, dann ist es ja nur ein teilweises Obsiegen, von wegen Kosten usw (§ 155 VwGO?).

Natürlich könnte man meinen, dass das Risiko der teilweisen Niederlage deshalb in Kauf zu nehmen ist, weil auch die Auflagen Nachteile mit sich bringen. Aber jedenfalls in unserem Fall hat der Kläger gesagt, er könne "ohne Probleme" auch noch X und Y machen. Das hat für mich darauf hingedeutet, dass das geringere Risiko, den Prozess zu verlieren (wegen des beschränkteren Antrags) das potentielle Erlangen einer auflagenfreien Genehmigung überwiegen würde...
OJ1988
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Re: Klausurfrage

Beitrag von OJ1988 »

Ob der mit der "Auflage" versehene VA ein quantitatives Minus ist oder doch eher ein 'aliud', ist ja nicht ausgemacht. Diese Unterscheidung wird an anderer Stelle immer herangezogen, nämlich bei der Diskussion um die reformatio in peius. Dort geht es dann darum, eine Nebenbestimmung von einer Inhaltsbestimmung (=aliud) abzugrenzen.

Bei Haupt- und Hilfsantrag richtet sich der Gebührenstreitwert (an dessen Maßstab sich die Frage des vollen oder nur teilweisen Obsiegens entscheidet) nach dem höherwertigen Antrag, so dass man nicht zwangsläufig kostenrechtlich "verliert", wenn nur der Hilfsantrag durchdringt.

Dieses "ohne Probleme" könnte man ggf. als Indiz verstehen, dass jetzt nur noch der mit Auflagen versehene VA beantragt wird, ja.
Gelöschter Nutzer

Re: Klausurfrage

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

OJ1988 hat geschrieben:Ob der mit der "Auflage" versehene VA ein quantitatives Minus ist oder doch eher ein 'aliud', ist ja nicht ausgemacht. Diese Unterscheidung wird an anderer Stelle immer herangezogen, nämlich bei der Diskussion um die reformatio in peius. Dort geht es dann darum, eine Nebenbestimmung von einer Inhaltsbestimmung (=aliud) abzugrenzen.

Bei Haupt- und Hilfsantrag richtet sich der Gebührenstreitwert (an dessen Maßstab sich die Frage des vollen oder nur teilweisen Obsiegens entscheidet) nach dem höherwertigen Antrag, so dass man nicht zwangsläufig kostenrechtlich "verliert", wenn nur der Hilfsantrag durchdringt.

Dieses "ohne Probleme" könnte man ggf. als Indiz verstehen, dass jetzt nur noch der mit Auflagen versehene VA beantragt wird, ja.
Danke!
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Einwendungsduschgriff
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Re: Klausurfrage

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Was war denn die Fallfrage? Du hast ja nach Deiner obigen Einlassung eine Verpflichtungsklage geprüft. Was kam also nach dem Schritt Nr. 3 des ersten Postings?
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
Gelöschter Nutzer

Re: Klausurfrage

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Was war denn die Fallfrage? Du hast ja nach Deiner obigen Einlassung eine Verpflichtungsklage geprüft. Was kam also nach dem Schritt Nr. 3 des ersten Postings?
So ungefähr in Kurzform: "X möchte die Baugenehmigung, nachdem vier Monate nichts passiert ist erhebt er Klage beim VG. Erfolgsaussichten?"

Aus der Fallfrage lässt sich nicht klar entnehmen, "welche" Baugenehmigung (also die ursprüngliche oder die abgewandelte, wobei ich letzteres angenommen habe, s.o.) X möchte. Klar ist nur, er will die Baugenehmigung und klagt darauf vor dem VG, also VK.

(Zusatzinfo: er wollte hilfsweise auch nur eine Neubescheidung, was sich mMn aber primär darauf bezog, dass sein Vorhaben in dem betreffenden Gebiet nur ausnahmsweise zulässig war [BauNVO, § 31 I BauGB], d.h. die Behörde hatte Ermessen und bei Verneinung der Ermessensreduzierung auf Null wäre dann eben stattdessen ein Bescheidungsurteil anzunehmen)
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Einwendungsduschgriff
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Re: Klausurfrage

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

OJ1988 hat geschrieben:Wenn das Widerspruchsverfahren (aus anderen Gründen?) entbehrlich war, stellt sich diese Frage nur bei der Auslegung des Klageantrages. Soweit nicht noch andere Gesichtspunkte herangezogen werden können, die dafür sprechen, dass der Kläger von seinem ursprünglich beantragten VA restlos Abstand genommen hat, würde ich bei dem von dir geschilderten Sachverhalt schlicht von einem Haupt- (ursprünglich beantragter VA ohne Auflagen) und Hilfsantrag (VA mit Auflagen) ausgehen.
Wäre dann der Hauptantrag nicht unzulässig mangels Durchführung eines Widerspruchsverfahrens? Meines Erachtens kommt es darauf an, welchen Befreiungsumfang man § 75 Satz 1 VwGO zugesteht. Anders gefragt: führt die behördliche Untätigkeit (unterstellt, es handelt sich um eine unangemessene Verzögerung) hinsichtlich der Bescheidung des zweiten Antrags (unterstellt, man legt ihn als solchen aus) auch für den ersten Antrag - der ja beschieden wurde! - oder sind das nicht vielmehr zwei Paar Schuhe? Ich würde § 75 VwGO so lesen, dass er den Erlass eines konkreten Verwaltungsaktes meint und sich nicht (weiter) auf ein sachlich zusammenhängendes Verwaltungsverfahren.

Man kann in diesem Sachverhalt auch mE noch zwei andere Zulässigkeitsprobleme sehen:

1. Fehlt es einer Klage auf Erlass der auflagenfreien Baugenehmigung nicht auch am Rechtsschutzinteresse? Bei einer Verpflichtungssituation kann das Rechtsschutzinteresse nicht weiter gehen als das verwaltungsverfahrensrechtliche Bescheidungsinteresse. Macht der Antragsteller durch seinen neuen Antrag und durch den Verzicht auf das Widerspruchsverfahren (unterstellt, man legt seine Begehr so aus) nicht deutlich, dass er am ursprünglichen beantragten Verwaltungsakt kein Interesse mehr hat und dieses Begehren nicht mehr weiterverfolgen will?

2. Die Fristproblematik bei § 75 VwGO (eher fernliegend): Verständnis beim Prüfling soll dahingehend abgeprüft werden, ob die "angemessene Frist" in § 75 Satz 1 VwGO eine eigenständige Bedeutung hat. Nach dem Wortlaut hat sie das; die Rechtsprechung hat jedoch § 75 Satz 2 VwGO nicht nur als "Bagatellgrenze", sondern als Regelfallfrist verstanden. Würde man das nicht tun, könnte man hier überlegen, ob die vier Monate nicht doch noch okay sind. Da bräuchte man aber nähere Angaben (z. B. Komplexität des Genehmigungsvorhabens). Verbunden mit der Frage nach der Bedeutung der zwei Anträge würde sich dann wieder hier die Frage stellen, ob diese getrennt oder zusammen zu betrachten sind.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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