Armenien Resolution?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Tobias__21
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Armenien Resolution?

Beitrag von Tobias__21 »

Hallo,

kann mir jemand erklären, warum der BT zu der Frage ob es sich um "Völkermord" gehandelt hat einen Beschluss fasst? Geht es da nicht eher um völkerrechtliche Fragen, die ggf. von einem (internationalen) Gericht zu klären sind? Was hat diese Resolution für Auswirkungen und wo kommt überhaupt die Kompetenz des BT her darüber zu entscheiden ob man die Geschehnisse als Völkermord behandelt, oder eben nicht? So ganz versteh ich die Auswirkungen dieses Beschlusses nicht. Was bringt es denn, wenn der BT (also Deutschland) feststellt: "Ja, das war ein Völkermord"
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Tibor
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Re: Armenien Resolution?

Beitrag von Tibor »

Einfach ein selbständiger Antrag iSd GOBT. Keinerlei Rechtswirkung, auch nicht die Aufforderungen an die BReg.
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Tobias__21
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Re: Armenien Resolution?

Beitrag von Tobias__21 »

Also wurde das einfach auf die Tagesordnung gesetzt und darüber abgestimmt? Besteht denn da überhaupt eine Organkompetenz des BT, diese Frage zu entscheiden. Wenn dieser Beschluss unverbindlich ist, wird es ja alleine um die Frage gehen, wie der BT die Geschehnisse für sich behandelt haben wissen will. Trotzdem hat das ganze ja außenpolitische / völkerrechtliche Auswirkungen. So ganz verstehe ich den Sinn dahinter nicht. Was bringt es denn dem BT, wenn man jetzt für sich entscheidet, dass es ein Völkermord war? Hängt es vielleicht damit zusammen, dass sich Deutschland an den Geschehnissen eine Art Mitschuld gibt, da man von den Vorgängen wusste und nichts unternommen hat und so auch das außenpolitische Ansehen Deutschlands betroffen ist?
Zuletzt geändert von Tobias__21 am Donnerstag 2. Juni 2016, 13:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Honigkuchenpferd
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Re: Armenien Resolution?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Tobias__21 hat geschrieben:Hallo,

kann mir jemand erklären, warum der BT zu der Frage ob es sich um "Völkermord" gehandelt hat einen Beschluss fasst? Geht es da nicht eher um völkerrechtliche Fragen, die ggf. von einem (internationalen) Gericht zu klären sind? Was hat diese Resolution für Auswirkungen und wo kommt überhaupt die Kompetenz des BT her darüber zu entscheiden ob man die Geschehnisse als Völkermord behandelt, oder eben nicht? So ganz versteh ich die Auswirkungen dieses Beschlusses nicht. Was bringt es denn, wenn der BT (also Deutschland) feststellt: "Ja, das war ein Völkermord"
Rechtlich hat der Beschluss keine unmittelbaren Folgen, aber er ist eben politisch relevant. Insofern geht auch die Frage nach der "Kompetenz" ein wenig in die Irre. Der Bundestag ist das Repräsentationsorgan des Deutschen Volkes, das sich zu allen erdenklichen Fragen verhalten kann. Und der Bundestag bekennt sich damit eben - mit allen etwaigen politischen Konsequenzen - dazu, dass diese Geschehnisse als Genozid zu qualifizieren sind.

Die Vehemenz, mit der die Türkei solche Qualifikationen zu verhindern sucht, zeigen im Übrigen, dass derartige Beschlüsse im Hinblick auf die weltweite Wahrnehmung sehr wohl eine gewisse Rolle spielen.
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Re: Armenien Resolution?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Tobias__21 hat geschrieben:Trotzdem hat das ganze ja außenpolitische / völkerrechtliche Auswirkungen.
Das bedeutet aber nicht, dass der Bundestag sich eine Kompetenz anmaßen würde, die er nicht hat. Natürlich kann er zu derartigen Fragen eine Stellungnahme abgeben.
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[enigma]
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Re: Armenien Resolution?

Beitrag von [enigma] »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Hallo,

kann mir jemand erklären, warum der BT zu der Frage ob es sich um "Völkermord" gehandelt hat einen Beschluss fasst? Geht es da nicht eher um völkerrechtliche Fragen, die ggf. von einem (internationalen) Gericht zu klären sind? Was hat diese Resolution für Auswirkungen und wo kommt überhaupt die Kompetenz des BT her darüber zu entscheiden ob man die Geschehnisse als Völkermord behandelt, oder eben nicht? So ganz versteh ich die Auswirkungen dieses Beschlusses nicht. Was bringt es denn, wenn der BT (also Deutschland) feststellt: "Ja, das war ein Völkermord"
Rechtlich hat der Beschluss keine unmittelbaren Folgen, aber er ist eben politisch relevant. Insofern geht auch die Frage nach der "Kompetenz" ein wenig in die Irre. Der Bundestag ist das Repräsentationsorgan des Deutschen Volkes, das sich zu allen erdenklichen Fragen verhalten kann. Und der Bundestag bekennt sich damit eben - mit allen etwaigen politischen Konsequenzen - dazu, dass diese Geschehnisse als Genozid zu qualifizieren sind.

Die Vehemenz, mit der die Türkei solche Qualifikationen zu verhindern sucht, zeigen im Übrigen, dass derartige Beschlüsse im Hinblick auf die weltweite Wahrnehmung sehr wohl eine gewisse Rolle spielen.
Dafür spricht iÜ auch die Reaktion Armeniens. Der Beschluss hat natürlich ganz erhebliche politische Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen zu beiden Ländern. Eine "völkerrechtliche Frage, die von einem internationalen Gericht zu klären wäre", liegt hier aber nicht vor. Das wäre nur der Fall, wenn es zum Beispiel um irgendwelche Reparationszahlungen oder Sanktionen beziehungsweise militärische Mandate zur Verhinderung eines aktuelln Genozids ginge. Hier geht es aber offensichtlich nur darum, ein diplomatisches Zeichen zu setzen.
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Re: Armenien Resolution?

Beitrag von Tobias__21 »

Ich glaube ich werfe da gerade irgendwas durcheinander. Irgendwie war ich in meinem Kopf bei Ressortkompetenzen und dem "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung". Dieser Kernbereich exekutiver Eigenverantwortungen spielt doch aber nur bei Anfragen des BT an die Regierung eine Rolle, oder?

Es stört mich nach wie vor ein bisschen, dass der BT hier für sich festlegt dass die Türkei einen Genozid begangen habe. Allerdings scheine ich da der einzige zu sein, der das problematisch sieht, also wird der Fehler wohl bei mir liegen :) Auch die Sache mit Verbands- / Organkompetenz spielt doch eher bei den Untersuchungsausschüssen eine Rolle. Da gibt es ja die Frage, welche "Themen" untersucht werden können und ob auch ggf. rein private Sachverhalte Untersuchungsgegenstand sein können.

Kann der BT denn wirklich zu jeder Frage Stellung nehmen und das auf die Tagesordnung setzen? Wie wäre es wenn bspw. zwei Unternehmen im Verdacht stehen kartellrechtlich relevante Absprachen getroffen zu haben. Dürfte der BT, wenn auch nur für sich und ohne Verbindlichkeit, feststellen dass er der Meinung ist dass ein Verstoß gegen kartellrechtliche bzw. wettbewerbsrechtliche Normen vorliegt? Damit nimmt er doch gewissermaßen eine rechtliche Wertung vor. Vielleicht ist das Bsp. auch unglücklich gewählt, da es hier "nur" um einen Sachverhalt aus der privaten Wirtschaft geht. Im Fall der Armenien Resolution geht es ja auch um rechtliche Wertung. Der Sachverhalt scheint hier wohl einigermaßen klar zu sein. Es könnten ja aber auch diffizilere Fragestellungen im Raum stehen, die nicht so einfach zu werten sind. Kann der BT dann einfach hingehen und feststellen: "Ja, das ist so" ? Irgendwo muss es doch eine Grenze geben, zu welchen Fragen der BT Stellung nehmen kann, und zu welchen nicht.

Wahrscheinlich offenbare ich hier gerade auch ein mangelndes Verständnis, aber die erste Frage die mir den Kopf kam war: "Warum kann der BT hierüber abstimmen"? :D
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thh
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Re: Armenien Resolution?

Beitrag von thh »

Tobias__21 hat geschrieben:Im Fall der Armenien Resolution geht es ja auch um rechtliche Wertung. Der Sachverhalt scheint hier wohl einigermaßen klar zu sein. Es könnten ja aber auch diffizilere Fragestellungen im Raum stehen, die nicht so einfach zu werten sind. Kann der BT dann einfach hingehen und feststellen: "Ja, das ist so" ?
Gerade das Völkerrecht ist ja nun - neben der wichtigen Rolle des Gewohnheitsrechts - historisch, aber auch aktuell ganz erheblich dadurch geprägt, dass "die Völker" eine bestimmte Auffassung vertreten und so Recht schaffen, nicht aber durch gerichtliche Entscheidungen, es sei denn, alle beteiligten Staaten haben sich freiwillig einer Gerichtsbarkeit unterworfen (und erkennen das Urteil dann auch im Einzelfall an).. Fragen nach der Existenz von Staaten, die sich aus anderen Staaten abgespalten haben, entscheidet ja nun kein Gericht, sondern schlicht die (überwiegende) Auffassung der anderen Staaten zu dieser Frage - mit der Möglichkeit unterschiedlicher Antworten.

Warum soll der Bundestag also - gerade im Völkerrecht - nicht solche Beschlüsse fassen können?
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