Aufbau Begründetheit Verpflichtungsklage?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

Aufbau Begründetheit Verpflichtungsklage?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Während eine Anfechtungsklage in der Begründetheit grds. leicht aufzubauen ist, stellt sich bei der Verpflichtungsklage mir immer wieder die Frage:

"Rechtswidrigkeitsaufbau" oder "Anspruchsaufbau"? Also z.B.:

Die Klage ist begründet, wenn die Ablehnung des Antrags rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt:

I. EGL
II. formelle RM
III. materielle RM
IV. Rechtsverletzung des Klägers

oder

Die Klage ist begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch besteht:

I. Anspruchsgrundlage
II. Vss.

bzw. II. formelle Vss. III. materielle Vss.

Als grobe Richtlinie sagt man ja immer sowas wie: "wenn es kein Ermessen gibt (Bsp.: § 58 LBO), lieber Anspruchsaufbau", i.Ü. aber den anderen Aufbau. Und natürlich ist es so, dass "theoretisch" beide Aufbauarten inhaltlich gleichwertig sind. Dennoch gibt es meines Erachtens ein paar Unterschiede und ich würde mich über ein paar detaillierte Ausführungen/Tipps von "ÖR-Experten" als Hilfestellung freuen. Hier ein paar Beispiele von Problemen/Unterschiede, die sich stellen:

1. Rechtsverletzung des Klägers -- im ersten Aufbau wird sie ausdrücklich geprüft, im Anspruchsaufbau dagegen implizit durch die Prüfung als Anspruch (sofern dieser besteht) vorausgesetzt, oder?

2. Zuständige Behörde usw. -- das kann ich doch "eigentlich" so richtig nur beim "Rechtswidrigkeitsaufbau" prüfen? Außer ich schreibe so etwas wie, "Der Anspruch setzt einen ordnungsgemäßen Antrag bei der zuständigen Behörde voraus" und prüfe das dort inzident?

3. Bisherige Fehler der Behörde (z.B. Fehler des Verfahrens oder Ermessensfehler) -- die kann ich doch beim Anspruchsaufbau nicht berücksichtigen, oder? Denn für den jetzigen Anspruch sind bisherige Fehler ja irrelevant. (vor allem dieser Punkt bereitet mir Kopfzerbrechen, da er sich ja auch in Fällen des § 58 LBO stellen kann. Dann "ausnahmsweise" auch dort keinen Anspruchsaufbau?)

4. Selbst bei einer "klassischen" Baugenehmigungsprüfung ist mir das Problem unterlaufen, dass ich zu § 31 BauGB kam, sodass es eben doch wieder auf ein Ermessen ankam und der "Anspruchsaufbau" dementsprechend etwas fehl ging.


Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand insofern "Licht ins Dunkel" bringen könnte und vielleicht ein paar Tipps dafür hätte, wie man sich in der Klausur am besten entscheiden sollte. Immer den einen oder den anderen Aufbau? Spielen die o.g. (1.-4.) Punkte dabei eine Rolle?
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Vortex
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Re: Aufbau Begründetheit Verpflichtungsklage?

Beitrag von Vortex »

Suchender_ hat geschrieben:3. Bisherige Fehler der Behörde (z.B. Fehler des Verfahrens oder Ermessensfehler) -- die kann ich doch beim Anspruchsaufbau nicht berücksichtigen, oder? Denn für den jetzigen Anspruch sind bisherige Fehler ja irrelevant. (vor allem dieser Punkt bereitet mir Kopfzerbrechen, da er sich ja auch in Fällen des § 58 LBO stellen kann. Dann "ausnahmsweise" auch dort keinen Anspruchsaufbau?)
Ich höre ehrlich gesagt zum ersten mal, dass bei Ermessen der Anspruchsaufbau nicht geht. Ich hätte jedenfalls kein Problem damit nach der Anspruchsbejahung festzustellen, dass hier nur ein Bescheidungsurteil (§ 113 V 2 VwGO) in Betracht kommt und im Anschluss die vorherige Entscheidung der Behörde auf Ermessensfehler hin zu überprüfen (§ 114 VwGO).
Gelöschter Nutzer

Re: Aufbau Begründetheit Verpflichtungsklage?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Vortex hat geschrieben:
Suchender_ hat geschrieben:3. Bisherige Fehler der Behörde (z.B. Fehler des Verfahrens oder Ermessensfehler) -- die kann ich doch beim Anspruchsaufbau nicht berücksichtigen, oder? Denn für den jetzigen Anspruch sind bisherige Fehler ja irrelevant. (vor allem dieser Punkt bereitet mir Kopfzerbrechen, da er sich ja auch in Fällen des § 58 LBO stellen kann. Dann "ausnahmsweise" auch dort keinen Anspruchsaufbau?)
Ich höre ehrlich gesagt zum ersten mal, dass bei Ermessen der Anspruchsaufbau nicht geht. Ich hätte jedenfalls kein Problem damit nach der Anspruchsbejahung festzustellen, dass hier nur ein Bescheidungsurteil (§ 113 V 2 VwGO) in Betracht kommt und im Anschluss die vorherige Entscheidung der Behörde auf Ermessensfehler hin zu überprüfen (§ 114 VwGO).
Hier muss man zwei Dinge auseinander halten:

1. Natürlich *kann* man bei Ermessensentscheidungen auch den Anspruchsaufbau wählen.

2. Die Frage ist aber, ob man dann immer auch zu einer Prüfung vorheriger Ermessensfehler (oder auch Verfahrensfehler) kommt, denn:

Es ist ja denkbar, dass die Behörde ursprüngliche ermessens- oder verfahrensfehlerhaft gehandelt hat und unabhängig davon konkret eine Ermessensreduzierung auf Null in Frage kommt, sodass der Anspruch (auf den VA) ohnehin besteht und kein Bescheidungsurteil erforderlich ist.

Bsp.: Die Behörde erlässt ermessensfehlerhaft einen VA nicht. --> VK im Anspruchsaufbau (Begründetheit):

1. AGL

2. Vss.

a) Tatbestand der Norm (+)
b) RF: Ermessen -- Anspruch besteht nur bei Ermessensreduzierung auf Null

--> streng genommen sind bisherige Ermessensfehler hier irrelevant, weil die Frage nur ist, ob das Ermessen auf Null zu reduzieren ist
--> falls nein, kannst du natürlich dann ein Bescheidungsurteil als "Minus" ansprechen und hier dann bisherige Ermessensfehler ansprechen; falls aber das Ermessen auf Null zu reduzieren ist, besteht der Anspruch ohnehin, bisherige Fehler sind dann irrelevant
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Vortex
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Re: Aufbau Begründetheit Verpflichtungsklage?

Beitrag von Vortex »

Schon klar, aber was ist dann dein Problem? Dass du unbedingt die Ermessensfehler erwähnen willst, auch wenn es für den Anspruch irrelevant ist?
Gelöschter Nutzer

Re: Aufbau Begründetheit Verpflichtungsklage?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Vortex hat geschrieben:Schon klar, aber was ist dann dein Problem? Dass du unbedingt die Ermessensfehler erwähnen willst, auch wenn es für den Anspruch irrelevant ist?
Ich frage mich nur, ob das ein Grund wäre, in manchen Klausuren eben doch den anderen Aufbau zu wählen?

Oder ob man z.B. Ermessensfehler im Sachverhalt dann einfach als Indiz dafür nehmen sollte, dass sie gerade keine Ermessensreduzierung auf Null wollen und dann eben den Anspruch auf den VA verneint, damit man stattdessen zu einem Bescheidungsurteil kommen kann (und dort dann die bisherigen Ermessensfehler anspricht)?

Kurz gesagt: würden die "ÖR-Experten" tendenziell einfach immer den gleichen Aufbau für VKs wählen (eben z.B. den Anspruchsaufbau) oder bietet sich in manchen Fällen der andere Aufbau eher an? Falls letzteres zutrifft, welche Erwägungen sollte man bei der Entscheidung zwischen den Aufbauvarianten berücksichtigen? Gibt es hier irgendwelche zentralen Punkte, die beachtet werden sollten.

Falls ersteres (immer z.B. Anspruchsaufbau) gilt, wie kann man vermeiden, dass man sich Probleme abschneidet oder Punkte nicht ansprechen kann?
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Vortex
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Re: Aufbau Begründetheit Verpflichtungsklage?

Beitrag von Vortex »

Ich würde schon sagen, dass sich bei gebundenen Entscheidungen (zB. Erteilung Baugenehmigung) der Anspruchsaufbau anbietet. Andererseits habe ich jetzt auch gelesen, dass sich bei der Versagungsgegenklage der Rechtswidrigkeitsaufbau empfiehlt, das wäre dann aber bei einer Baugenehmigung ebenfalls oft genug der Fall. Ich würde das wie gesagt nicht so eng sehen, im Zweifel würde ich sagen Anspruchsaufbau. Aber vllt. kann sich ja noch einer der von dir geforderten Ö-Rechts-Experten äußern.
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Re: Aufbau Begründetheit Verpflichtungsklage?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

In der Literatur wird zwar teilweise tatsächlich empfohlen, für den Fall eines Bescheidungsurteils nach § 113 V 2 VwGO auf den "Rechtswidrigkeitsaufbau" zurückzugreifen. Inzwischen dürfte es aber der überwiegenden Meinung entsprechen, dass auch in diesem Fall der "Anspruchsaufbau" grundsätzlich vorzugswürdig ist.

Beim "Anspruchsaufbau" ist eine Voraussetzung ein Antrag an die zuständige Behörde, so dass dieses Erfordernis der formellen Rechtmäßigkeit eindeutig nicht untergeht.

Ansonsten stellt sich zwar in der Tat zunächst einmal die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Erlass des begehrten VA hat. Ist das nicht der Fall, weil Ermessen besteht (und eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vorliegt), hat der Kläger aber noch immer einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Soweit die Behörde Ermessensfehler gemacht hat, ist dieser Anspruch nicht erfüllt. Dann hat ein Bescheidungsurteil nach § 113 V 2 VwGO zu ergehen. Auf diese Weise kann man auch im "Anspruchsaufbau" Ermessensfehler ohne größere Schwierigkeiten prüfen.

Was die angesprochenen Verfahren- und Formmängel angeht, fallen sie beim "Anspruchsaufbau" als solche zwar tatsächlich unter den Tisch. Das mag in einer Klausur misslich sein, wenn die Aufgabenstellung erkennbar darauf hinaus will. Tatsächlich aber scheint mir das die Richtigkeit und Vorzugswürdigkeit des "Ansrpruchsaufbaus" im Übrigen eher zu belegen. Denn bloße Verfahrens- oder Formmängel führen eben nicht dazu, dass eine Verpflichtungsklage begründet ist.

Der "Rechtswidrigkeitsaufbau" lädt deshalb dazu ein, Überflüssiges zu prüfen und deshalb sogar zu einem unrichtigen Ergebnis zu gelangen. Wenn z.B. eine Baugenehmigung verfahrensfehlerhaft versagt worden ist, aber die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass schlicht nicht vorliegen, ist die erhobene Verpflichtungsklage trotz des Verfahrensfehlers nicht begründet.
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