Interpretation des Wortes "trotz"

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

Gelöschter Nutzer

Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

In der Schulordnung für die Berufsbildende Schule in RLP heißt es:

Das Schulverhältnis eines nicht schulbesuchspflichtigen Schülers kann auch beendet werden (...) durch schriftlichen Bescheid des Schulleiters, wenn der Schüler trotz zweifacher schriftlicher Mahnung und Androhung der Beendigung des Schulverhältnisses in Vollzeitbildungsgängen an mindestens zehn (...) Unterrichtstagen im Schuljahr den gesamten Unterricht (...) versäumt hat.

Wie ist das Wort "trotz" zu interpretieren?

1. Es müssen zwei Mahnungen erfolgen, dann die Androhung und danach 10 Fehltage um das Schulverhältnis zu beenden?

oder

2. Es müssen zwei Mahnungen erfolgen, dann die Androhung und in der Summe, also ab dem ersten Fehltag, 10 Fehltage erfolgen.

Hat jemand eine Idee dazu?

Gruß DerLappes
Sebast1an
Power User
Power User
Beiträge: 664
Registriert: Sonntag 5. August 2012, 19:37
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von Sebast1an »

Angesichts der gravierenden Folgen verstehe ich die Vorschrift so, dass nach der zweiten Mahnung (inkl. Androhung) weitere zehn Fehltage hinzukommen müssen. Rein praktisch gedacht könnten die Mahnungen bei einer Gesamtfehlzeit von lediglich zehn Tagen auch gar nicht ihren Zweck erfüllen: den Schüler zu einem pflichtgemäßen Verhalten zu bewegen.
Ich bin auch nur ein Mensch. Genauso wie ein Weißer Hai auch nur ein Fisch ist. (Zlatan Ibrahimović)
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16446
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von Tibor »

Ich würde 2. auch nachvollziehbar halten, also 5 Fehltage, dann erste Mahnung, dann 2 weitere Fehltage, dann zweite Mahnung mit Beendigungsandrohung und wenn dann nochmals mindestens 3 Fehltage kommen, kann der Bescheid raus. Man muss hier nur prüfen, ob die Schulleitung tatsächlich den Zugang beider Mahnungen nachweisen kann; bei Versand per Post wird der Schüler einfach den Zugang bestreiten können.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Sebast1an
Power User
Power User
Beiträge: 664
Registriert: Sonntag 5. August 2012, 19:37
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von Sebast1an »

Schüler A fehlt die erste Woche komplett unentschuldigt. Dies wird erst Mittwoch endgültigt festgestellt, da Dienstag noch rückwirkend eine Krankmeldung eintreffen könnte. Donnerstag geht Mahnung 1 des eiligen Schulleiters zur Post. Bis Schüler A Mahnung 1 zur Kenntnis nehmen kann, sind also schon fünf Tage voll. Drei Wochen später das gleiche Spiel. Mahnung 2 wäre nun eigentlich überflüssig, da mit Zustellung der Mahnung die zehn Tage voll sind und in der Woche danach der Ausschluss erfolgen kann (der evtl. auch noch weitere Folgen für das Ausbildungsverhältnis hat?).

Das ist wohl nicht im Sinne des Gesetzes und auch nicht verhältnismäßig.
Ich bin auch nur ein Mensch. Genauso wie ein Weißer Hai auch nur ein Fisch ist. (Zlatan Ibrahimović)
Honigkuchenpferd
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4770
Registriert: Freitag 9. August 2013, 12:32
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Sebast1an hat geschrieben:Angesichts der gravierenden Folgen verstehe ich die Vorschrift so, dass nach der zweiten Mahnung (inkl. Androhung) weitere zehn Fehltage hinzukommen müssen. Rein praktisch gedacht könnten die Mahnungen bei einer Gesamtfehlzeit von lediglich zehn Tagen auch gar nicht ihren Zweck erfüllen: den Schüler zu einem pflichtgemäßen Verhalten zu bewegen.
Dem würde ich nicht zustimmen. Da sich nur diese Angabe findet, würde ich davon ausgehen, dass insgesamt zehn Fehltage ausreichend sind. Das ist auch nicht überzogen. Zehn unentschuldigte Fehltage sind - zumal im Kombination mit zweifacher schriftlicher Mahnung und Androhung der Beendigung des Schuldverhältnisses - viel.

Würde man eine andere Deutung zugrunde legen, würde man schnell bei deutlich mehr Fehltagen landen. Es dauert ja auch eine gewisse Zeit, bis überhaupt Maßnahmen ergriffen werden.
Tibor hat geschrieben:Ich würde 2. auch nachvollziehbar halten, also 5 Fehltage, dann erste Mahnung, dann 2 weitere Fehltage, dann zweite Mahnung mit Beendigungsandrohung und wenn dann nochmals mindestens 3 Fehltage kommen, kann der Bescheid raus. Man muss hier nur prüfen, ob die Schulleitung tatsächlich den Zugang beider Mahnungen nachweisen kann; bei Versand per Post wird der Schüler einfach den Zugang bestreiten können.
Aus diesem Grund wird gewöhnlich verlangt, dass die Eltern schriftlich bestätigen, entsprechende Schreiben zur Kenntnis genommen zu haben.
"Honey, I forgot to duck."
Honigkuchenpferd
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4770
Registriert: Freitag 9. August 2013, 12:32
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Sebast1an hat geschrieben:Schüler A fehlt die erste Woche komplett unentschuldigt. Dies wird erst Mittwoch endgültigt festgestellt, da Dienstag noch rückwirkend eine Krankmeldung eintreffen könnte. Donnerstag geht Mahnung 1 des eiligen Schulleiters zur Post. Bis Schüler A Mahnung 1 zur Kenntnis nehmen kann, sind also schon fünf Tage voll. Drei Wochen später das gleiche Spiel. Mahnung 2 wäre nun eigentlich überflüssig, da mit Zustellung der Mahnung die zehn Tage voll sind und in der Woche danach der Ausschluss erfolgen kann (der evtl. auch noch weitere Folgen für das Ausbildungsverhältnis hat?).

Das ist wohl nicht im Sinne des Gesetzes und auch nicht verhältnismäßig.
Liegen keine zwei Mahnungen und eine Androhung vor, kann das Schulverhältnis aber eben nicht beendet werden. Darüber hinaus sieht die Norm ausdrücklich Ermessen vor, das es gestattet, ungewöhnlichen Fallgestaltungen Rechnung zu tragen. Deshalb ist die Verhältnismäßigkeit kein Problem.

Mir erscheint es im Gegenteil wenig plausibel, ohne dass sich dazu im Gesetz irgendwelche Maßstäbe finden lassen, weitere Fehltage zu verlangen.
"Honey, I forgot to duck."
Gelöschter Nutzer

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo,
DerLappes hat geschrieben:Das Schulverhältnis eines nicht schulbesuchspflichtigen Schülers kann auch beendet werden (...) durch schriftlichen Bescheid des Schulleiters, wenn der Schüler trotz zweifacher schriftlicher Mahnung (.....)
ich bin kein Jurist, stelle mir aber die Frage, ob der Verordnungsgeber sich etwas dabei gedacht hat, als er das Wort "trotz" verwendet hat und nicht etwa "nach". Oder ist es nicht sinnvoll zu fragen, ob er sich etwas gedacht hat?

DerLappes
markus87
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5042
Registriert: Freitag 6. August 2010, 23:30

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von markus87 »

In der Formulierung kommt die Dummheit und Unfähigkeit des Verordnungsgebers zum Ausdruck. Mehr lässt sich da leider nicht reininterpretieren.
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16446
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von Tibor »

Rheinland-Pfalz, oder?

http://landesrecht.rlp.de/jportal/porta ... hulORPpP18
Beendigung des Schulverhältnisses

§ 18
(1) Das Schulverhältnis endet mit dem Abschluss der Schullaufbahn, dem Abgang oder Ausschluss von der Schule.

(2) Das Schulverhältnis eines nicht schulbesuchspflichtigen Schülers kann auch beendet werden

1.
durch schriftliche Abmeldung,

2.
durch schriftlichen Bescheid des Schulleiters, wenn der Schüler trotz zweifacher schriftlicher Mahnung und Androhung der Beendigung des Schulverhältnisses in Vollzeitbildungsgängen an mindestens zehn, in Teilzeitbildungsgängen an mindestens fünf Unterrichtstagen im Schuljahr den gesamten Unterricht oder einzelne Unterrichtsstunden, jedoch bei Vollzeitbildungsgängen mindestens 20 Unterrichtsstunden und bei Teilzeitbildungsgängen mindestens zehn Unterrichtsstunden, ohne ausreichende Entschuldigung versäumt hat.

(3) Über die Beendigung des Schulverhältnisses eines nicht schulbesuchspflichtigen Schülers ist der Ausbildende zu benachrichtigen.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Gelöschter Nutzer

Re: Interpretation des Wortes

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Tibor hat geschrieben:Rheinland-Pfalz, oder?
ja, genau so steht es in meinem Anfangsbeitrag (RLP).

Der Lappes
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16446
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von Tibor »

Ich bleib dabei, die 10 Tage müssen insgesamt und nicht nach der 2. Mahnung voll sein. Das ergibt sich mE aus dem Sinn und Zweck der Regelung: Ein nicht schulpflichtiger Berufsschüler wird erfasst, wenn er insgesamt 10 Tage unentschuldigt fehlt. Das Verständnis passt auch zum Wortlaut "trotz Mahnung", wenn natürlich die erste Mahnung zugeht, bevor der 10. Tag voll ist. Geht die Mahnung aber bspw am 9. (unentschuldigter!) Fehltag zu, dann passt auch "trotz", weil es auf vorsätzliches Fehlen hinweist, eben nochmals fernzubleiben, obwohl 2x gemahnt wurde und auf die Folgen hingewiesen wurde.

Folge dieses "vorsätzlichen" Verhaltens ist dann, dass der Direktor das Schulverhältnis beenden kann, er muss es ja nicht.

Er kann ja mehrfach Ermessen ausüben, bspw muss er ja nicht nach 9 Fehltagen schon die 2. Mahnung ausgeben. Möglich ist ja auch, hier nach anderen Kriterien vorzugehen. Er könnte bspw schlechte schulische Leistungen als Anlass für eine schnellere und gute Leistungen für "Auge zudrücken" spätere Mahnungen nehmen. Auch die Beendigung erfordert dann noch eine Ermessensausübung. Das alles spricht dagegen, dass nach der 1./2. Mahnung noch 10 Fehltage gesammelt werden müssen.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5289
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Interpretation des Wortes

Beitrag von thh »

Tibor hat geschrieben:Ich bleib dabei, die 10 Tage müssen insgesamt und nicht nach der 2. Mahnung voll sein.
So würde ich den Wortlaut der Norm verstehen - und auch vom Regelungsgehalt her erscheint das sinnvoll: 10 unentschuldigte Fehltage und zwei Mahnungen, verbunden mit der Androhung.
Deutsches Bundesrecht? https://www.buzer.de/ - tagesaktuell, samt Änderungsgesetzen und Synopsen
Gesetze mit Rechtsprechungsnachweisen und Querverweisen? https://dejure.org/ - pers. Merkliste u. Suchverlauf
julée
Fossil
Fossil
Beiträge: 13077
Registriert: Freitag 2. April 2004, 18:13
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von julée »

thh hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben:Ich bleib dabei, die 10 Tage müssen insgesamt und nicht nach der 2. Mahnung voll sein.
So würde ich den Wortlaut der Norm verstehen - und auch vom Regelungsgehalt her erscheint das sinnvoll: 10 unentschuldigte Fehltage und zwei Mahnungen, verbunden mit der Androhung.
+ 1

Zumal es ja nicht der Regelfall sein dürfte, dass ein Schüler einfach mal so gleich eine ganze Woche blau macht und dass dann gleich nochmal macht, obwohl ihm nach der ersten Woche bedeutet worden ist, dass er dafür ggf. fliegt. Der klassische Kandidat dürfte ja auch sonst eher durch eine erstaunlich instabile Gesundheit auffallen.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Syd26
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 3576
Registriert: Montag 8. März 2004, 14:07
Ausbildungslevel: RA

Re: Interpretation des Wortes

Beitrag von Syd26 »

thh hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben:Ich bleib dabei, die 10 Tage müssen insgesamt und nicht nach der 2. Mahnung voll sein.
So würde ich den Wortlaut der Norm verstehen - und auch vom Regelungsgehalt her erscheint das sinnvoll: 10 unentschuldigte Fehltage und zwei Mahnungen, verbunden mit der Androhung.
Ich verstehe sie auch so.
"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
markus87
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5042
Registriert: Freitag 6. August 2010, 23:30

Re: Interpretation des Wortes "trotz"

Beitrag von markus87 »

Euer Verständnis in allen Ehren; aber wir reden hier von einer Ermächtigungsgrundlage für hoheitliches Handeln und nicht von einer Norm aus dem Reisevertragsrecht. Da sollten wir uns vielleicht auf einen etwas anderen Prüfungsmaßstab verständigen.
Gesperrt