Entscheidungsgründe VG-Urteil

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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trodats
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Entscheidungsgründe VG-Urteil

Beitrag von trodats »

Hallo,

ich habe eine kleine Frage zum Aufbau der Entscheidungsgründe eines verwaltungsgerichtlichen Urteils.

Angenommen, eine Anfechtungsklage ist begründet, da die Behörde ermessensfehlerhaft i.S.d. § 114 VwGO gehandelt hat.
"Springe" ich dann nach dem Ergebnissatz ("Die Klage ist begründet") direkt auf die Ermessensebene und lege den Ermessensfehler dar, welcher den Erfolg der Klage begründet (ähnlich wie im Zivilrecht, wenn es etwa bei einem Anspruch aus § 823 I BGB am Verschulden fehlt; auch dort müssen ja dann keine Ausführungen z.B. zur Rechtsgutsverletzung oder Kausalität erfolgen)?
Oder müssen zuvor - und damit anders als im Zivilrecht - noch Ausführungen zur Rechtsgrundlage, zur formellen Rechtmäßigkeit des VA und zu den Tatbestandsvoraussetzungen erfolgen?

Habe in den üblichen Anleitungsbüchern leider keine eindeutige Antwort auf diese Frage gefunden.

Besten Dank schonmal.
Träumer
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Re: Entscheidungsgründe VG-Urteil

Beitrag von Träumer »

Grundsätzlich würde ich nur zum Ermessen was schreiben. Ausnahme aber bspw. dann, wenn sich die Beteiligten über ein anderes Merkmal streiten. Wenn der Sachverhalt ansonsten unstreitig ist und sich die Beteiligten auch sonst nur über das Ermessen streiten, nur das Ermessen darlegen.
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law and order
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Re: Entscheidungsgründe VG-Urteil

Beitrag von law and order »

Jedenfalls in der Klausur würde ich mich doch etwas über den Tatbestand zum Ermessen "vorarbeiten". Nicht, dass man wertvolle Punkte hinterher verliert. Ansonsten müsste doch in dem einschlägigen Skript von Kaiser etwas dazu stehen.
trodats
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Re: Entscheidungsgründe VG-Urteil

Beitrag von trodats »

Besten Dank. Im Prinzip also genauso wie im zivilrechtlichen Urteil.

Im einschlägigen Kaiserskript habe ich dazu leider keinerlei Ausführungen gefunden.
julée
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Re: Entscheidungsgründe VG-Urteil

Beitrag von julée »

Eine "Zwar... aber..."-Konstruktion bietet sich m. E. gerade im Verwaltungsrecht an. Ausführungen zum Ermessen ohne eine Andeutung, dass die gewählte Anspruchsgrundlage durchaus richtig war, dürften eher schwierig sein. Zumal das Risiko besteht, dass die Ermessensentscheidung in der Musterlösung "total eindeutig" anders ausfällt.
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trodats
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Re: Entscheidungsgründe VG-Urteil

Beitrag von trodats »

julée hat geschrieben:Eine "Zwar... aber..."-Konstruktion bietet sich m. E. gerade im Verwaltungsrecht an. Ausführungen zum Ermessen ohne eine Andeutung, dass die gewählte Anspruchsgrundlage durchaus richtig war, dürften eher schwierig sein. Zumal das Risiko besteht, dass die Ermessensentscheidung in der Musterlösung "total eindeutig" anders ausfällt.
Das ist in der Sache sicher richtig. Nur hört und liest man überall, dass "Zwar - aber" in jedem Fall zu vermeiden ist.
julée
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Re: Entscheidungsgründe VG-Urteil

Beitrag von julée »

Man sollte es stets in dem Bewusstsein verwenden, jetzt Dinge auszuführen, die eigentlich nicht entscheidungserheblich sind, aber manchmal kommt man nicht umhin. Und dann beschwert sich auch kein Korrektor, wenn der "Zwar"-Abschnitt über drei Seiten geht und dann erst zum "Aber" überschwenkt.
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Tante Dagobert
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Re: Entscheidungsgründe VG-Urteil

Beitrag von Tante Dagobert »

Mein damaliger - als Prüfer im zweiten Examen tätig seiender - AG-Leiter meinte vor diesem Hintergrund, im Examen sei es fast immer so, dass bei der Anfechtungsklage die Klage unbegr. und bei der Verpflichtungskl. die Kl. Begr. sei. So werde die Problematik vermieden.

Bei den von mir geschriebenen Klausuren bestätigte sich dies.

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julée
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Re: Entscheidungsgründe VG-Urteil

Beitrag von julée »

In der Tendenz sicherlich eine sinnvolle Konzeption, aber das ändert ja nichts daran, dass man es auch mal anders sehen kann oder die Klausur tatsächlich mal anders konzipiert sein kann und dann sollte man auch alle Probleme erörtert bekommen. Und ich hatte z. B. im Examen eine Anfechtungsklage gegen zwei Verfügungen - der erste Teil war klar unbegründet, beim zweiten Teil war die Behörde mit ihrer Verfügung m. E. doch etwas sehr übers Ziel hinausgeschossen. Also lautete da meine Lösung "An sich darf sie verbieten (Normauslegung über mehrere Seiten, ein Klausurschwerpunkt), aber nur tlw., nicht komplett."
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