Aufbau der Begründetheit des Organstreitverfahrens

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Lisa-92
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Aufbau der Begründetheit des Organstreitverfahrens

Beitrag von Lisa-92 »

Liebe Mitglieder, :waving:

leider muss ich hier nun erneut eine Anfängerfrage stellen, hoffe aber mir reißt niemand dafür den Kopf ab. I.wie habe ich ein Verständnissproblem was die Begründetheit des Organstreitverfahrens angeht. Dort heißt es ja eigentlich "Der Antrag ist begründet, wenn die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners gegen eine Bestimmung des GG verstößt und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt wird, § 67 BVerfGG.
"
Der Aufbau der Begründetheit ist mir heir jedoch nicht ganz klar.

Beispielfall 1: Partei X fühlt sich durch Änderung des Bundeswahlgesetzes (5% Klausel) in Ihren Rechten Verletzt und wendet sich an das Bundesverfassungsgericht mit dem Antrag, das Handeln des Bundestages für
verfassungswidrig zu erklären (Chancengleichheit / Wahlrechtsgleichheit).

Fall 2: Abgeordneter A fühlt sich durch die nichtbeantwortung seiner Fragen an den Minister als Vertretung der Bundesregierung in seinen Rechten verletzt und erhebt Klage vor dem BVerfG.

Die Sache ist nun, dass im ersten Fall bei der Begründetheit die formelle und daraufhin die materielle Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Norm geprüft werden und anschließend innerhalb der mat. Verfassungsmäßigkeit auch die Rechtfertigung der Gesetzesänderung.

Beim zweiten Fall erfolgt jedoch lediglich eine Prüfung der Grundrechtsverletzungen entsprechend möglicher Anspruchsgrundlagen.

Kann mir vielleicht jemand erklären, warum in dem einen Fall die Verfassungsmäßigkeit und in dem anderen lediglich die Grundrechtsverletzungen geprüft werden? :? In Fall 2 könnte ich doch ebenfalls eine Rechtfertigung für das Handeln des Bundesregierung anführen? :hammer:
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Justitian
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Re: Aufbau der Begründetheit des Organstreitverfahrens

Beitrag von Justitian »

Grundrechte wurden wahrscheinlich nicht geprüft bzw. sofort wieder verworfen, in Fall 2 geht es um Art. 38 I 2 GG. Der Unterschied besteht darin dass in Fall 1 der Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte des Antragstellers durch ein positives Tun erfolgt. Diese Maßnahme muss er nur dulden, wenn sie nicht rechtswidrig ist. Allerdings würde ich hier die vollumfängliche Prüfung der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit mit einem Fragezeichen versehen. Die Elfes-Rechtsprechung ist nicht auf Statusrechte übertragbar, man muss vielmehr bei jedem Punkt einzeln prüfen, ob ein möglicher Verstoß gegen objektives Verfassungsrecht zugleich Art. 38 I 2 GG des AS verletzt. Das gilt insbesondere für die formelle Verfassungsmäßigkeit.

In Fall 2 liegt hingegen ein Unterlassen des Antragsgegners vor. Hier versteht es sich nicht von selbst, dass der Antragsteller auch in seinen Rechten verletzt ist, schließlich kann er keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle erwirken. Er muss daher dartun, dass er einen Anspruch auf die begehrte Maßnahme hat. Selbst wenn dieser Anspruch sich prinzipiell aus Art. 38 I 2 GG ergibt gilt wie immer, dass kein Recht grenzenlos gilt. Auch dieser Anspruch unterliegt gewissen Schranken, z.B. dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung und den Grundrechten Dritter. Insofern unterscheidet sich die Prüfung im Ergebnis nicht wesentlich von Fall 1.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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