NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

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Honigkuchenpferd
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Hast du das Urteil mit seinen 1010 Rn. denn schon gelesen, Pippen, insbesondere die Ausführungen zur EMRK?
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Pippen
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Pippen »

JS hat geschrieben:Eher nein.

Falls ja, wird das Verbot vor dem EGMR wahrscheinlich nicht halten.
Art. 11 EMRK bietet genügend Ausnahmen, die gut mit Art. 21 II GG harmonieren und soweit ich weiß gilt die EMRK ohnehin nur als Bundesrecht oder maximal via Art. 25 GG, wird also durch Art. 21 II GG verdrängt.
Honigkuchenpferd
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ja, "soweit" du weißt. Von Görgülü könnte man mal gehört haben.

Daneben wäre es ersichtlich unsinnig, beim EGMR ins offene Messer zu rennen.
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Muirne
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Muirne »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Ja, "soweit" du weißt. Von Görgülü könnte man mal gehört haben.
True.


Ich fang jetzt mal an die 1010 Rn zu lesen.
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Pippen »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Hast du das Urteil mit seinen 1010 Rn. denn schon gelesen, Pippen, insbesondere die Ausführungen zur EMRK?
Nein, nur meine gut-reaction nach Lesen der Zusammenfassung. Aber Falsches wird nicht dadurch richtig, dass man es ausbreitet. Hier wurde offensichtlich Art. 21 II GG gebeugt. Der Rest ist sehr wahrscheinlich nur das übliche verschleiernde und ablenkende Geschwätz. Einzig bei Art. 1 I GG / Art. 3 III GG, die beide offenbar nun rassistische Diskriminierungen betreffen, müßte man vorschtig sein, vllt. unterscheidet das Urteil verschiedene Formen von rass. Diskriminierung und nur eine davon fällt unter Art. 1 I GG oder man sychronisiert tatsächlich Art. 1 I GG und Art. 3 III GG etc.

Ich frage mich, ob die NPD das Urteil gut oder schlecht findet. Klar, man ist nicht verboten. Aber das Urteil mutet irgendwie so an, wie der Freispruch eines angeblichen Vergewaltigers, dem öffentlich Impotenz erwiesen wurde.
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Pippen »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Ja, "soweit" du weißt. Von Görgülü könnte man mal gehört haben.
Das brauche ich nicht. Ich rede hier von der sich durch die Verfassung ergebenden Normenrangordnung. Dagegen kann das BVerfG nicht urteilen bzw. nur unter Rechtsbeugung und dann folgt ohnehin quodlibet (und so ist es natürlich auch...Görgülü und wer weiß, ob nicht das BVerfG - wenn's hart auf hart kommt - eine Ausnahme von Görgülü macht, so dass de facto allles offen ist)
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Muirne
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Muirne »

Die NPD wird das sicher feiern.

Aufschlussreich:
Das Tatbestandsmerkmal „Darauf Ausgehen“ belege, dass politische Parteien, die die Abschaffung der Ordnung des Grundgesetzes anstrebten, allein wegen dieser politischen Orientierung nicht verboten werden dürften. Vielmehr verlange das Grundgesetz entsprechende nach außen tretende Handlungen. Bei der Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmals ergebe sich aber eine systematische Spannung: Da aktives Handeln bereits im Begriff der politischen Partei enthalten sei (§ 2 Abs. 1 PartG), müsse vom Handeln einer Antragsbetroffenen im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 GG mehr verlangt werden als die bloße Eigenschaft einer politischen Partei.
Im Ergebnis sei daher eine Auslegung des Art. 21 Abs. 2 GG geboten, die einen Mittelweg zwischen einem zu weiten und einem zu engen Verständnis des Tatbestands wähle. Für ein Verbot sei damit weniger zu verlangen als ein durchgehendes rechtswidriges oder gar strafbares und gewalttätiges Verhalten, aber mehr als das bloß typische Verhalten einer politischen Partei, die sich der üblichen Mittel politischer Kommunikation bediene.
(Rn. 34 ff. weiter dazu)

Das deutet nicht auf eine "Beugung" hin.
Außerdem ist eine Berücksichtigung der EGMR Rechtsprechung bei der Auslegung zusätzlich angezeigt.
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von joee78 »

http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 30347.html

Hahaha, hat mich ein Mandant letztens auch gefragt, als ich ihm den Klageabweisungsantrag der Gegenseite geschickt hab: "Was, das Gericht hat unsere Klage abgewiesen?" :alright
Sind Sie ein Mensch? Sowas Ähnliches, ich bin Anwalt.

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Muirne
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Muirne »

Hatte ich auch gesehen. Schon hart. Hauptsache Erster halt.
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Swann »

Muirne hat geschrieben:Hatte ich auch gesehen. Schon hart. Hauptsache Erster halt.
Und da ähneln der SpOn-Fauxpas und Pippens "gut-reaction" einander.
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Herr Schraeg »

Swann hat geschrieben:
Muirne hat geschrieben:Hatte ich auch gesehen. Schon hart. Hauptsache Erster halt.
Und da ähneln der SpOn-Fauxpas und Pippens "gut-reaction" einander.
Hmm, ich sehe da doch noch erhebliche Unterschiede: SPON hat den Fehler rasch erkannt und korrigiert. Der Fehler ist SPON peinlich und SPON hat sich dafür entschuldigt.
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Muirne hat geschrieben:Hatte ich auch gesehen. Schon hart. Hauptsache Erster halt.
Wer die Karlsruher Gepflogenheiten kennt, wird diese Entschuldigungsmeldung richtig einzuordnen haben. Oder ist der SPIEGEL etwa nicht mehr in der JPK?
(Mitglieder der JPK bekommen die PM in aller Regel am Abend vorab.)
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Pippen »

Muirne hat geschrieben:Die NPD wird das sicher feiern.

Aufschlussreich:
Das Tatbestandsmerkmal „Darauf Ausgehen“ belege, dass politische Parteien, die die Abschaffung der Ordnung des Grundgesetzes anstrebten, allein wegen dieser politischen Orientierung nicht verboten werden dürften. Vielmehr verlange das Grundgesetz entsprechende nach außen tretende Handlungen. Bei der Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmals ergebe sich aber eine systematische Spannung: Da aktives Handeln bereits im Begriff der politischen Partei enthalten sei (§ 2 Abs. 1 PartG), müsse vom Handeln einer Antragsbetroffenen im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 GG mehr verlangt werden als die bloße Eigenschaft einer politischen Partei.
Im Ergebnis sei daher eine Auslegung des Art. 21 Abs. 2 GG geboten, die einen Mittelweg zwischen einem zu weiten und einem zu engen Verständnis des Tatbestands wähle. Für ein Verbot sei damit weniger zu verlangen als ein durchgehendes rechtswidriges oder gar strafbares und gewalttätiges Verhalten, aber mehr als das bloß typische Verhalten einer politischen Partei, die sich der üblichen Mittel politischer Kommunikation bediene.
(Rn. 34 ff. weiter dazu)

Das deutet nicht auf eine "Beugung" hin.
Außerdem ist eine Berücksichtigung der EGMR Rechtsprechung bei der Auslegung zusätzlich angezeigt.
Das TBM des "darauf ausgehen" ist nichts anderes als eine Umschreibung für eine Absicht, also eine innere Einstellung. Das beweist der Passus "Parteien, die nach ihren Zielen...darauf ausgehen". Daran sieht man auch eindeutig, dass das GG nicht nach außen tretende Handlungen fordert. Lupenreine Rechtsbeugung, und dann das übliche Geschwätz, was wie Salz beim Gammelfleischdöner wirken soll. Ich werde das dem Andreas bei unserer nächsten Golfrunde mal stecken...Rechtsdehnung, nicht -beugung ist das Zauberwort der Staatsräson.

Und die EGMR-Auslegung kann keine Rolle spielen, weil die EMRK unter der Verfassung steht. Entweder der EGMR sagt das Gleiche, dann ist es überflüssig oder was Anderes, dann ist es unzulässig, alles andere wäre wieder: Rechtsbeugung. Freilich, in der wirren Dogmatik des BVerfG macht das wohl alles Sinn, erinnert an diverse Theologen im Mittelalter, die einfach den Plot verloren und ergebnisorientiert wild drauf los interpretierten.

Übrigens: Wenn ich die NPD wäre, dann würde ich nicht feiern. Durch das Urteil kann man nicht zum EGMR wg. fehlender Beschwer, oder? Man wird durch das BVerfG als "verfassungswidrig, wenn man nicht impotent wäre" hingestellt. Klärung und Rechtsfrieden sieht anders aus, weil das Gericht selbst die Rechtfertigung liefert, die NPD auch in Zukunft so klein wie möglich zu halten. Sehr fragwürdig.
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Tibor
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Tibor »

Ist es denn unstr das § 339 StGB auf RiBVerfG beim Verfahren nach Art 21 Abs 2 GG anwendbar ist? Sind die tauglichen Antragsteller des § 43 BVerfGG bzw. die zu verbietende Partei eine Partei iSv 339 StGB?
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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Re: NPD-Urteil, Meinungsumfrage

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Pippen hat geschrieben:Durch das Urteil kann man nicht zum EGMR wg. fehlender Beschwer, oder?
Unter sehr engen Voraussetzungen erkennt der EGMR an, dass sich eine Beschwer auch aus den bloßen Urteilsgründen ergeben kann (vgl. Cleve v. Germany*). Die Voraussetzungen, um einer Individualbeschwerde nach Art. 34 f. EMRK auch nur über die Schwelle der Zulässigkeit zu verhelfen, sind hier aber ziemlich evident nicht gegeben. Zudem hätte es auch wenig Sinn, sich vom EGMR nochmals die Verfassungs- bzw. Konventionswidrigkeit der eigenen Ziele bescheinigen zu lassen. Der EGMR vertritt nämlich im Ergebnis mit Blick auf die EMRK auch ziemlich genau das, was du hinsichtlich des Grundgesetzes für "Rechtsbeugung" hältst.

* https://dejure.org/dienste/vernetzung/r ... n=48144/09
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