Was ist Demokratie?

Staatsrecht, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Bau-, Kommunal-, Polizei- und Sicherheitsrecht, BImSchG etc.)

Moderator: Verwaltung

Benutzeravatar
JS
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2344
Registriert: Mittwoch 24. Dezember 2003, 18:20

Re: Was ist Demokratie?

Beitrag von JS »

Glen Rothes hat geschrieben:
JS hat geschrieben: Stimmt. Aber keine Sorge, das hat bald ein Ende. :)
Du machst mir Angst!
Demokratie und damit Wahlen machen dir Angst? Bist du Abgeordneter? :D
Es besteht doch keinerlei Verpflichtung, die jetzigen Parteien und Abgeordneten ständig wiederzuwählen.

Und dafür, dass das nicht passiert, setze ich mich ein. Ein ganz normaler Vorgang in der Demokratie, auch wenn das manchmal in Vergessenheit zu geraten scheint.
ghostwriter hat geschrieben:Das lässt sich aber auch nicht so einfach ändern. Warum auch, so lange der Laden halbwegs läuft und der Stammtisch noch genug zu trinken hat.
Doch, das lässt sich sehr leicht ändern.
Man muss nur parteifreie Enzelkandidaten in die Parlamente wählen, die nur dem Bürger verpflichtet sind, und nicht ihren Parteien.
So erreicht man eine Staatsführung, die sachorientiert arbeitet, ohne Grabenkämpfe und Scheingefechte. Es kann problemlos mit wechselnden Mehrheiten gearbeitet werden. Der Parteigeschlossenheit muss sich nicht geopfert werden.

Entscheidungen und Diskussionen finden nicht mehr in kleinen Parteizirkeln statt, sondern im Parlament und werden von da in die Öffentlichkeit getragen.

Außerdem entsteht so eine viel offenere Diskussion in der Bevölkerung untereinander und mit den Parlamentariern durch die bessere Einbindung der Abgeordneten in die Bevölerung und das größere Interesse derselben an den Wählern.

ghostwriter hat geschrieben:
ready_or_not hat geschrieben:Auf die Gefahr hin als "Antidemokrat" verschrien zu werden .... jeder der dem Volk mehr direkte Macht verleihen möchte sollte sich das Volk nochmals genau ansehen. Ich empfehle hierzu den Besuch in der örtlichen Trinkhallen oder das fortgesetze zu Gemüte führen der Privatsender am Nachmittag (alternativ das lesen der Postings von urub ;-) ). Danach nochmals überlegen, ob so komplizierte Sachen wie Stammzellenforschung, der Bundeshaushalt oder die Todesstrafe wirklich direkt in Volkeshand gehören ....
Hm, was du da sagst ist in meinen Augen tatsächlich ziemlich antidemokratisch und stellt vielleicht sogar die Demokratie als richtige Staatsform in Frage.
So ist es. Und deshalb ist diese Denkweise auch so gefährlich.
Wird damit doch den Bürgern die Fähigkeit zur Wahl abgesprochen.

Alle Diktaturen beanspruchen für sich, genau zu wissen, was das Volk braucht.

Die Entscheidung für die Demokratie ist eine ganz bewusste Entscheidung für ein System, bei dem ein Mensch eine Stimme hat. Ohne Prüfungen und Bedingungen. Nur dadurch kann erreicht werden, dass wirklich das gemacht wird, was das Volk will, und nicht das, was einige wenige wollen, die meinen zu wissen, was richtig ist.
Es muss in regelmäßigen Abständen die Legitimation von den Bürgern erneuert werden.

Auch die parlamentarische Demokratie ist ständig in der Gefahr der Loslösung von den Interessen der Bürger. Das rechtfertigt zwar erst ab einer gewissen Grenze die Bezeichnung als Diktatur, jedoch kann auch sie sich häufig diktatorisch aufführen. Wir brauchen deshalb nicht nur andere Politker, es ist auch die Korrektur durch direkt demokratische Elemente nötig.

Die Erfahrungen damit sind durchweg gut.

Denn tatsächlich steigt durch mehr Beteiligungs- und Einflussmöglichkeit natürlich auch das Interesse an politischen Entscheidungen.

Statt dessen tritt bei uns aktuell häufig Resignation ein. Die überall sinkende Wahlbeteiligung ist eine messbare Folge dieser Entwicklung.

Insbesondere in der bei uns bestehenden Parteienstruktur besteht das Problem, dass man sich vielfach gar nicht mehr darum kümmert, die eigene Politik den Bürgern zu vermitteln. Aber genau das ist für die Demokratie unerlässlich. Die Bürger müssen die Politik verstehen und der Überzeugung sein, dass sie in ihrem Interesse ist. Tun sie das nicht, sinkt die Demokratieakzeptanz. Insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Prof. Kirchhof hat auch völlig Recht, wenn er die Verschleierung durch eine komplizierte Sprache kritisiert. Diese Abgrenzung passiert vielfach ganz bewusst. Auch das schafft Distanz und muss verbessert werden.
Es wird eine automatische Folge der von mir beschriebenen Änderung der politischen Kultur sein.
"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden." - Konrad Adenauer
Benutzeravatar
dergrinch
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1183
Registriert: Mittwoch 18. August 2004, 14:22

Beitrag von dergrinch »

Nein, es stellt nicht die Demokratie in Frage.
Seine Ausführungen haben aber auch nichts mit dem Demokratiebegriff zu tun.

Sondern behandeln die Frage, wie sollte das Volk beteiligt werden.
Wohl nicht durch Volksentscheide. Da die Komplexität und der geforderte Konsens aller Materien, mit wenigen Ausnahmen, schlichtweg nicht durchschaut werden können.

Undemokratisch wäre diese Art der Beteiligung sagr, da dort nicht etwa fein ausgearbeitete Lösungen und Komprissse zustande kommen. Sondern ein Ja oder Nein. Ohne Möglichkeit der Einflussnahme. Oder erwägt hier jemand allen Ernstes eine Ausarbeitung durch das Volk?

Der möge sein Orgatalent zeigen.
Benutzeravatar
JS
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2344
Registriert: Mittwoch 24. Dezember 2003, 18:20

Beitrag von JS »

dergrinch hat geschrieben: Undemokratisch wäre diese Art der Beteiligung sagr, da dort nicht etwa fein ausgearbeitete Lösungen und Komprissse zustande kommen. Sondern ein Ja oder Nein. Ohne Möglichkeit der Einflussnahme.
Wieso denn nicht fein ausgearbeitet? Es ist schwierig, viele Leute für ein bestimmtes Thema zu mobilisieren.
Dementsprechend überzeugend muss ein Konzept sein, wenn es per direkter Demokratie durchgesetzt werden soll.

Und dass du findest, dass aktuell fein ausgearbeitete Lösungen zustande kommen und es hohe Möglichkeiten der Einflussnahme auf den politischen Prozess gibt, finde ich erstaunlich. Du solltest dir ghostwriters Darstellung noch mal durchlesen.

Natürlich ist es so, dass die Zahl der Initiatoren stets begrenzt sein wird.
Durch die modernen Medien, vor allem das Internet, ist aber auch hier die Beteiligung und Einflussnahme einer großen Zahl von Menschen möglich.

Man darf zudem nicht vergessen, dass es hohes Engagement erfordert, einen Volksgesetzgebungsprozess zu initiieren. Wenn die Bürger merken, dass sie Einfluss nehmen können, steigt das Interesse an solchen Initiativen und damit an der Politk.

Auf jeden Fall ist wie gesagt die Überzeugung einer großen Anzahl von Bürgern nötig. Diese sind, wie man sich vorstellen kann, schwer zu mobilisieren, und wenn denen etwas spanisch vorkommt, dann sagen sie nein.
Ein sinnvolles Element ist es, dann einen Gesetzentwurf des Parlaments dagegenzustellen. Das hat sich auch in Bayern bewährt.

Durch Volksinitiativen wird dem Parlament deutlich gemacht, dass an einer bestimmten Stelle Handlungsbedarf gesehen wird. Dieses kann darauf reagieren.
In der Schweiz hat sich etwa gezeigt, dass zumeist der Parlamentsentwurf Erfolg hatte.
Ohne Volksinitiative wäre aber gar nichts passiert.
Es ist also auch ein Element, dass nur durch seine Existenz die Politik Bürgernäher und aktiver macht, auch wenn die Volksgesetzgebung am Ende scheinbar gar nicht durchschlägt.

Es gibt nicht nur intelligente Leute, die Gesetze ausarbeiten können, in den Parlamenten und Regierungen. Vor allem sind Gesetzesinitiativen aus dem Volk heraus in ihrer Formulierung klarer als die von Parlamenten. Dies auch deshalb, weil sie es sein müssen, um sie vermitteln zu können. Entsprechende Mühe muss man sich als Initiator geben.

Noch einmal. Es gibt hinsichtlich dessen keine schlechten Erfahrungen.

Schlechte Erfahrungen gibt es nur im Hinblick auf die Parlamente, Regierungen und Verfassungsgerichte, die in ziemlich dümmlicher Weise, unter Missbrauch ihrer Macht, in den Ländern einiges plattgemacht haben.

Die durch Volksentscheid (!) von den Bürgern in Bayern eingeführten umfassenden Mitbestimmungsmöglichkeiten auf Kommunalebene sind eine Erfolgsgeschichte.

Und auch das wunderbare, vorbildliche, die Demokratie vertiefende Wahlrecht, in Hamburg, ist den Bürgern zu verdanken.

Das sind nur zwei Beispiele.

Man kann auch in die Schweiz schauen. Es ist die stabilste Demokratie der Welt. Unerschütterlich durch Mitbestimmung der Bürger.

Da kann man den Staat auch viel ernster nehmen, wenn man sich als Teil der Staatsmacht begreift, was man als Bürger ja gemäß Verfassung ist und sein muss.
Das muss ins Bewusstsein und auch faktisch deutlicher werden.

Nicht vergessen sollte man, dass in einem parlamentarischen System eine totalitäre Partei ganz schnell die Macht komplett übernehmen kann. Dies kann dann sehr leicht passieren, wenn viele Unzufrieden sind, und ein Gefühl der Machtlosigkeit entsteht.
Man sollte nicht vergessen, dass so auch die Nationalsozialisten an die Macht gekommen sind. Diese Gefahr besteht immer, auch bei uns. Da sollte man sich keine Illusionen machen.

Denn die Demokratie ist im Bewusstsein der Menschen eng mit wirtschaftlichem Aufschwung verknüpft.

Die Stabilität der Demokratie hängt deshalb bei uns aktuell entscheidend von der wirtschaftlichen Situation ab. Krisenfest ist unsere Demokratie in ihrer jetzigen praktischen Ausgestaltung nicht. Leider.
Demokratie muss aber Krisenfest sein.

Schon in der jetzigen Krisensituation, die zwar gravierend ist, aber es könnte noch wesentlich schlimmer werden, zeigt sich die Unfähigkeit der handelnden Personen und mithin des Parteiensystems.
Die Folge ist ein Vertrauensverlust auch gegenüber der Demokratie.

Wie gesagt. Dass Demokratie Volksherrschaft heisst, muss auch in der Praxis spürbar sein, um sie im Bewusstsein der Menschen als richtige Staatsform zu verankern.

Das ist der Grundgedanke, von dem sich die Politik leiten lassen muss, will sie die Demokratie nicht gefährden.
"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden." - Konrad Adenauer
Benutzeravatar
Olli
Moderator
Moderator
Beiträge: 13521
Registriert: Donnerstag 24. Februar 2005, 16:26
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Beitrag von Olli »

JS hat geschrieben: Das ist der Grundgedanke, von dem sich die Politik leiten lassen muss, will sie die Demokratie nicht gefährden.
Dein Grundgedanke ist mir viel zu lang. Kannst Du das nicht auch einfacher ausdrücken? :D
In Bayern ist prinzipiell alles schwerer als im Rest der Republik, auch das Kilo Mehl. (Ara, 24.01.2012)

Morgenmagazin: Wir geben ab zur Tagesschau nach Hamburg. Auch eine sehr schöne Stadt.
Jens Riewa: Die schönste. Guten Morgen meine Damen und Herren.
Benutzeravatar
JS
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2344
Registriert: Mittwoch 24. Dezember 2003, 18:20

Beitrag von JS »

cliffhanger hat geschrieben:
JS hat geschrieben: Das ist der Grundgedanke, von dem sich die Politik leiten lassen muss, will sie die Demokratie nicht gefährden.
Dein Grundgedanke ist mir viel zu lang. Kannst Du das nicht auch einfacher ausdrücken? :D
Fauler Sack. :D
Lang ist ungleich langweilig.

Lies einfach den Satz drüber. Darauf bezieht sich der Schlusssatz.


Lehrreich zu direkter Demokratie, insbesondere zum Abbau von Vorurteilen, u.A. betreffend der Weimarer Republik ist auch: Hartmut Maurer, Staatsrecht I, 4. Auflage 2005, § 7 Rnrn 37 ff.

Sowie diese wissenschaftliche Untersuchung (Verwaister Link http://direktdemokraten.org/files/ChancendirekterDemokratie.pdf automatisch entfernt).

Und hier noch was kürzeres, extra für Cliffhanger, das ich an anderer Stelle schon mal geschrieben habe:

Ein System, dem die direkt-demokratische Stabilisierung fehlt, ist bei großen Missständen für Demagogen sehr anfällig. Wenn sich die Politik als nicht handlungsfähig erweist, steigt die Verbitterung immer mehr. Extremistische Positionen werden gestärkt. Der Ruf nach einem "starken Mann" oder ähnliches ist schneller da, als einem lieb sein kann.

Gerade die Uninformiertheit ist ja eine Folge des derzeitigen politischen Systems, dass das Volk zum Zuschauen verdammt und praktisch machtlos zurücklässt.

Mehr Mitwirkungsmöglichkeit führt logischerweise auch zu mehr Interesse.

Insbesondere wenn es zu sozialen Problemen kommt wird die Gesellschaft durch direkte Demokratie gestärkt, da jeder Einzelne das Gefühl bekommt, im Staat Macht zu haben und mitzuwirken.

Gerade in die politische Bildung müsste zudem mehr investiert werden. Das wird sträflich vernachlässigt.
"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden." - Konrad Adenauer
Moospfaff
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 254
Registriert: Freitag 23. Januar 2004, 16:12

Beitrag von Moospfaff »

Demokratie ist, wenn man trotzdem lacht !


:) :D =P~
Antworten