Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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StudiVader315226
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von StudiVader315226 »

Da kommen ja einige interessante neue Straftatbestände auf uns zu, wenn der Bundestag wirklich das angekündigte Gesetz mit "Digitalem Hausfriedensbruch", neuem Sexual- und Prostitutionsstrafrecht, Strafbarkeit von illegalen Autorennen (achte Todsünde des §315c StGB?) und Ähnlichem durchwinkt!

Was haltet ihr davon? Oder gibt's nur zu viele neue BT-Probleme fürs Examen?
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Justitian
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Justitian »

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... =0&anz=166
Der unbefangene Leser würde vielleicht bei der Lektüre des Sachverhalts erwarten, dass da noch etwas dazu kommt, was diese Freiheitsstrafe rechtfertigt.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
StudiVader315226
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von StudiVader315226 »

Justitian hat geschrieben:http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... =0&anz=166
Der unbefangene Leser würde vielleicht bei der Lektüre des Sachverhalts erwarten, dass da noch etwas dazu kommt, was diese Freiheitsstrafe rechtfertigt.
Puh... 2 Jahre 6 Monate, im Grunde für nicht viel mehr als eine Radikalisierung und einen gelungenen und einen versuchten Flug in die Türkei, nur wegen der Absicht. Ich bin auch der Meinung, dass man islamistische und jihadistische potentielle Attentäter recht hart bestrafen sollte, aber wenn sie noch nicht einmal nach Syrien gelangt sind, schon richtig hinter Gitter?

Urteil geht ja nach Karlsruhe. Was meint ihr? Wird das Urteil oder gar die Norm kassiert?
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[enigma]
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Justitian hat geschrieben:http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... =0&anz=166
Der unbefangene Leser würde vielleicht bei der Lektüre des Sachverhalts erwarten, dass da noch etwas dazu kommt, was diese Freiheitsstrafe rechtfertigt.
Die Strafe bewegt sich im unteren Bereich des Strafrahmens (sechs Monate bis 10 Jahre). Bemerkenswert finde ich die Freiheitsstrafe deshalb nicht. Ob § 89a IIa StGB verfassungswidrig ist, ist natürlich wieder eine andere Frage.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von thh »

StudiVader315226 hat geschrieben:Puh... 2 Jahre 6 Monate, im Grunde für nicht viel mehr als eine Radikalisierung und einen gelungenen und einen versuchten Flug in die Türkei, nur wegen der Absicht. Ich bin auch der Meinung, dass man islamistische und jihadistische potentielle Attentäter recht hart bestrafen sollte, aber wenn sie noch nicht einmal nach Syrien gelangt sind, schon richtig hinter Gitter?
Es würde jedenfalls nicht zuletzt die Beweislage verbessern, wenn man nicht schon die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat mit Strafe bedroht, sondern erst deren Durchführung. Insbesondere bei Selbstmordattentaten würde das auch zu einer spürbaren Verkürzung des Ermittlungsverfahrens führen und so justizielle Ressourcen einsparen.
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Urs Blank
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Urs Blank »

Justitian hat geschrieben:http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... =0&anz=166
Der unbefangene Leser würde vielleicht bei der Lektüre des Sachverhalts erwarten, dass da noch etwas dazu kommt, was diese Freiheitsstrafe rechtfertigt.
Nach Medienberichten soll der Angeklagte bereits wegen Raubes und Körperverletzung "mehrfach" vorbestraft sein.
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Justitian
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Justitian »

[enigma] hat geschrieben: Ob § 89a IIa StGB verfassungswidrig ist, ist natürlich wieder eine andere Frage.
Das wollte ich eigentlich damit sagen. Der objektive Tatbestand des § 89 IIa StGB hat (ebenso wie § 91 StGB, der auch neutrale Schriften erfasst) keine nennenswerte Begrenzungsfunktion. Dieser hohe Strafrahmen bezieht sich damit überwiegend auf die staatsgefährdende Gesinnung des Täters.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von thh »

Justitian hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben: Ob § 89a IIa StGB verfassungswidrig ist, ist natürlich wieder eine andere Frage.
Das wollte ich eigentlich damit sagen. Der objektive Tatbestand des § 89 IIa StGB hat (ebenso wie § 91 StGB, der auch neutrale Schriften erfasst) keine nennenswerte Begrenzungsfunktion. Dieser hohe Strafrahmen bezieht sich damit überwiegend auf die staatsgefährdende Gesinnung des Täters.
3 StR 243/13 ist bekannt?
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Justitian
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Justitian »

thh hat geschrieben: 3 StR 243/13 ist bekannt?
Hätte man auch anders entscheiden können und §§ 89a IIa, 91 StGB stellen objektiv noch geringere Anforderungen. Dass am Ende dieser Gesetzgebung kein Straftatbestand stehen darf, der nur subjektive Elemente aufweist, dürfte wohl kaum bestritten werden.
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[enigma]
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Justitian hat geschrieben:
thh hat geschrieben: 3 StR 243/13 ist bekannt?
Hätte man auch anders entscheiden können und §§ 89a IIa, 91 StGB stellen objektiv noch geringere Anforderungen. Dass am Ende dieser Gesetzgebung kein Straftatbestand stehen darf, der nur subjektive Elemente aufweist, dürfte wohl kaum bestritten werden.
Der Tatbestand enthält doch objektive Elemente. Die eben durch die Verbindung mit der Gesinnung des Angeklagten strafwürdig werden. Radikalisierte Menschen, die ins Ausland ins Terrorcamp reisen, um anschließend konkrete Terroranschläge verüben zu können, stellen eine derart hohe Gefahr für die Staatssicherheit dar, dass der Rechtsstaat meines Erachtens bereits die Ausreise zu diesem Zweck (das muss ja immerhin bewiesen werden) unter Strafe stellen darf. Die Alternativen wären entweder gar nichts zu tun und hinzunehmen, dass die Leute irgendwann zurückkommen und sich in ner U-Bahn in die Luft sprengen oder das ganze USA-mäßig über Geheimdienste anzugehen, was mit Rechtsstaat dann bekanntlich auch nicht mehr viel zu tun hat.

Man kann das wie gesagt auch alles anders sehen, aber so außergewöhnlich finde ich das Urteil wie gesagt nicht.
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Justitian
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Justitian »

Ich bestreite nicht, dass in diesem Bereich eine kriminalpolitische Notwendigkeit für diese Tatbestände besteht (bis auf § 91 StGB, wenn man sich die Fallzahlen zu § 130a StGB ansieht). Die Verfassung setzt jedoch, gerade in einem Rechtsstaat, nunmal Grenzen, und die werden hier langsam erreicht. Eine besondere Selektion trifft der objektive Tatbestand ja nicht, wenn er von nahezu jedem Bürger regelmäßig verwirklicht wird. Möglicherweise hat einer von uns heute abend schon den objektiven Tatbestand von § 91 StGB verwirklicht.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Justitian hat geschrieben:Möglicherweise hat einer von uns heute abend schon den objektiven Tatbestand von § 91 StGB verwirklicht.
Das bezweifle ich, zumal sich der Vorsatz auch auf die Eignung beziehen muss (Edit: hatte "objektiver Tatbestand" überlesen, sorry). Ähnlich ist es bei § 89a StGB. Das Unrecht kann sich auch aus einer Verknüpfung zwischen einem objektiv neutralen Verhalten und der Gesinnung des Täters ergeben, wenn beides zusammen eine erhebliche Gefahr für die Staatssicherheit oder Verfassungsgüter darstellt. Natürlich bewegt man sich dabei an der Grenze des verfassungsmäßig zulässigen, deshalb wird § 89a StGB ja auch verfassungskonform ausgelegt. Und diese Auslegung halte ich für unbedenklich.

Strafbar macht sich letztendlich derjenige, der ins Terrorcamp reist und dabei fest entschlossen ist, die dort erworbenen Fähigkeiten in staatsgefährdenden Terrorakten umzusetzen. Das sind wie gesagt recht hohe Anforderungen, die in den seltensten Fällen bewiesen werden können. Die Schutzbehauptungen, die in solchen Verfahren aufgestellt werden, Abenteuer etc. liegen ja auf der Hand und dürften sich nur schwer widerlegen lassen. Selbst, wenn dem Täter "nur" eine grundsätzliche Sympathie für den Dschihad und eine wie auch immer geartete Offenheit für Terroranschläge nachgewiesen werden kann, reicht das nicht. Dort, wo aber tatsächlich die Absicht zur Begehung konkreter Terroranschläge nachgewiesen werden kann, ist man mE deutlich vom harmlosen Alltagsverhalten und reinen Gesinnungsstrafrecht entfernt.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von StudiVader315226 »

Justitian hat geschrieben: Möglicherweise hat einer von uns heute abend schon den objektiven Tatbestand von § 91 StGB verwirklicht.
Das Fernsehen macht dies doch ständig... jeder heftigere Krimi, und erst recht jeder Psycho-Film/Thriller/... erfüllt doch den objektiven Tatbestand des §91a StGB!

Bestimmt tun dies auch etliche der Werke, die auf meiner anderen als Hobby ausgeübten Webseite, http://www.alternatehistory.com, liegen. Alles auf Englisch... aber ich liebe es!
sai
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von sai »

Justitian hat geschrieben:
thh hat geschrieben: 3 StR 243/13 ist bekannt?
Hätte man auch anders entscheiden können und §§ 89a IIa, 91 StGB stellen objektiv noch geringere Anforderungen. Dass am Ende dieser Gesetzgebung kein Straftatbestand stehen darf, der nur subjektive Elemente aufweist, dürfte wohl kaum bestritten werden.
Immer wieder gut dazu: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... 3&nr=67172
Amtsschimmel
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Amtsschimmel »

Mal ne ganz dumme Frage: Was für einen Sinn hat eigentlich der letzte Teil des § 89a IIa StGB, wo es um den Staat geht? "...in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen." Ich kann doch in jedem Staat der Welt solche Unterweisungen bekommen, ob nun legal oder illegal ist ja egal. Ob man sich nun in Syrien beim IS meldet oder in Österreich in den Schützenverein eintritt, ist ja eigentlich egal, es kommt ja auf den Zweck aus II Nr. 1 an. Prinzipiell ist dann ja einfach jeder Staat gemeint. Ist der letzte Satz dann nicht einfach komplett überflüssig?
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