Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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[enigma]
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

thh hat geschrieben:
Eagnai hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Es gibt die schützenswerte Freiheit, nur dann zur Mitwirkung bei der Vernehmung verpflichtet zu sein, wenn die Bedeutung der Sache eine solche Pflicht rechtfertigt. Das ist nicht bei allen polizeilichen Vorladungen, wahrscheinlich nicht einmal bei den meisten der Fall.
Worauf stützt du diese These eigentlich genau?

Mit meinen eigenen Erfahrungen deckt sich das ehrlich gesagt überhaupt nicht. Die Zahl der von der Polizei vorgeladenen Zeugen in meinen Akten, bei denen ich mir denke "Warum um Himmels Willen wollten sie den denn vernehmen?", ist verschwindend gering - ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass mir solche Fälle bisher kaum je untergekommen sind.
Ich verstehe enigma weniger so, dass er meint, es würden Zeugen vorgeladen, die nichts zur Sache beizutragen haben, sondern so, dass man dem Zeugen die Unannehmlichkeiten einer Vernehmung (Anreise, Zeitverlust, ggf. Belastung nahestehender Personen) nur zumuten dürfe, wenn es sich um eine Straftat von einiger Bedeutung handelt. Das würde bisher dergestalt sichergestellt, dass die Staatsanwaltschaft eine Vernehmung selbst nur dann vornimmt, wenn es nicht um Bagatelldelikte geht.
Das ist zumindest mein Hauptproblem. Eagnai dürfte Recht haben, dass die Polizei kein Interesse daran hat, wahllos Zeugen vorzuladen. Wenn die Polizei aber vorlädt und der Zeuge nicht erscheint, dürfte bereits das in der Regel ausreichen, um das Erscheinen durch die StA anordnen zu lassen und ich rechne wie gesagt nicht damit, dass die StA das dann noch großartig überprüft. Faktisch entscheidet also nicht mehr (nur) die StA darüber, welcher Zeuge denn nun aussagen muss, sondern die Polizei. Das halte ich für falsch.

Denn ob es eine Pflicht gibt, in jedem Straf- oder Owi-Verfahren vor der Polizei auszusagen, hängt doch nur davon ab, ob das Gesetz eine solche Pflicht vorsieht oder nicht. Das Gesetz tat das bisher nicht und das hatte mE auch gute Gründe. Es gibt wie gesagt viele berechtigte und nachvollziehbare Interessen, die einen Zeugen davon abhalten können, zur polizeilichen Vernehmung zu gehen. Die Gefahr der Selbstbelastung, die Belastung nahestehender Personen, Verdienstausfall, etc. pp. Dazu sitzt der Zeuge in der Vernehmung einem Profi gegenüber und wird gerade bei kleineren Sachen wohl nicht anwaltlich vertreten sein. Die Gefahr, dass die Zeugenaussage entweder falsch und für diesen äußerst ungünstig protokolliert oder unzulässig und schwer nachweisbar auf den Zeugen eingewirkt wird, besteht in der polizeilichen Vernehmung nun mal eher, als in der staatsanwaltlichen oder richterlichen Vernehmung, bei der halbwegs vernünftige Zeugen, für die irgend etwas auf dem Spiel steht, ohnehin einen Anwalt nehmen werden. Mag sein, dass ich das zu sehr aus Verteidigersicht sehe, aber die ebenso einseitige Sicht der Justiz ist hier ja ebenfalls zu Wort gekommen.

Dass es Zeugen gibt, die kein derartiges Interesse haben und ihr Recht, nicht zu erscheinen dennoch wahrnehmen, muss man mE hinnehmen.
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[enigma]
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Tibor hat geschrieben:
thh hat geschrieben: Ich verstehe enigma weniger so, dass er meint, es würden Zeugen vorgeladen, die nichts zur Sache beizutragen haben, sondern so, dass man dem Zeugen die Unannehmlichkeiten einer Vernehmung (Anreise, Zeitverlust, ggf. Belastung nahestehender Personen) nur zumuten dürfe, wenn es sich um eine Straftat von einiger Bedeutung handelt. Das würde bisher dergestalt sichergestellt, dass die Staatsanwaltschaft eine Vernehmung selbst nur dann vornimmt, wenn es nicht um Bagatelldelikte geht.

(Ich halte diese Ansicht für falsch.)
Sehe das auch anders; nicht umsonst gibt es im JVEG für Zeugen Entschädigungen für allerlei Unannehmlichkeiten (§ 19). Natürlich wird das nur in Geld bemessen, es gibt doch aber die klare Ansicht des Gesetzgebers vor: Zeugenpflicht ist Zeugenpflicht, egal für welchen Fall. Die Belastung wird nur auf der zweiten Stufe (Entschädigung) kompensiert und fließt nicht in die Frage ein, ob die Zeugenpflicht ggf. zu verneinen ist.
Und was ist mit dem Interesse des Zeugen, etwa nahestehende Personen nicht zu belasten, solange die Sache das wegen ihrer Bedeutung nicht dringend erfordert? Oder die Gefahr des Zeugen, sich durch die Aussage selbst zum Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens zu machen. Natürlich kann man sagen "nimm dir halt nen Anwalt, wenn sowas passieren kann". Hin und wieder entsteht aber auch ein Tatverdacht gegen Unschuldige. Die Wahrscheinlichkeit, dass das einem unerfahrenen und unvertretenen Zeugen vor der Polizei passiert, ist deutlich größer als bei einer Vernehmung durch den Profi, der Belehrungspflichten vielleicht doch etwas ernster nimmt.
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Tibor
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Tibor »

Und du meinst wirklich, dass ein StA bei der Vernehmung professioneller agiert als ein POK? Du überschätzt da mE die Universalfähigkeiten des Volljuristen.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Tibor »

@Belastung "näherstehender Personen"; der Katalog ist klar definiert, für wen man die Klappe halten darf. Wenn hier nun jedermann für Freund, Kollege & Nachbar die Aussage verweigern kann, dann funktioniert die Unschuldsvermutung irgendwann nicht mehr.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Ich glaube, dass die Polizei deutlich effektiver in dem Sinne vernimmt, dass Ergebnisse erzielt werden. Die beherrscht die Vernehmungstechniken in der regel besser. StA und Richter vernehmen aber professioneller im Hinblick auf Zeugen- und Beschuldigtenrechte.

Darüber hinaus wird die Bereitschaft des Zeugen, bei einer Vernehmung durch StA oder Richter einen Anwalt zu beauftragen, deutlich größer sein, als bei der polizeilichen Vernehmung.
Zuletzt geändert von [enigma] am Sonntag 25. Juni 2017, 23:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Tibor hat geschrieben:@Belastung "näherstehender Personen"; der Katalog ist klar definiert, für wen man die Klappe halten darf. Wenn hier nun jedermann für Freund, Kollege & Nachbar die Aussage verweigern kann, dann funktioniert die Unschuldsvermutung irgendwann nicht mehr.
Und bei Delikten ab einer bestimmten Schwere ist das auch nachvollziehbar. Begeht mein Freund aber etwa eine einfache, folgenlose KV nach vorheriger Provokation und ich müsste vor der Polizei aussagen, müsste ich ihn belasten. Muss ich dagegen nicht zur Vernehmung, würde ich wegbleiben und hoffen, dass das Verfahren eingestellt wird. Das halte ich für ein durchaus schützenswertes Interesse.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben:Und natürlich können Zeugen ein berechtigtes Interesse haben, nicht auszusagen. Wenn ich beispielsweise anwesend bin, während ein Freund einer anderen Person ne Ohrfeige gibt und ich dann als Zeuge vernommen werden soll, müsste ich mit einer wahrheitsgemäßen Aussage meinen Freund belasten. Warum sollte ich das tun, wenn ich es nicht muss? Und je unbedeutender die Sache ist, desto nachvollziehbarer ist meine Entscheidung, nicht auszusagen. Hat mein Freund die andere Person dagegen getötet, sieht die Sache eben wieder anders aus.
Jetzt wird es allerdings leicht unsinnig - die Freiwilligkeit der polizeilichen Vernehmung als eine Art kleines Zeugnisverweigerungsrecht mit der offiziellen Befugnis zur latenten Strafvereitelung, nur weil der Zeuge möglicherweise ungern seinen Freund wegen einer "Bagatelle" belastet, es sei denn, es geht nicht anders. Warum sollte das ein staatlicherseits beachtenswertes "Motiv" sein?
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Warum denn Strafvereitelung, wenn ich nicht zur Mitwirkung an der Vernehmung verpflichtet bin? Wenn ich durch StA oder Gericht als Zeuge geladen werde, gehe ich natürlich hin und sage die Wahrheit. Es gibt auch keine allgemeine Anzeigepflicht bei Straftaten, von denen ich Kenntnis erlange. Und natürlich sind soziale Beziehungen grundsätzlich schützenswert, auch wenn die Schwelle zu den Zeugnisverweigerungsrechten nicht überschritten wird. Es geht mir auch gar nicht so sehr darum, ob das ein rechtlich beachtenswertes Interesse ist. Es geht eher darum, dass es eines von vielen menschlich nachvollziehbaren Interessen ist und nicht jeder Zeuge, der nicht bei der polizeilichen Vernehmung auftaucht, respekt- oder lustlos ist.
Zuletzt geändert von [enigma] am Sonntag 25. Juni 2017, 23:24, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben:Warum denn Strafvereitelung, wenn ich nicht zur Mitwirkung an der Vernehmung verpflichtet bin? Wenn ich durch StA oder Gericht als Zeuge geladen werde, gehe ich natürlich hin und sage die Wahrheit.
Wenn die Hoffnung ist, dass man anschließend gar nicht mehr als Zeuge aussagen muss, weil bei der StA keiner Lust hat, einen zu laden und möglicherweise auch noch vorführen zu lassen, nur damit man aussagt, dass man gesehen hat, dass der Freund zugeschlagen hat, dann läuft es de facto (!) auf eine (versuchte) Strafvereitelung hinaus. Das ist eine Mentalität ("ich sage nur aus, wenn ich zwingend muss oder ich finde, dass der andere bestraft gehört"), die jedenfalls m. E. nicht fördernswert ist.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

julée hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Warum denn Strafvereitelung, wenn ich nicht zur Mitwirkung an der Vernehmung verpflichtet bin? Wenn ich durch StA oder Gericht als Zeuge geladen werde, gehe ich natürlich hin und sage die Wahrheit.
Wenn die Hoffnung ist, dass man anschließend gar nicht mehr als Zeuge aussagen muss, weil bei der StA keiner Lust hat, einen zu laden und möglicherweise auch noch vorführen zu lassen, nur damit man aussagt, dass man gesehen hat, dass der Freund zugeschlagen hat, dann läuft es de facto (!) auf eine (versuchte) Strafvereitelung hinaus. Das ist eine Mentalität ("ich sage nur aus, wenn ich zwingend muss oder ich finde, dass der andere bestraft gehört"), die jedenfalls m. E. nicht fördernswert ist.
Also bist du auch für eine allgemeine Anzeigepflicht bei nicht schwerwiegenden Straftaten? Auch wenn zB. Freunde die Täter sind, zb. illegaler Drogenbesitz? Wie soll man da als Jugendlicher überhaupt noch Freundschaften aufbauen können? ;)
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben:
julée hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Warum denn Strafvereitelung, wenn ich nicht zur Mitwirkung an der Vernehmung verpflichtet bin? Wenn ich durch StA oder Gericht als Zeuge geladen werde, gehe ich natürlich hin und sage die Wahrheit.
Wenn die Hoffnung ist, dass man anschließend gar nicht mehr als Zeuge aussagen muss, weil bei der StA keiner Lust hat, einen zu laden und möglicherweise auch noch vorführen zu lassen, nur damit man aussagt, dass man gesehen hat, dass der Freund zugeschlagen hat, dann läuft es de facto (!) auf eine (versuchte) Strafvereitelung hinaus. Das ist eine Mentalität ("ich sage nur aus, wenn ich zwingend muss oder ich finde, dass der andere bestraft gehört"), die jedenfalls m. E. nicht fördernswert ist.
Also bist du auch für eine allgemeine Anzeigepflicht bei nicht schwerwiegenden Straftaten? Auch wenn zB. Freunde die Täter sind, zb. illegaler Drogenbesitz? Wie soll man da als Jugendlicher überhaupt noch Freundschaften aufbauen können? ;)
Das Leben ist eben kein Ponyhof ;)

Und im Übrigen besteht m. E. durchaus ein Unterschied dazwischen, ob ich Freunde, die mir von einem kleinen Versicherungsbetrug (oder was man eben so macht) erzählen, aktiv anzeigen muss oder ob ich im Rahmen eines bereits laufenden Ermittlungsverfahrens gegen einen Freund wahrheitsgemäß aussagen muss - und wenn ich spätestens bei der StA oder bei Gericht aussagen muss, dann spricht relativ wenig dagegen, dies bereits bei der Polizei tun zu müssen, anstatt versuchen zu dürfen, den Moment der Wahrheit so lange wie nur irgendwie möglich hinauszuzögern und dabei jede Menge staatliche Ressourcen verschwenden zu dürfen.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

julée hat geschrieben:
Und im Übrigen besteht m. E. durchaus ein Unterschied dazwischen, ob ich Freunde, die mir von einem kleinen Versicherungsbetrug (oder was man eben so macht) erzählen, aktiv anzeigen muss oder ob ich im Rahmen eines bereits laufenden Ermittlungsverfahrens gegen einen Freund wahrheitsgemäß aussagen muss - und wenn ich spätestens bei der StA oder bei Gericht aussagen muss, dann spricht relativ wenig dagegen, dies bereits bei der Polizei tun zu müssen, anstatt versuchen zu dürfen, den Moment der Wahrheit so lange wie nur irgendwie möglich hinauszuzögern und dabei jede Menge staatliche Ressourcen verschwenden zu dürfen.
Strafverfahren werden ja hin und wieder mal eingestellt. Und für mich spricht wie gesagt eine Menge dagegen, gegen einen Freund auszusagen, wenn ich das nicht muss. Macht mir das Leben in dieser Situation nun mal sehr viel einfacher. Wenn die Gesetzesänderung nun dazu führt, dass die Polizei bzw. StA zwar wichtige Zeugen bei nicht unerheblichen Straftaten zum Erscheinen zwingen, ansonsten aber sparsam mit dieser neuen Möglichkeit umgehen, habe ich damit weniger Probleme. Ich befürchte aber, dass es anders kommt und zukünftig schlichtweg jeder polizeilichen Vorladung nachgekommen werden muss. Damit kriegt man dann zwar die staatsfeindlichen Szenezeugen am linken und rechten Rand dran, schafft aber eben auch jede Menge neue Probleme und Anreize für Falschaussagen.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben:Strafverfahren werden ja hin und wieder mal eingestellt. Und für mich spricht wie gesagt eine Menge dagegen, gegen einen Freund auszusagen, wenn ich das nicht muss. Macht mir das Leben in dieser Situation nun mal sehr viel einfacher. Wenn die Gesetzesänderung nun dazu führt, dass die Polizei bzw. StA zwar wichtige Zeugen bei nicht unerheblichen Straftaten zum Erscheinen zwingen, ansonsten aber sparsam mit dieser neuen Möglichkeit umgehen, habe ich damit weniger Probleme. Ich befürchte aber, dass es anders kommt und zukünftig schlichtweg jeder polizeilichen Vorladung nachgekommen werden muss. Damit kriegt man dann zwar die staatsfeindlichen Szenezeugen am linken und rechten Rand dran, schafft aber eben auch jede Menge neue Probleme und Anreize für Falschaussagen.
Menschlich kann ich es ja verstehen, aber es geht nicht darum, dem einzelnen Zeugen das Leben leichter zu machen. Und wenn ein Zeuge bekanntermaßen daneben stand, als sein Freund zugeschlagen haben soll, dann besteht doch die berechtigte Vermutung, dass er zu der Angelegenheit etwas beitragen kann. Und dann halte ich es auch gerechtfertigt, wenn die StA die polizeiliche Vernehmung des Zeugen veranlasst, selbst wenn es am Ende nur um 30 Tagessätze geht. Dass der StA in solchen Fällen bislang verstärkt über eine Einstellung nachgedacht hat, bevor er sich selbst mehrere Nachmittage lang irgendwelche Zeugen in Bagatellverfahren anhört, mag sein, aber ein "Recht" darauf, dass dieser suboptimale Zustand fortbesteht, gibt es ganz sicher nicht.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

[enigma] hat geschrieben:Also bist du auch für eine allgemeine Anzeigepflicht bei nicht schwerwiegenden Straftaten? Auch wenn zB. Freunde die Täter sind, zb. illegaler Drogenbesitz? Wie soll man da als Jugendlicher überhaupt noch Freundschaften aufbauen können? ;)
Als wir uns in der Jugend mit anderen prügelten, lachten die Lehrer mit der Einstellung, dass Kinder das unter sich regeln. Heute rückt gleich die Jugendpolizei an und die Kinder/Jugendlichen müssen zur Jugendanwaltschaft. Das hat zwar einiges bewirkt, aber manchmal frage ich mich schon, wo genau noch Jugendliche sich selbst sein dürfen. Und wer von den Jugendlichen würde schon ernsthaft den anderen wegen illegalem Drogenbesitz anzeigen. Das ist illusorisch.
Gelöschter Nutzer

Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

[enigma] hat geschrieben: Strafverfahren werden ja hin und wieder mal eingestellt. Und für mich spricht wie gesagt eine Menge dagegen, gegen einen Freund auszusagen, wenn ich das nicht muss. Macht mir das Leben in dieser Situation nun mal sehr viel einfacher. Wenn die Gesetzesänderung nun dazu führt, dass die Polizei bzw. StA zwar wichtige Zeugen bei nicht unerheblichen Straftaten zum Erscheinen zwingen, ansonsten aber sparsam mit dieser neuen Möglichkeit umgehen, habe ich damit weniger Probleme. Ich befürchte aber, dass es anders kommt und zukünftig schlichtweg jeder polizeilichen Vorladung nachgekommen werden muss. Damit kriegt man dann zwar die staatsfeindlichen Szenezeugen am linken und rechten Rand dran, schafft aber eben auch jede Menge neue Probleme und Anreize für Falschaussagen.
Ich kann Deine Bedenken durchaus verstehen, denn in der Schweiz ist das schon Realität, vom Volk abgesegnet, aus Kostengründen. Natürlich kann man sich wehren, auch Mittellose, sofern Aussicht auf Erfolg besteht. Aber trotzdem ist es grundsätzlich kritikwürdig.
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