Mord - 28 II -

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Kadet
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Mord - 28 II -

Beitrag von Kadet »

Fall: A stiftet B an C zu töten. A handelt aus niedrigen Beweggründen, der B auch. A weiß jedoch nicht um das Mordmerkmal des B.

Frage: Strafbarkeit des Anstifters
Wie wirkt sich hier die Unkenntnis des Anstifters von dem Mordmerkmal des Täters in den Ansichten zu § 211 im Verhältnis zu § 212 aus ?
ich versuche mal zu lösen:

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  • BGH: § 212 I, § 27, § 28 I, § 49 I ?
fliege ich hier beim Mord schon mangels Anstiftervosatz nach § 16 I S.1, § 27 raus - oder erst aufgrund der speziellen Ansicht zu § 28 I ?
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  • Lit. § 211, § 27 ?
Hier kommt es dann nicht darauf an, dass der Anstifter das qualifizierende Merkmal des § 211 i.S.d. § 27, § 16 I S.1 nicht kennt hauptsache er kennt die Merkmale des § 212 und verwirklicht selbst ein Merkmal i.S.d. § 28 II, § 211 ? , so dass er wegen Anstiftung zu Mord bestraft werden kann ?



Kurz: Wenn der Mord Qualifikationstatbestand wäre, müsste sich der Vorsatz des Anstifters hinsichtlich der Hauptat nur auf § 212 beziehen ? So dass ein Irrtum über strafschärfende Merkmale des Täters (solche des § 211) für den Anstiftervorsatz unbeachtlich wäre ? Es käme dann nur darauf an, ob der Anstifter das Merkmal des § 211 selbst (§ 28 II) verwirklicht ?


Danke ](*,)
strafrechtler
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Beitrag von strafrechtler »

Oh je, das ist verwirrendes Terrain ... jetzt bloß keinen Fehler machen ... also: Soweit ich das durchdacht habe, stimmt Deine Aussage über die Lit, nicht aber die über den BGH, der auch in Deinem Fall zu 211 käme (alles andere wäre auch krass ungerecht). Selbst dann, wenn A statt niedriger Beweggründe Verdeckungsabsicht gehabt hätte, läge nach der Rspr 211 vor (sog. gekreuzte Mordmerkmale). Die Grenze zieht der BGH, wenn die Mordmerkmale "nicht gleichartig" sind, etwa habgieriger Anstifter und heimtückischer Haupttäter. Dass das alles nicht in sich logisch, sondern komplett ergebnisorientiert ist (meines Wissens das einzige Problem, beim der BGH null Gefolgschaft in der Lit hat), hat nun zumindest ein Senat des BGH erkannt (obiter dictum, Fundstelle habe ich nicht parat).
Kadet
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Beitrag von Kadet »

Stimmt die gekreuzigten Merkmale ](*,)
das hatte ich vergessen,

Dir sei gedankt

D.h. wenn der Anstifter das Mordmerkmal des Täters nicht kennt liegt nach der Ansicht des BGH immer ein Irrtum nach § 16 I S.1 vor, der den Anstiftervorsatz ausschließt ?
Lacan
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Beitrag von Lacan »

Was bedeutet der Begriff "gekreuzte Mordmerkmale"? Klingt nach Mathematik.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
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Calmy
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Beitrag von Calmy »

Lacan hat geschrieben:Was bedeutet der Begriff "gekreuzte Mordmerkmale"? Klingt nach Mathematik.
Dass ich Lacan mal etwas erklären darf... Hätte nicht gedacht, dass ich das je erlebe ;).

"Gekreuzte Mordmerkmale": Mörder und Gehilfe erfüllen verschiedene Mordmerkmale (1. od. 3. Gruppe). Sowohl Lit. als auch Rspr. bejahen hier §§ 211, 27 für den Gehilfen.
"Also hopphopp!"
strafrechtler
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Beitrag von strafrechtler »

Mittlerweile habe ich auch - für Interessierte - die Fundstelle, in der sich eine zumindest theoretisch mögliche Rechtsprechungsänderung andeutet: ZIS 2006, 179 (BGH-Urteil samt Anmerkung). Die ZIS gibt es übrigens unter http://www.zis-online.com kostenlos als .pdf; es handelt sich um eine relativ neue Online-Strafrechts-Zeitschrift mit vielen interessanten Beiträgen, die von namhaften Professoren herausgegeben wird.

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bilguer
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Beitrag von bilguer »

Auch wenn es nicht ganz zum eigentlichen Thema passt:

Die ZIS ist wirklich nur zu empfehlen!

Gruß
bilguer
Lacan
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Beitrag von Lacan »

Jenes "Kreuzen" der Merkmale müsste eigentlich "Erzetzen" heißen; klingt aber besser, gebe ich zu. Nach seiner bisherigen Rspr müsste der BGH bei konsequenter Anwendung des § 28 I die Strafe des Teilnehmers gem. § 49 I mildern, weil dieser das persönliche Merkmal, welches seine Strafbarkeit begründet, nicht aufweist (vgl. Anm. Gasa/Marlie ZIS 4/2006, 200, 202 zu BGH v. 10.1.2006 - 5 StR 341/05). Die Anwendung des § 28 I beruht ihrerseits wiederum auf der Auffassung, die Merkmale des § 211 stünden gegenüber denen des § 212 in keinem Verhältnis der Qualifikation, sondern seien gegenüber diesen eigenständig und damit strafbegründend (§ 28 I) und nicht strafverschärfend (§ 28 II). Gleichwohl verneint der BGH bei der Anwendung des § 28 I eine Strafmilderung des Teilnehmers (vgl. Gasa/Marlie, aaO, Fn 16: BGHSt 23, 39, 40; 23, 95, 97). Und das mit der Figur der "gekreuzten Merkmale"?
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Lacan
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Beitrag von Lacan »

Habe inzwischen bei Arzt (JZ 1973, 681, 682) eine Darstellung der Technik des "Kreuzens" der Merkmale gefunden:

Der BGH versagt die Strafmilderung, wenn der Teilnehmer ein Merkmal "gleicher Art" wie der Täter aufzuweisen hat. Die Einschränkung des § 28 I (früher § 50 II) sichert er dadurch ab, dass er ganz ungleichartige Mordmerkmale dadurch gleichartig macht, dass er auf den niedrigen Beweggrund als gemeinsamen Nenner abstellt (so BGHSt 23, 39, 40; 23, 95, 97). Dieses bedeutet die Anwendung des euklidischen Axioms: »Sind zwei Größen einer dritten gleich, so sind sie untereinander gleich«. Also doch Mathematik!
Zuletzt geändert von Lacan am Montag 8. Mai 2006, 23:24, insgesamt 1-mal geändert.
Vernunft – ein anderer Ausdruck für Ahnungslosigkeit in Bezug auf Widersprüche zwischen Zwecken und Mitteln (Luhmann)
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Im Fall der "gekreuzten" Mordmerkmale findet nach Ansicht des BGH § 28 I eben keine Anwendung. Vielmehr genügt, dass der Teilnehmer selber ein persönliches Mordmerkmal aufweist. Dogmatisch lässt sich dies nicht erklären, da es an sich nur eine Haupttat (Mord mit bes. persönlichen Merkmal beim Täter) gibt, zu der angestiftet werden kann.

Die Literatur kann dies mittels einer "doppelten" Tatbestandsverschiebung widerspruchslos auflösen über § 28 II, indem sie zunächst das Mordmerkmal des Täters beim Teilnehmer wegfallen lässt, um im nächsten Gedankengang ihm sein eigenes Mordmerk zuzurechnen.

Anhand der "gekreuzten" Mordmerkmale hängt sich übwiegend die Kritik der Literatur ggü. der Rechtsprechung auf.

Neben der ZIS auch lesenswert zum neuen BGH Urteil die RÜ 2006, 194ff. als Falllösung aufbereitet.
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