Hitzig haben wir diskutiert über den Fall "Sven G.". In aller Kürze: Ein nicht vorbestrafter Informatikstudent, der nachts an einem Bahnhof von einem alkoholisierten und kampferprobten Schläger angegriffen wird, sticht zur Verteidigung mit einem mitgeführten Messerchen lebensgefährlich zu. Nicht der Angreifer wird verurteilt, sondern bekommt letztlich sogar noch ein Schmerzensgeld zugesprochen. Der Angegriffene hingegen wandert in Haft. Kein § 32 StGB. Kein § 33 StGB. Nicht mal § 213 StGB. Leider hat sich Swanns Hoffnung, dass am Ende des Verfahrens eine Bewährungsstrafe steht, nicht bewahrheitet: Der Angegriffene wurde zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Nach wie vor finde ich diesen Fall und die Entscheidungen von LG München I und BGH einen Hohn auf das Notwehrrecht. Mit welcher Arroganz sich die Justiz der Lebenswirklichkeit entzieht, hat mich damals wirklich betroffen gemacht.
Nun endlich ein Echo aus der Wissenschaft: In der aktuellen NStZ zerreißt Prof. Erb (Kommentator von §§ 32 ff. StGB im MüKo) die Urteile in aller Deutlichkeit. Für alle, die damals an der Diskussion teilgenommen haben, aber auch alle anderen, möchte ich hier eine Leseempfehlung aussprechen. Der Artikel enthält eine Analyse des ersten Urteils des LG München I, die noch Schlimmeres zu Tage fördert (nämlich das, auch nach sachverständiger Auffassung, schon die Erforderlichkeit gegeben war) als noch die Lektüre des Revisionsurteils vermuten ließ.
Hoffentlich findet der Artikel ein breites Echo. Denn so kann es mit dem Notwehrrecht definitiv nicht weitergehen.Die Entscheidung ist in jeder Hinsicht unhaltbar und führt im Ergebnis zu einer gesetzeswidrigen Vertauschung der Rollen von Täter und Opfer. (..) Die bayerische Justizministerin ist aufgefordert, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, ein [Wiederaufnahmeverfahren] zur Ausräumung des offenkundigen Justizunrechts unverzüglich und mit größtem Nachdruck von Amts wegen zu betreiben.
Grüße
Tobi