Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Gregory
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von Gregory »

Man prüft nie - nie, nie, nie, nie, nie, nie, ... - die Strafbarkeit eines Toten! Eine Ausnahme von dieser Regel gilt nur dann, wenn die Strafbarkeit des Toten Einfluss hat auf die Strafbarkeit des noch lebenden Teilnehmers, etwa deshalb, weil dieser täterschaftlich kein Delikt verwirklicht, sondern hieran allenfalls teilgenommen hat.
jura-freak
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von jura-freak »

SundanceKid343 hat geschrieben:"Haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?"
Was sagt ihr wenn es nur zwei Beteiligte gibt von denen der eine am Ende stirbt. Muss man den dann auch prüfen?Er hat ja zu Anfang des Falles was gemacht aber am Ende stirbt er??soll das ne Fangfrage sein?
Wenn die Fallfrage so formuliert ist, würde ich auch die Strafbarkeit des Toten prüfen.
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von SundanceKid343 »

Gregory hat geschrieben:Man prüft nie - nie, nie, nie, nie, nie, nie, ... - die Strafbarkeit eines Toten!.
Dachte ich nämlich auch. In meinem Fall geht es um den Klassiker Absichtsprovokation. Der später Tote, greift seinen Provokateur rechtswidrig an, wo der sich dann wehrt und ihn schlägt. Was aber nicht der Grund für seinen tot ist.
jura-freak hat geschrieben: Wenn die Fallfrage so formuliert ist, würde ich auch die Strafbarkeit des Toten prüfen.
Dann denke ich auch prüfen, oder?Aber dann schon erwähnen, dass er sich nicht strafbar machen kann weil er tot ist oder?
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Promotology
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von Promotology »

Auch Inzidentprüfungen können gelegentlich von Vorteil sein.
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SundanceKid343
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von SundanceKid343 »

Wenn keiner mehr Einwende hat, würde ich bei der Prüfung einfach sagen, dass er sich nicht strafbar gemacht haben kann da er nicht mehr lebt, es aber indzident zu prüfen ist, da von seiner strafbarkeit die strafbarkeit des Provokateurs abhängt.?!
Gregory
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von Gregory »

SundanceKid343 hat geschrieben:Wenn keiner mehr Einwende hat, würde ich bei der Prüfung einfach sagen, dass er sich nicht strafbar gemacht haben kann da er nicht mehr lebt, es aber indzident zu prüfen ist, da von seiner strafbarkeit die strafbarkeit des Provokateurs abhängt.?!
Nein, das ist so nicht richtig. Wenn überhaupt, dann sollten sich deine ausdrücklichen Ausführungen zum Verstorbenen (im Sinne von: II. Strafbarkeit des Verstorbenen) darin erschöpfen, festzustellen, dass er verstorben ist und daher einer Strafe nicht zugeführt werden kann.

Dass sein Verhalten die Strafbarkeit des Totschlägers oder ggf. sogar Mörders beeinflusst, rechtfertigt nur eine Prüfung seines Verhaltens inzidenter in der Prüfung des noch lebenden Beteiligten, und dort auch nur insoweit als es für dessen Strafbarkeit auch wirklich von Bedeutung ist. Für die Notwehr bedeutet das:

Die "Rechtswidrigkeit" des Angriffs, gegen den sich der Totschläger gewehrt hat, hängt davon ab, ob den Bewertungsnormen des Rechts zuwidergehandelt wurde, ohne dass ein Erlaubnissatz greift. Demnach wäre die Rechtswidrigkeit des Angriffs in jedem Falle zu verneinen, wenn der Angreifer sich seinerseits etwa auf Notwehr oder einen Notstand berufen kann; ebenso - nach streitiger, nicht überwiegender Auffassung -, wenn das Handeln des Angreifers einen Handlungsunwert nicht enthält (etwa: der sich in jeder Hinsicht verkehrgerecht verhaltende Kfz-Führer, der aber gleichwohl einen anderen Menschen zu verletzen droht).

Die "Gebotenheit" des Angriffs kann beeinflusst werden durch die Schuldhaftigkeit des Angreiferhandelns. Denn Angriffen schuldlos handelnder Personen kann vielfach ausgewichen werden, ohne sich in seiner Ehre etwas zu vergeben und ohne dass die Rechtsordnung in Zweifel gezogen wird. Wo eine Ausweichmöglichkeit nicht besteht, ist defensive Schutzwehr angezeigt, wohingegen auf offensive Trutzwehr nur unter größtmöglicher Schonung zulässig ist.

Die "Gebotenheit" des Angriffs kann auch beeinflusst werden vom Angreiferverhalten, wenn der Angreifer, wie offensichtlich hier, den Notwehrübenden provoziert hat. Erfolgt die Provokation mit dolus directus ersten Grades, ist eine Berufung auf Notwehr gänzlich unzulässig (str.). Erfolgte die Provokation hingegen sonstwie vorwerfbar, führt das zu Einschränkungen des Notwehrrechts nur, wo sich das Verhalten als rechtswidrig darstellt (str.; a.A. insbesondere die st. Rspr., die ein lediglich "sozial inadäquates Verhalten" genügen lassen will).
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von Syd26 »

jura-freak hat geschrieben:
SundanceKid343 hat geschrieben:"Haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?"
Was sagt ihr wenn es nur zwei Beteiligte gibt von denen der eine am Ende stirbt. Muss man den dann auch prüfen?Er hat ja zu Anfang des Falles was gemacht aber am Ende stirbt er??soll das ne Fangfrage sein?
Wenn die Fallfrage so formuliert ist, würde ich auch die Strafbarkeit des Toten prüfen.
Ja, aber nur inzident.
Unbedingt dazu schreiben, dass der Tote strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden kann.
"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
jura-freak
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von jura-freak »

Syd26 hat geschrieben:
jura-freak hat geschrieben:
SundanceKid343 hat geschrieben:"Haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?"
Was sagt ihr wenn es nur zwei Beteiligte gibt von denen der eine am Ende stirbt. Muss man den dann auch prüfen?Er hat ja zu Anfang des Falles was gemacht aber am Ende stirbt er??soll das ne Fangfrage sein?
Wenn die Fallfrage so formuliert ist, würde ich auch die Strafbarkeit des Toten prüfen.
Ja, aber nur inzident.
Unbedingt dazu schreiben, dass der Tote strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden kann.
Dem stimme ich nicht zu. Wenn es im Sachverhalt zwei Beteiligte gibt, von denen der eine am Ende des Geschehens aus irgendwelchen Gründen stirbt, und in der Fallfrage ausdrücklich nach der Strafbarkeit der Beteiligten (Plural) gefragt ist, dann heißt es meiner Meinung nach, dass man die Strafbarkeit des A und des B (mal angenommen, die heißen so) prüfen soll, und zwar jeweils eigenständig.
Sollte die Strafbarkeit des Verstorbenen der Konzeption des Erstellers der Hausarbeit/Klausur zufolge nur inzident - im Rahmen der Strafbarkeitsprüfung des noch lebenden Täters - geprüft werden, so wäre wahrscheinlich ausdrücklich nach der Strafbarkeit des Täters gefragt, der noch am Leben ist. Was wirklich zu prüfen ist, lässt sich wohl dem Sachverhalt entnehmen. Wenn alle in Betracht kommenden Delikte des verstorbenen Täters sich inzident im Rahmen der Strafbarkeit des anderen Beteiligten prüfen lassen, dann bleibt für die eigenständige Prüfung der Strafbarkeit wohl kein Raum.

Im Übrigen spricht meiner Ansicht nach nichts dagegen, die Strafbarkeit eines Toten gutachterlich zu prüfen, wenn es dem Aufgabensteller darauf ankommt (was hier der Fall sein dürfte).

Im Zweifel kann man am Lehrstuhl vorbeischauen und fragen, ob die Strafbarkeit des verstorbenen Täters eigenständig zu prüfen ist.
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von Swann »

Der Tod ist absolutes Strafverfolgungshindernis. Tote sind daher nie strafbar; eine Leichensynode im Gutachten deshalb zu unterlassen.
SundanceKid343
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von SundanceKid343 »

jura-freak hat geschrieben:
Syd26 hat geschrieben:
jura-freak hat geschrieben:
SundanceKid343 hat geschrieben:"Haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?"
Was sagt ihr wenn es nur zwei Beteiligte gibt von denen der eine am Ende stirbt. Muss man den dann auch prüfen?Er hat ja zu Anfang des Falles was gemacht aber am Ende stirbt er??soll das ne Fangfrage sein?
Wenn die Fallfrage so formuliert ist, würde ich auch die Strafbarkeit des Toten prüfen.
Ja, aber nur inzident.
Unbedingt dazu schreiben, dass der Tote strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden kann.
Dem stimme ich nicht zu. Wenn es im Sachverhalt zwei Beteiligte gibt, von denen der eine am Ende des Geschehens aus irgendwelchen Gründen stirbt, und in der Fallfrage ausdrücklich nach der Strafbarkeit der Beteiligten (Plural) gefragt ist, dann heißt es meiner Meinung nach, dass man die Strafbarkeit des A und des B (mal angenommen, die heißen so) prüfen soll, und zwar jeweils eigenständig.
Sollte die Strafbarkeit des Verstorbenen der Konzeption des Erstellers der Hausarbeit/Klausur zufolge nur inzident - im Rahmen der Strafbarkeitsprüfung des noch lebenden Täters - geprüft werden, so wäre wahrscheinlich ausdrücklich nach der Strafbarkeit des Täters gefragt, der noch am Leben ist. Was wirklich zu prüfen ist, lässt sich wohl dem Sachverhalt entnehmen. Wenn alle in Betracht kommenden Delikte des verstorbenen Täters sich inzident im Rahmen der Strafbarkeit des anderen Beteiligten prüfen lassen, dann bleibt für die eigenständige Prüfung der Strafbarkeit wohl kein Raum.

Im Übrigen spricht meiner Ansicht nach nichts dagegen, die Strafbarkeit eines Toten gutachterlich zu prüfen, wenn es dem Aufgabensteller darauf ankommt (was hier der Fall sein dürfte).

Im Zweifel kann man am Lehrstuhl vorbeischauen und fragen, ob die Strafbarkeit des verstorbenen Täters eigenständig zu prüfen ist.
Danke euch allen, so werde ich es jetzt einfach machen. \:D/
Jora
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von Jora »

Kurze Rückfrage bezüglich einer Klausur. Wollte keinen neuen Thread aufmachen, deswegen hab ich diesen Thread hier genommen

A schlägt B zusammen. Er macht sich davon und lässt B in dem Glauben zurück, B werde schon geholfen und es werde nichts schlimmeres passieren. Dem ist auch so.

Strafbarkeit A 323C?
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von Honigkuchenpferd »

§ 323c StGB:
Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Ob A tatsächlich von Umständen ausging, bei deren Vorliegen Hilfe nicht "erforderlich" war, kann man anhand deiner Angaben nicht beurteilen. Die diffuse Vorstellung, dem Opfer werde schon geholfen werden, schließt den Vorsatz jedenfalls nicht zwingend aus.
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von Vortex »

Müsste man hier eigentlich vorrangig §§ 13 I, 22 StGB prüfen (Garantenstellung aus Ingerenz) ?
Honigkuchenpferd
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Re: Unterlassene Hilfeleistung nach selbst verursachter KV

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Auf die Idee könnte man schon kommen. Wenn es aber um eine Körperverletzung/Tötung durch aktives Tun geht, empfiehlt es sich auch in Gutachten zumeist nicht, einem zugleich vorliegenden Unterlassen (größere) Aufmerksamkeit zu schenken, wenn es letztlich kein eigenes Gewicht hat. Damit bringt man sich nur in Schwierigkeiten, ohne dass man viel gewinnen kann. Das gilt gleichermaßen für echtes wie unechtes Unterlassen.

Es ist ja auch umstritten, ob und inwieweit in solchen Fällen § 323c StGB überhaupt eingreift bzw. eine Garantenstellung i.S.d. § 13 I StGB begründet wird. Immerhin handelt es sich ja um vorsätzliche Schädigungen.
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