Sympathiebeamter hat geschrieben:Die aber aktuell durchaus Anlass dazu bietet, dass dadurch ein "Generalauftrag" durch den StA erfolgt.
Das habe ich jetzt hier schon mehrfach gelesen - und frage mich zunehmend, wie so ein Generalauftrag in der Praxis aussehen soll.
Stellen wir uns mal ein Ermittlungsverfahren mittlerer Art und Güte vor: Die Polizei wird angerufen, nimmt die Ermittlungen auf, sichert vielleicht Spuren, erhebt Beweismittel und verschickt dazu u. a. auch Ladungen. Dann kommen die Zeugen und äußern sich - oder eben nicht. Bis hier hin gibt es noch keinen Kontakt zur Staatsanwaltschaft, sodass auch keine Anordnung ergangen sein kann, irgendwen zu laden. Jetzt erst wandert die Akte zur StA. Wenn dann die Aussage eines oder einer Anzahl weiterer Zeugen fehlt, die der Dezernent für wichtig hält, erteilt er einen ausdrücklichen Auftrag, diese(n) Zeugen zu vernehmen. Und fügt meist noch hinzu, welche Fragen in der Vernehmung thematisiert werden sollen (und dass ggf. Belehrungen über Zeugnis- bzw. Auskunftsverweigerungsrechte erfolgen sollen).
Und am Ablauf bis hier her ändert sich nichts: In der ersten Phase der polizeilichen Ermittlungen gibt auch die neue Rechtslage keine Erscheinenspflicht eines Zeugen her. Danach ist die ganze Sache durch den Staatsanwalt geprüft und die noch erforderlichen Vernehmungen eingekreist.
Für ein wildes Drauflosladen oder gar eine Überrumpelung gibt es da keinen Raum; von der allgemeinen Schwachsinnigkeit solcher Versuche mal ganz abgesehen.
In Fällen größeren Umfangs oder mit schweren Tatvorwürfen (z. B. vorsätzliche Tötungsdelikte, Vergewaltigungen, Brandstiftungen) erfolgt sehr rasch die direkte Rücksprache mit dem Staatsanwalt, um das Vorgehen abzustimmen und es wird gleichfalls auf neue Ermittlungsergebnisse (z. B. Benennung weiterer Zeugen) im Einzelfall reagiert und z. B. in bestimmten Fällen auch einnmal die Vernehmung durch den Ermittlungsrichter veranlasst. Auch bei solchen Ermittlungene, besonders dann, wenn die Zeit drängt, wäre eine Anordnung der Art "vernehmen Sie halt mal alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist" erst recht hirnrissig (und m. E. auch kaum von der Norm gedeckt).
Ein weiterer Punkt noch: Bitte nicht die Rechnung ohne die oberbehördliche und ministeriale Bürokratie machen - für alles Mögliche gibt es da Dienstvorschriften der Innenministerien und Erlasse der Generalstaatsanwälte, in denen haarklein geregelt ist, wie Polizei und StA in solchen Fällen vorzugehen haben. Art, Inhalt, Umfang und Zeitpunkt einer solchen Anordnung werden da sicherlich auch sehr bald davon erfasst sein. Schon allein, um bei den zu erwartenden gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht nackig dazustehen.
Dass trotz allem anfangs Graubereiche bleiben werden, ist eine Binse. Für deren Klärung sind dann, siehe soeben, die Gerichte da.
[enigma] hat geschrieben:Es ist aber ein Schritt in die falsche Richtung, der sich dann beispielsweise mit den von dir abgesprochenen Einschränkungen bei Ablehnungs- und Beweisantragsrechten fortsetzt.
Keineswegs. Der Gesetzgeber bläst der Rechtsordnung hier schlicht etwas Realismus ein, was sich auch unbedingt zur Fortsetzung empfiehlt. Beispiele: Die Streichung des längst aus der Zeit gefallenen Zeugnisverweigerungsrechts kraft Verlöbnisses. Oder auch die Ersetzung der Gesamtstrafenregeln durch eine Einheitsstrafe, wie es sie ja im JGG längst gibt.
[enigma] hat geschrieben:julée hat geschrieben:Der richtige Hebel dürfte es dort allerdings vielmehr sein, einerseits dafür zu sorgen, dass die Polizei die Vernehmungen ordnungsgemäß durchführt, und andererseits gegebenenfalls über schärfere Verwertungsverboten nachzudenken, wenn sich ein nicht anwaltlich vertretener Zeuge bei der Polizei aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung um Kopf und Kragen geredet hat.
Der Trend in der Rechtsprechung geht aber doch in die genau entgegen gesetzte Richtung.
Mir ist aus den letzten Jahren keine obergerichtliche Entscheidung bekannt, wonach der Inhalt von Vernehmungen, die unter bewusster Missachtung eines Schweige- oder Zeugnisverweigerungsrechts (oder einer entsprechenden Belehrungspflicht) geführt wurden, verwertbar sein soll. Hingegen zeigt die jüngere Entscheidungspraxis jedenfalls des 2. Strafsenates des BGH sowie diverser Oberlandesgerichte eine nicht bloß zaghafte Hinwendung zur Annahme von Verwertungsverboten.