thh hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Es geht auch schlicht um die Freiheit, gegenüber der Polizei keine Angaben zu Sachverhalten zu machen, mag man nun persönlich beteiligt sein, oder nicht. Je schwerer die im Raum stehende Straftat oder das Anliegen, desto eher überwiegt das Aufklärungsinteresse natürlich die persönliche Freiheit.
Welche schützenswerte (!) Freiheit soll es denn geben, bitteschön von einem Staatsanwalt statt von dessen Ermittlungspersonen vernommen zu werden?!
Es gibt die schützenswerte Freiheit, nur dann zur Mitwirkung bei der Vernehmung verpflichtet zu sein, wenn die Bedeutung der Sache eine solche Pflicht rechtfertigt. Das ist nicht bei allen polizeilichen Vorladungen, wahrscheinlich nicht einmal bei den meisten der Fall. Wenn die StA nun der Meinung ist, man bräuchte die Zeugenaussage unbedingt, soll sie ihn eben vorladen. Die Neuregelung wird aber dazu führen, dass diese Entscheidung faktisch nicht bei der StA, sondern bei der Polizei liegt. Denn es dürfte wie gesagt sehr unwahrscheinlich sein, dass die StA einen Zeugen entgegen dem ausdrücklichen Wunsch des ermittelnden Polizisten nicht vorlädt. Für den Polizisten ist aber im Zweifel jeder Zeuge wichtig, der sich - warum auch immer - weigert, mit ihm zu sprechen.
Im Endeffekt werden also nicht lediglich die Zeugen, die bisher durch die StA vernommen wurden, nun durch die Polizei vernommen. Das wäre - mal abgesehen von der zu erwartenden Häufung von Vernehmungsfehlern und Verwertungsverboten - ja noch eine nachvollziehbare Entlastung der Justiz. Es geht darum, dass eine Aussagepflicht für Zeugen herbeigeführt wird, die bisher überhaupt nicht vernommen wurden. Und die wurden ja nicht deshalb nicht vernommen, weil die StA keine Zeit dafür hatte, sondern weil ihre Aussage für die Sache aus Sicht der StA dann eben doch nicht so wichtig war oder weil das Verfahren sowieso eingestellt wird.
Und natürlich können Zeugen ein berechtigtes Interesse haben, nicht auszusagen. Wenn ich beispielsweise anwesend bin, während ein Freund einer anderen Person ne Ohrfeige gibt und ich dann als Zeuge vernommen werden soll, müsste ich mit einer wahrheitsgemäßen Aussage meinen Freund belasten. Warum sollte ich das tun, wenn ich es nicht muss? Und je unbedeutender die Sache ist, desto nachvollziehbarer ist meine Entscheidung, nicht auszusagen. Hat mein Freund die andere Person dagegen getötet, sieht die Sache eben wieder anders aus.
thh hat geschrieben:[enigma] hat geschrieben:Das soll dann aber bitte die StA/das Gericht entscheiden, nicht der POM, der sich missbilligt fühlt, weil die Zeugen seiner Ladung nicht nachkommen wollen.
Deshalb sieht das Gesetz einen Auftrag der StA vor.
Der wie gesagt weder bestimmten Formvorschriften genügen noch begründet werden muss und deshalb in der Praxis wahrscheinlich nichtmal besonders geprüft werden wird. Das ist ein reiner Formalismus, der überhaupt nicht geeignet ist, die zu erwartende, viel zu extensive Herbeiführung der Mitwirkungspflicht irgendwie zu beschränken.
thh hat geschrieben:[enigma] hat geschrieben:Denn wo kämen wir denn da hin, wenn Bürger nicht alles stehen und liegen würden, weil die Polizei gerade wegen irgend einer Bagatelle mit ihnen sprechen will?
Es geht Dir also weniger um den Schutz von Rechten der Beschuldigten und Zeugen als vielmehr um die Akzeptanz eines - möglicherweise verbreiteten - Unwillens, seine Zeugenpflichten zu erfüllen? :-O
Nein. Ich wollte eher darauf hinaus, dass es der Polizei in diesen Fällen häufig nicht um die Bedeutung des Zeugen für die Ermittlungen geht, sondern alleine um die Empörung über die Weigerung des Zeugen, der Vorladung nachzukommen. Unabhängig von dessen Beweggründen. Finde ich auch nachvollziehbar, würde mich als Polizist auch frustrieren.
thh hat geschrieben:[enigma] hat geschrieben:Es geht hier auch nicht um Fälle, in denen Kinder durch einen Raser angefahren wurden. In solchen Fällen wird die Vernehmung doch ohnehin durch StA oder Gericht vorgenommen
Äh - nein, natürlich nicht?! - Selbst bei vorsätzlichen Tötungsdelikten ist die polizeiliche Vernehmung der Regelfall. Bei Körperverletzungsdelikten im Straßenverkehr käme niemand im Traum auf die Idee, eine staatsanwaltschaftliche oder richterliche Vernehmung durchzuführen. Warum auch?!
Wenn sich der Zeuge weigert, der polizeilichen Vorladung nachzukommen, wird bei erheblichen Unfällen doch natürlich die staatsanwaltliche Vernehmung angeordnet, spätestens im Hauptverfahren wird der Zeuge dann Angaben machen müssen. Da gibt es dann natürlich kein schützenswertes Interesse daran, gar nicht auszusagen.