Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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[enigma]
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:
Natürlich ist eine solche Einwilligung denkbar und kommt ggf. auch vor. Nur sind die Umstände, aus denen der 3. Strafsenat ableiten möchte, dass der Angeklagte sich hier eine solche Einwilligung vorstellen konnte, gänzlich absurd.
Vielleicht lag es für den Angeklagten angesichts der vom Tatgericht festgestellten Umstände (Komplimente der Geschädigten, Einladung ins Bett, vorherige Sexualkontakte) nahe, dass es zu einvernehmlichen Sex kommt. Das tat es aber nicht. Es ist nun gänzlich abenteuerlich, aus diesen Umständen abzuleiten, dass es nahelag, dass der Angeklagte meinte, die Geschädigte habe nichts dagegen, dass er mit ihr Geschlechtsverkehr hat während sie schläft (!).
Du vergisst aber die Einlassung des Angeklagten, er dachte die Angeklagte sei zumindest zu Beginn wach und mache mit, mit der sich das Tatgericht wohl nicht auseinandergesetzt hat, insbesondere die Behauptung, sie sei beim Herunterziehen der Hose wach gewesen. Dies könnte einen Tatbestandsirrtum begründen, mit dem sich das Tatgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt hat. Im übrigen sind die Argumente, mit denen in der Vorinstanz eine Einwilligung des Opfers abgelehnt wurde (Beziehung seit längerem zwar innig, aber platonisch) mindestens ebenso absurd. Denn nach den Feststellungen zum aufreizenden Antanzen, den "geil" Kommentaren zum unbekleideten Oberkörper etc. liegt es zumindest nicht fern, dass der Angeklagte dies als sexuelles Interesse interpretieren konnte. Wenn er dann "anfängt" und sie zumindest zu Beginn noch wach ist und sich nicht wehrt und dann einschläft, besteht für den Angeklagten doch kein Grund vom Fehlen der Einwilligung auszugehen. Für eine Verurteilung müsste ein vorgebrachter und nicht völlig abwegiger Tatbestandsirrtum jedenfalls ausgeschlossen werden, das ist aber nicht geschehen.
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JS
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von JS »

Swann hat geschrieben:
JS hat geschrieben: Dort geht es nur darum, dass der Sexualpartner objektiv geschlafen hat, nicht um die subjektive Sicht des Angeklagten.
Nein, tut es nicht. Tolle lege:

"Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen wäre des Weiteren eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich gewesen, ob der Angeklagte möglicherweise irrig von einer Einwilligung der Zeugin in den Geschlechtsverkehr ausgegangen war."

(BGH, a.a.O., Tz. 2, Hervorhebung von mir).
Ich bin jetzt den Rechtsprechungsnachweisen gefolgt bin. Es ist doch so gemeint, wie du es verstanden hast.

Ändert wie gesagt nichts an meiner Zustimmung zum BGH.
Zuletzt geändert von JS am Dienstag 18. Februar 2014, 15:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Swann
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

[enigma] hat geschrieben: Du vergisst aber die Einlassung des Angeklagten, er dachte die Angeklagte sei zumindest zu Beginn wach und mache mit, mit der sich das Tatgericht wohl nicht auseinandergesetzt hat, insbesondere die Behauptung, sie sei beim Herunterziehen der Hose wach gewesen. Dies könnte einen Tatbestandsirrtum begründen, mit dem sich das Tatgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt hat.
Nein, das vergesse ich nicht, diesen Aspekt habe ich von meiner Kritik ausgenommen. Wenn du dir den Beschluss anschaust, dann ist nach Auffassung des GBA, der der Senat beigetreten ist, die weitere Begründung, die ich angegriffen habe, auch unabhängig von diesem angeblichen Rechtsfehler.
Im übrigen sind die Argumente, mit denen in der Vorinstanz eine Einwilligung des Opfers abgelehnt wurde (Beziehung seit längerem zwar innig, aber platonisch) mindestens ebenso absurd. Denn nach den Feststellungen zum aufreizenden Antanzen, den "geil" Kommentaren zum unbekleideten Oberkörper etc. liegt es zumindest nicht fern, dass der Angeklagte dies als sexuelles Interesse interpretieren konnte. Wenn er dann "anfängt" und sie zumindest zu Beginn noch wach ist und sich nicht wehrt und dann einschläft, besteht für den Angeklagten doch kein Grund vom Fehlen der Einwilligung auszugehen. Für eine Verurteilung müsste ein vorgebrachter und nicht völlig abwegiger Tatbestandsirrtum jedenfalls ausgeschlossen werden, das ist aber nicht geschehen.
Wenn man - wie du - der Auffassung ist, dass mutmaßliches sexuelles Interesse auch zugleich eine Einwilligung zu sexuellen Handlungen während man schläft enthält, dann ist deine Auffassung folgerichtig. Wenn man - wie ich - das als hanebüchenen Schwachsinn ablehnt, dann ist ein Tatbestandsirrtum vollkommen abwegig.
Daher auch mein anfänglicher Rat: wenn man nicht allein einschläft, muss man klarmachen, dass man ungern während des Schlafes beschlafen werden möchte, denn für Menschen wie dich oder die Richter des 3. Strafsenats sind Schlafende Freiwild, sofern sie irgendwann zuvor einmal sexuelles Interesse signalisiert haben.
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JS
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von JS »

Parabellum hat geschrieben:
JS hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:Dann musst du den Beschluss noch einmal lesen und zwar die Ausführungen des GBA zu 2., denen der Senat beigetreten ist. Dort behauptet der GBA, eine Fehlvorstellung des Angeklagten, die Geschädigte habe in die sexuellen Handlungen während ihres Schlafes (!) eingewilligt, sei nicht fernliegend, u.a. weil sie sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten nicht unmissverständlich abgelehnt habe (als sie noch wach war).
Dort geht es nur darum, dass der Sexualpartner objektiv geschlafen hat, nicht um die subjektive Sicht des Angeklagten.

Abgesehen davon sehe ich allerdings durchaus auch die Möglichkeit, unter gewissen Umständen eine Einwilligung anzunehmen, wenn der "Täter" weiß, dass das "Opfer" schläft. Das ist eine gar nicht so seltene Fantasie von Frauen und Männern.
#-o

Jetzt ist das Feld hinreichend für einige so saftige wie unvertretbare Ausführungen von Ara bereitet.
Du weißt aber schon, dass das auch die Linie des BGH ist?
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

Sollte das Tatgericht übrigens erneut zu einer Verurteilung gelangen (eher unwahrscheinlich), so wird es bei der Strafzumessung zu bedenken haben, dass dieser junge Kroate in das Mädchen vernarrt war und nur das durchgesetzt hat, was er sich als Mann schuldig war (vgl. BGH MDR 1963, 62).
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Parabellum »

JS hat geschrieben:
Parabellum hat geschrieben:
JS hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:Dann musst du den Beschluss noch einmal lesen und zwar die Ausführungen des GBA zu 2., denen der Senat beigetreten ist. Dort behauptet der GBA, eine Fehlvorstellung des Angeklagten, die Geschädigte habe in die sexuellen Handlungen während ihres Schlafes (!) eingewilligt, sei nicht fernliegend, u.a. weil sie sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten nicht unmissverständlich abgelehnt habe (als sie noch wach war).
Dort geht es nur darum, dass der Sexualpartner objektiv geschlafen hat, nicht um die subjektive Sicht des Angeklagten.

Abgesehen davon sehe ich allerdings durchaus auch die Möglichkeit, unter gewissen Umständen eine Einwilligung anzunehmen, wenn der "Täter" weiß, dass das "Opfer" schläft. Das ist eine gar nicht so seltene Fantasie von Frauen und Männern.
#-o

Jetzt ist das Feld hinreichend für einige so saftige wie unvertretbare Ausführungen von Ara bereitet.
Du weißt aber schon, dass das auch die Linie des BGH ist?
Ja. Ich teile insofern die Einschätzung von Swann.
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:
Wenn man - wie du - der Auffassung ist, dass mutmaßliches sexuelles Interesse auch zugleich eine Einwilligung zu sexuellen Handlungen während man schläft enthält, dann ist deine Auffassung folgerichtig. Wenn man - wie ich - das als hanebüchenen Schwachsinn ablehnt, dann ist ein Tatbestandsirrtum vollkommen abwegig.
Daher auch mein anfänglicher Rat: wenn man nicht allein einschläft, muss man klarmachen, dass man ungern während des Schlafes beschlafen werden möchte, denn für Menschen wie dich oder die Richter des 3. Strafsenats sind Schlafende Freiwild, sofern sie irgendwann zuvor einmal sexuelles Interesse signalisiert haben.
Das sehe ich wie gesagt nicht so. Eher: Wenn man im Vorfeld einer Person sexuelle Avancen macht, dann mit dieser Person im selben Bett schläft, sich gegen das Entkleiden durch diese Person nicht wehrt und diese zumindest duldet, sollte man vor dem Einschlafen tunlichst klarstellen, dass der Geschlechtsverkehr nicht erwünscht ist. Sonst kommt es schnell zu der Situation, dass der Täter ohne Vorsatz handelt und deshalb straflos ist. Deine Behauptung, ich würde bereits das Schlafen in Anwesenheit anderer Personen als solches als mutmaßliche Einwilligung werten, kann ich nicht nachvollziehen, das ist nicht meine Auffassung und entspricht nicht meiner Argumentation. Im Übrigen ist es auch nicht die Argumentation des BGH.

Du hast ja bereits gesagt, dass du eine Einwilligung in den Geschlechtsverkehr während des Schlafes prinzipiell für möglich hältst. Muss diese Einwilligung deiner Meinung nach stets ausdrücklich geäußert werden, oder kann das auch konkludent geschehen? Falls ja, entstehen selbstverständlich Spielräume für Missverständnisse und damit Tatbestandsirrtümer. Ob diese zu Lasten des Täters gehen müssen, ist eine Frage des Einzelfalls.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

[enigma] hat geschrieben: Das sehe ich wie gesagt nicht so. Eher: Wenn man im Vorfeld einer Person sexuelle Avancen macht, dann mit dieser Person im selben Bett schläft, sich gegen das Entkleiden durch diese Person nicht wehrt und diese zumindest duldet, sollte man vor dem Einschlafen tunlichst klarstellen, dass der Geschlechtsverkehr nicht erwünscht ist. Sonst kommt es schnell zu der Situation, dass der Täter ohne Vorsatz handelt und deshalb straflos ist.
Wenn man den Konsens beim Sex nicht zu hoch hängt, dann kann man offenbar so denken. Ich tue das nicht. Ich gehe davon aus, dass es sich völlig von selbst versteht, dass man während man schläft keine sexuellen Handlungen wünscht, es sei denn man äußert sich konkret in die gegenteilige Richtung.
Du hast ja bereits gesagt, dass du eine Einwilligung in den Geschlechtsverkehr während des Schlafes prinzipiell für möglich hältst. Muss diese Einwilligung deiner Meinung nach stets ausdrücklich geäußert werden, oder kann das auch konkludent geschehen? Falls ja, entstehen selbstverständlich Spielräume für Missverständnisse und damit Tatbestandsirrtümer. Ob diese zu Lasten des Täters gehen müssen, ist eine Frage des Einzelfalls.
Natürlich kann die Einwilligung auch konkludent geäußert werden. Nur kann man aus Umständen, die in die Richtung gehen, dass man u.U. konsensualen Sex zu einem späteren Zeitpunkt wünscht, nicht folgern, dass man mit Sex während des Schlafes einverstanden ist.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:
Wenn man den Konsens beim Sex nicht zu hoch hängt, dann kann man offenbar so denken. Ich tue das nicht. Ich gehe davon aus, dass es sich völlig von selbst versteht, dass man während man schläft keine sexuellen Handlungen wünscht, es sei denn man äußert sich konkret in die gegenteilige Richtung.
Wie kommst du darauf, dass ich "den Konsens beim Sex nicht hoch hänge"? Selbstverständlich ist der Konsens das einzige und wichtige Abgrenzungsmerkmal zwischen legalem Sex und Missbrauch bzw. Vergewaltigung. Selbstverständlich verbietet es sich, sexuelle Handlungen an Schlafenden vorzunehmen, ohne konkreten Anlass dafür zu haben, von einer Einwilligung auszugehen. Es ist schon merkwürdig, dass du mich mit deinen Vorwürfen dazu zwingst, überhaupt ein Bekenntnis zu solchen Selbstverständlichkeiten abzugeben.

Hier geht es aber darum, dass es durchaus Situationen gibt, in denen der Täter von einer konkludenten Einwilligung ausgehen kann und darf. Es geht also nicht um das Erfordernis eines Konsens, sondern um dessen Erkennbarkeit. Eine wache Person, die sexuelle Handlungen passiv duldet, sich innerlich die Ablehnung vorbehält, diese aber nicht äußert, wird auch nicht vergewaltigt, obwohl faktisch kein Einvernehmen vorliegt. Wenn der Angeklagte nun solche Umstände vorträgt, die dafür sprechen, dass er einen entgegenstehenden Willen nicht erkennen konnte, muss das Gericht sich damit auseinandersetzen und einen Tatbestandsirrtum zweifelsfrei ausschließen. Ansonsten ist freizusprechen. Einen Automatismus wie "Sex mit Schlafenden ist immer sexueller Missbrauch" gibt es jedenfalls nicht, ebensowenig wie "Schlaf ist immer eine Einladung zum Sex".
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von julée »

Aber die Frage ist ja, ob die Behauptung, er habe an eine Einwilligung geglaubt, nachvollziehbar ist - unter der Voraussetzung, dass er sehr wohl erkannt hat, dass sie bereits geschlafen hat:

Festzustellen ist zunächst, dass sich der allgemeine Geschehensrahmen (gemeinsamer Diskobesuch, Übernachten in einem Bett, "inniges Verhältnis zueinander") nicht von dem abhob, was zwischen den beiden "üblich" war.
Dann hat sie ihn in der Disko, wohl in leicht angeheitertem Zustand, angeflirtet (ob das noch im Rahmen des "Üblichen" lag, ergibt sich m. E. nicht aus den Feststellungen). In irgendwelche konkreten Handlungen, aus denen er schließen konnte, dass sie die seit Jahren erloschene sexuelle Beziehung wieder aufnehmen wollte, mündete das aber nicht. Vielmehr tippte sie noch ein bisschen auf ihrem Handy rum und legte sich dann mit dem Rücken zu ihm ins Bett zum Schlafen hin. Dann ist aber die Annahme, dass das in der Disko angedeutete Interesse noch fortdauert und sogar im Schlaf gelten soll, eher fernliegend bis absurd.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

julée hat geschrieben:Aber die Frage ist ja, ob die Behauptung, er habe an eine Einwilligung geglaubt, nachvollziehbar ist - unter der Voraussetzung, dass er sehr wohl erkannt hat, dass sie bereits geschlafen hat:

Festzustellen ist zunächst, dass sich der allgemeine Geschehensrahmen (gemeinsamer Diskobesuch, Übernachten in einem Bett, "inniges Verhältnis zueinander") nicht von dem abhob, was zwischen den beiden "üblich" war.
Dann hat sie ihn in der Disko, wohl in leicht angeheitertem Zustand, angeflirtet (ob das noch im Rahmen des "Üblichen" lag, ergibt sich m. E. nicht aus den Feststellungen). In irgendwelche konkreten Handlungen, aus denen er schließen konnte, dass sie die seit Jahren erloschene sexuelle Beziehung wieder aufnehmen wollte, mündete das aber nicht. Vielmehr tippte sie noch ein bisschen auf ihrem Handy rum und legte sich dann mit dem Rücken zu ihm ins Bett zum Schlafen hin. Dann ist aber die Annahme, dass das in der Disko angedeutete Interesse noch fortdauert und sogar im Schlaf gelten soll, eher fernliegend bis absurd.
Selbstverständlich. Allerdings behauptete der Angeklagte, sie habe sich seinen eindeutigen Annäherungsversuchen im Bett nicht widersetzt und insbesondere das Ausziehen der Hose geduldet. Das Tatgericht hielt das wohl für unbeachtlich, weil das Opfer dann einschlief und deshalb aus Tätersicht keine Einwilligung vorliegen könne. Das lehnt der BGH ab, vielmehr hätte sich das Gericht mit einem möglichen Irrtum des Angeklagten, das Opfer sei mit dem Sex während des Schlafes einverstanden gewesen, auseinandersetzen müssen. Ob der Irrtum dann vorlag oder nicht, kommt natürlich extrem auf die Umstände des Einzelfalls an. Den Irrtum kategorisch auszuschließen, wenn das Opfer schläft, ohne das Vorverhalten als mögliche (!) konkludente Einwilligung zu berücksichtigenm, finde ich aber nicht richtig.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

[enigma] hat geschrieben:Den Irrtum kategorisch auszuschließen, wenn das Opfer schläft, ohne das Vorverhalten als mögliche (!) konkludente Einwilligung zu berücksichtigenm, finde ich aber nicht richtig.
Und ich verstehe beim besten Willen nicht warum. Es übersteigt mein Verständnis, dass man aus Anzeichen für sexuelles Interesse eine Einwilligung in sexuelle Handlungen während des Schlafes (!) ableiten können soll. Wenn du eine Frau/einen Mann nach einer Partynacht in der Erwartung sexueller Handlungen mit nach Hause nimmst und er/sie dann einschläft - denkst du dann: er/sie wird bestimmt nichts dagegen haben, wenn ich trotzdem Sex mit ihm/ihr habe?
Ich finde das völlig lebensfremd und ehrlich gesagt auch ziemlich abstoßend.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Den Irrtum kategorisch auszuschließen, wenn das Opfer schläft, ohne das Vorverhalten als mögliche (!) konkludente Einwilligung zu berücksichtigenm, finde ich aber nicht richtig.
Und ich verstehe beim besten Willen nicht warum. Es übersteigt mein Verständnis, dass man aus Anzeichen für sexuelles Interesse eine Einwilligung in sexuelle Handlungen während des Schlafes (!) ableiten können soll. Wenn du eine Frau/einen Mann nach einer Partynacht in der Erwartung sexueller Handlungen mit nach Hause nimmst und er/sie dann einschläft - denkst du dann: er/sie wird bestimmt nichts dagegen haben, wenn ich trotzdem Sex mit ihm/ihr habe?
Ich finde das völlig lebensfremd und ehrlich gesagt auch ziemlich abstoßend.
Es kommt eben auf den Einzelfall an. Ich würde mit einer schlafenden Personen schon keinen Sex haben wollen, weil ich mir das doch eher langweilig vorstelle. Wenn es aber eindeutige Handlungen im Vorfeld (und ich beziehe mich hier weniger auf das Geschehen in der Disco als vielmehr das Geschehen im Bett) gibt, dann erscheint es nicht völlig abwegig, zumindest einen Irrtum bezüglich der Einwilligung für möglich zu halten. Wer den Anschein einer Einwilligung beim Täter setzt, muss diese dann eben auch deutlich widerrufen. Ob das im konkreten Fall so war, kann ich ohne nähere Einzelheiten nicht beurteilen. Aber die Argumentation des Vorgerichts, Sex im Schlaf sei nie einvernehmlich finde ich wie gesagt falsch.

Würdest du es auch für strafbar halten, wenn das Opfer während des bereits einvernehmlich begonnenen Beischlafs einschläft, der Täter dies erkennt und weiter macht?
Zuletzt geändert von [enigma] am Dienstag 18. Februar 2014, 17:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von JS »

Swann hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Den Irrtum kategorisch auszuschließen, wenn das Opfer schläft, ohne das Vorverhalten als mögliche (!) konkludente Einwilligung zu berücksichtigenm, finde ich aber nicht richtig.
Und ich verstehe beim besten Willen nicht warum. Es übersteigt mein Verständnis, dass man aus Anzeichen für sexuelles Interesse eine Einwilligung in sexuelle Handlungen während des Schlafes (!) ableiten können soll. Wenn du eine Frau/einen Mann nach einer Partynacht in der Erwartung sexueller Handlungen mit nach Hause nimmst und er/sie dann einschläft - denkst du dann: er/sie wird bestimmt nichts dagegen haben, wenn ich trotzdem Sex mit ihm/ihr habe?
Ich finde das völlig lebensfremd und ehrlich gesagt auch ziemlich abstoßend.
Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Lebensfremd ist das nicht generell. Es muss ja nicht unbedingt Beischlaf sein, aber du kannst davon ausgehen, dass irgendwie geartete sexuelle Handlungen in solchen Konstellationen sehr oft vorkommen.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Scaevola »

[enigma] hat geschrieben:
Würdest du es auch für strafbar halten, wenn das Opfer während des bereits einvernehmlich begonnenen Beischlafs einschläft, der Täter dies erkennt und weiter macht?
Gerade hier müsste doch die "Durchsetzen-was-man-sich-als-Mann-schuldig-ist-Doktrin" des BGH greifen...
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