Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

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Parabellum
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Parabellum »

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/drohbrief-an-peer-steinbrueck-ermittlungen-gegen-autor-eingestellt-a-933205.html hat geschrieben:Der Verfasser des Drohbriefes an den damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück und seine Frau Gertrud muss keine juristischen Konsequenzen fürchten. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der versuchten Nötigung eingestellt, gab Behördensprecher Friedrich Apostel am Dienstag bekannt. Es habe keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten gegeben.

[...]

Staatsanwaltssprecher Apostel sagte jedoch, eine ausdrückliche Drohung habe dem Schreiben nicht entnommen werden können. Die genannte Frist für einen Rückzug Steinbrücks bis zum 10. September sei kein ausreichender Beleg für "eine Drohung mit einem empfindlichen Übel".
Ist das so? Strafrechtler vor! :D
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[enigma]
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Hier das empfindliche Übel (Veröffentlichung der Details über Steinbrücks Ex-Putze) abzulehnen, kann ich nicht nachvollziehen. Nach hM reicht es doch aus, wenn der Genötigte das angedrohte Verhalten als Übel empfindet, was bei einem im Wahlkampf stehenden Politiker der Fall sein dürfte. Ist wohl eher eine Frage der Verwerflichkeit. Und selbst die würde ich hier eindeutig bejahen, immerhin widerspricht die Einflussnahme auf Politiker durch Drohungen in einer Demokratie so ziemlich allen Werten und Anstandsgefühlen ;) Was die Frist im Schreiben mit der Ablehnung des Tatbestandsmerkmals empfindliches Übel zu tun haben soll, verstehe ich nicht. Wie viele verschiedene Formulierungen kann es denn geben, mit denen man Steinbrück im selben Brief mitteilt, dass man im Besitz heikler Details ist und ihn gleichzeitig zum Rücktritt auffordert, ohne dass das als eindeutige Drohung rüberkommt? :-k Wäre vielleicht alles eindeutiger, wenn man den genauen Wortlaut kennen würde.
Zuletzt geändert von [enigma] am Mittwoch 13. November 2013, 10:27, insgesamt 1-mal geändert.
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sai
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von sai »

"Staatsanwaltssprecher Apostel sagte jedoch, eine ausdrückliche Drohung habe dem Schreiben nicht entnommen werden können. Die genannte Frist für einen Rückzug Steinbrücks bis zum 10. September sei kein ausreichender Beleg für "eine Drohung mit einem empfindlichen Übel"."
Eine ausdrückliche Drohung muss auch gar nicht enthalten sein. Komische Begründung.
julée
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von julée »

Würde es als Begründung für die Straflosigkeit nicht ausreichen zu sagen, dass noch gar kein Versuch vorlag, da der Brief ja versehentlich in die Post gekommen ist? Das Schreiben des Briefs war ja nur eine Vorbereitungshandlung und die entscheidene Handlung (zur Post bringen) ist ja nicht mit Willen des Täters geschehen, sondern durch ein Versehen.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von T203004 »

Das ist doch eine unglaubhafte Schutzbehauptung.
julée
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von julée »

T203004 hat geschrieben:Das ist doch eine unglaubhafte Schutzbehauptung.
Es schiene mir allerdings auf den ersten Blick plausibler, diese "Geschichte" für ausnahmsweise glaubhaft zu erklären als eine "ausdrückliche Drohung" zu verneinen.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Ich erlaube mir folgenden Querverweis auf:

http://forum.jurawelt.com/viewtopic.php ... 64#p651764

Ist jedenfalls "strafrechtsnah".
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

Parabellum hat geschrieben:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/drohbrief-an-peer-steinbrueck-ermittlungen-gegen-autor-eingestellt-a-933205.html hat geschrieben:Der Verfasser des Drohbriefes an den damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück und seine Frau Gertrud muss keine juristischen Konsequenzen fürchten. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der versuchten Nötigung eingestellt, gab Behördensprecher Friedrich Apostel am Dienstag bekannt. Es habe keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten gegeben.

[...]

Staatsanwaltssprecher Apostel sagte jedoch, eine ausdrückliche Drohung habe dem Schreiben nicht entnommen werden können. Die genannte Frist für einen Rückzug Steinbrücks bis zum 10. September sei kein ausreichender Beleg für "eine Drohung mit einem empfindlichen Übel".
Ist das so? Strafrechtler vor! :D
Auf der Grundlage des Spiegelberichts ist die Wertung, eine Drohung sei dem Brief nicht entnehmbar, nicht nachvollziehbar. Allerdings würde ich mich nicht trauen, den Sachverhalt nur auf der Grundlage eines SpOn-Berichts zu beurteilen. Man müsste die Einstellungsverfügung kennen. Leider wird Steinbrück ja nicht den Weg der Klageerzwingung gehen ...
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Ant-Man »

Laut RÜ 12/2013, S. 789 stimmen die übrigen Strafsenate der Ansicht des 3. Strafsenats zu und geben ihre entgegenstehende Rechtsprechung, nach der die Tathandlung des Absetzens in § 259 I BGB keinen Absatzerfolg erfordert, auf. Hingegen halten sie an ihrer bisherigen Rechtsprechung hinsichtlich der Tathandlung des "absetzen hilft" in § 259 I StGB weiterhin fest.

Somit ist heute nahezu einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Tathandlung des "Absetzens" einen Absatzerfolg erfordert.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Pillendreher »

Ui, das werde ich mir für die nächste Strafrechts-Klausur merken. Wie zeitig wird denn solch eine Rechtsprechungsänderung normalerweise in universitäre Prüfungen eingebaut?
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Zippocat »

Ich halte die Entscheidung für aktuell sehr prüfungsrelevant. Veränderungen der Auslegung eines TB-Merkmals im Kernstrafrecht, noch dazu auf die lange vertretene Linie der h. L., sind nicht ja nicht so häufig. Zudem finden sich in der Argumentation des 3. Senats diverse schöne Anknüpfungspunkte für (mündliche) Prüfungen (rechtshistorische Erwägungen, Täterschaft/Teilnahme/Vortäter, Wortlautauslegung, Telos usw) für obere Punktbereiche.

Der Anfragebeschluss des BGH wurde auch in JA, JuS und NStZ bereits besprochen, so dass es sich auch um eine einigermaßen bekannte Entwicklung handelt.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Pillendreher »

Ich muss endlich mal damit anfangen, meine JuS Ausgaben zu lesen. Im Moment nutze ich nur die Datenbanken für Klausuren :-w
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Zippocat »

Leitsatzentscheidung vom BGH zur Verständigung im Strafverfahren: 2 StR 267/13
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Riven
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Riven »

Hallo,
ich habe kürzlich gelesen, dass der BGH an seiner Hemmschwellentheorie wohl nicht mehr festhalten würde. Ich kann dazu aber spontan nichts finden, einen Zugriff auf Datenbanken habe ich von Zuhause aus nicht. Könnte jemand vielleicht grade einen Link auf eine in dem Zusammenhang relevante Entscheidung oder einen Aufsatz posten?
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Zippocat
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Zippocat »

Riven hat geschrieben:Hallo,
ich habe kürzlich gelesen, dass der BGH an seiner Hemmschwellentheorie wohl nicht mehr festhalten würde. Ich kann dazu aber spontan nichts finden, einen Zugriff auf Datenbanken habe ich von Zuhause aus nicht. Könnte jemand vielleicht grade einen Link auf eine in dem Zusammenhang relevante Entscheidung oder einen Aufsatz posten?
BGH, 22.03.2012 - 4 StR 558/11, dort cc)
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