Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Ant-Man
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Ant-Man »

Ant-Man hat geschrieben:Auch interessant:

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/a ... 23059.html
In der JuS 2014, S. 176 bis 178 wird das Urteil besprochen. Man kann die Besprechung - wie der Autor es tut (Jahn, JuS 2014, S. 176 (178) - folgendermaßen zusammenfassen: "Das Urteil ist falsch.". :D
Swann
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

Der 2. Strafsenat will ausweislich einer LTO-Meldung nicht mehr wahldeutig verurteilen. Er hat Bedenken wegen des Analogieverbots.

http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/b ... idrigkeit/
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schlemil
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von schlemil »

Wenn man zumindest eindeutig aus Unterschlagung verurteilen könnte, könnte Wahlfeststellung schon nach deren eigenen weihin verlangten Regeln zweifelhaft sein. Danach darf nämlich wohl eine eindeutige Verurteilung nicht möglich sein. Zumindest eine Zueignungsmanifestation scheint doch allerdings gesichert. Zweifelhaft bleibt wohl nur, ob darüber hinaus auch noch Diebstahl oder Unterschlagung vorliegt, was nach teilweise vertretener Ansicht Unterschlagung wohl wieder ausschließen würde. Die Frage wäre dann, ob jeweils zu Gunsten des möglichen Täters angenommen werden müsste, dass Diebstahl und Hehlerei nicht sicher feststellbar, aber auch nicht ausschliessbar sind. Nur danach könnte eine Verurteilung wegen Unterschlagung u.U. noch unsicher sein, was jedoch eventuell Präpendenz-/Postpendenzfrage o.ä. sein könnte.
Der, die, das - wer, wie, was - wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm!
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Zippocat
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Zippocat »

Die absehbare Leitsatzentscheidung zur Hehlerei: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... 17&anz=541
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

Wenn man den jüngst ergangenen Beschluss des 3. Strafsenats vom 8. Januar 2014 (3 StR 416/13) liest, dann kann man nur jedem raten, sich vor dem Schlafengehen zu vergewissern, dass alle in der Nähe befindlichen Personen wissen, dass man nicht während des Schlafes sexuell bedrängt werden möchte.
Ansonsten, so der 3. Strafsenat und der Generalbundesanwalt, liegt es nämlich nahe, dass sich die Fehlvorstellung entwickelt, man wolle gerne während des Schlafes missbraucht werden.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... 13&anz=541

Diese Entscheidung erinnert an die Rechtsfigur der vis haud ingrata aus den dunkelsten Zeiten der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Reichsgerichts zur Vergewaltigung.
julée
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von julée »

Swann hat geschrieben:Wenn man den jüngst ergangenen Beschluss des 3. Strafsenats vom 8. Januar 2014 (3 StR 416/13) liest, dann kann man nur jedem raten, sich vor dem Schlafengehen zu vergewissern, dass alle in der Nähe befindlichen Personen wissen, dass man nicht während des Schlafes sexuell bedrängt werden möchte.
Ansonsten, so der 3. Strafsenat und der Generalbundesanwalt, liegt es nämlich nahe, dass sich die Fehlvorstellung entwickelt, man wolle gerne während des Schlafes missbraucht werden.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... 13&anz=541

Diese Entscheidung erinnert an die Rechtsfigur der vis haud ingrata aus den dunkelsten Zeiten der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Reichsgerichts zur Vergewaltigung.
In der Tat, eine befremdliche Entscheidung. Wir lernen auch: Vor dem Schlafengehen bloß nicht noch Nachrichten übers Handy verschicken und wer einen Ex-Ex-Freund bei sich im gleichen Bett übernachten lässt, ist ohnehin selbst schuld.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
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JS
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von JS »

julée hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:Wenn man den jüngst ergangenen Beschluss des 3. Strafsenats vom 8. Januar 2014 (3 StR 416/13) liest, dann kann man nur jedem raten, sich vor dem Schlafengehen zu vergewissern, dass alle in der Nähe befindlichen Personen wissen, dass man nicht während des Schlafes sexuell bedrängt werden möchte.
Ansonsten, so der 3. Strafsenat und der Generalbundesanwalt, liegt es nämlich nahe, dass sich die Fehlvorstellung entwickelt, man wolle gerne während des Schlafes missbraucht werden.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... 13&anz=541

Diese Entscheidung erinnert an die Rechtsfigur der vis haud ingrata aus den dunkelsten Zeiten der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Reichsgerichts zur Vergewaltigung.
In der Tat, eine befremdliche Entscheidung. Wir lernen auch: Vor dem Schlafengehen bloß nicht noch Nachrichten übers Handy verschicken und wer einen Ex-Ex-Freund bei sich im gleichen Bett übernachten lässt, ist ohnehin selbst schuld.
Es geht um die subjektive Sicht, die der Angeklagte hatte und haben konnte. Ich finde die Argumentation überzeugend.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

JS hat geschrieben: Es geht um die subjektive Sicht, die der Angeklagte hatte und haben konnte. Ich finde die Argumentation überzeugend.
Das fanden der 3. Strafsenat und der GBA ja auch. Vielleicht bin ich ja anders sozialisiert worden, aber ich habe Schlaf noch nie als Einladung zu sexuellen Handlungen wahrgenommen.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:
JS hat geschrieben: Es geht um die subjektive Sicht, die der Angeklagte hatte und haben konnte. Ich finde die Argumentation überzeugend.
Das fanden der 3. Strafsenat und der GBA ja auch. Vielleicht bin ich ja anders sozialisiert worden, aber ich habe Schlaf noch nie als Einladung zu sexuellen Handlungen wahrgenommen.
Aber genau das tat der Angeklagte doch auch nicht, weil er den Feststellungen des Tatgerichts den Schlaf gar nicht wahrgenommen hat und diese Wahrnehmung wohl auch nicht vermeidbar war. Wenn der Angeklagte davon ausgehen durfte, dass das Opfer wach und willig sei (ist natürlich ne Frage der Tatumstände, das Tatgericht scheint das aber jedenfalls aufgrund der Sachlage so festgestellt, wenn auch rechtlich anders bewertet zu haben), spricht mE nicht viel für die Annahme eines Vorsatzes und damit eine Verurteilung. Die Argumentation, Schlaf sei eine Einladung zum Geschlechtsverkehr entnehme ich dem Beschluss jedenfalls nicht :-k
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

Dann musst du den Beschluss noch einmal lesen und zwar die Ausführungen des GBA zu 2., denen der Senat beigetreten ist. Dort behauptet der GBA, eine Fehlvorstellung des Angeklagten, die Geschädigte habe in die sexuellen Handlungen während ihres Schlafes (!) eingewilligt, sei nicht fernliegend, u.a. weil sie sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten nicht unmissverständlich abgelehnt habe (als sie noch wach war).
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JS
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von JS »

Swann hat geschrieben:Dann musst du den Beschluss noch einmal lesen und zwar die Ausführungen des GBA zu 2., denen der Senat beigetreten ist. Dort behauptet der GBA, eine Fehlvorstellung des Angeklagten, die Geschädigte habe in die sexuellen Handlungen während ihres Schlafes (!) eingewilligt, sei nicht fernliegend, u.a. weil sie sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten nicht unmissverständlich abgelehnt habe (als sie noch wach war).
Dort geht es nur darum, dass der Sexualpartner objektiv geschlafen hat, nicht um die subjektive Sicht des Angeklagten.

Abgesehen davon sehe ich allerdings durchaus auch die Möglichkeit, unter gewissen Umständen eine Einwilligung anzunehmen, wenn der "Täter" weiß, dass das "Opfer" schläft. Das ist eine gar nicht so seltene Fantasie von Frauen und Männern.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von [enigma] »

Swann hat geschrieben:Dann musst du den Beschluss noch einmal lesen und zwar die Ausführungen des GBA zu 2., denen der Senat beigetreten ist. Dort behauptet der GBA, eine Fehlvorstellung des Angeklagten, die Geschädigte habe in die sexuellen Handlungen während ihres Schlafes (!) eingewilligt, sei nicht fernliegend, u.a. weil sie sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten nicht unmissverständlich abgelehnt habe (als sie noch wach war).
Aber das ist doch wieder fast selbstverständlich. Denn der Angeklagte durfte nicht den Schlaf selbst als "Einladung" werten, sondern das Vorverhalten und die Tatumstände. Liegt eine Einwilligung vor, ist Geschlechtsverkehr während des Schlafes straflos. Durfte der Angeklagte vom Vorliegen einer Einwilligung ausgehen? Das ist der entscheidende Punkt. Und die Punkte, die der Senat dafür anführt, dass der Angeklagte das durfte (einvernehmliche Sexualkontakte in der Vergangenheit, noch immer sehr innige Beziehung, Aktivitäten des Opfers direkt vor dem Einschlafen) erscheinen mir jetzt nicht völlig fernliegend. Soweit das Tatgericht diese Möglichkeiten nicht völlig ausschließen kann, spricht zumindest der Zweifel für den Angeklagten.
Zuletzt geändert von [enigma] am Dienstag 18. Februar 2014, 15:01, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Parabellum »

JS hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:Dann musst du den Beschluss noch einmal lesen und zwar die Ausführungen des GBA zu 2., denen der Senat beigetreten ist. Dort behauptet der GBA, eine Fehlvorstellung des Angeklagten, die Geschädigte habe in die sexuellen Handlungen während ihres Schlafes (!) eingewilligt, sei nicht fernliegend, u.a. weil sie sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten nicht unmissverständlich abgelehnt habe (als sie noch wach war).
Dort geht es nur darum, dass der Sexualpartner objektiv geschlafen hat, nicht um die subjektive Sicht des Angeklagten.

Abgesehen davon sehe ich allerdings durchaus auch die Möglichkeit, unter gewissen Umständen eine Einwilligung anzunehmen, wenn der "Täter" weiß, dass das "Opfer" schläft. Das ist eine gar nicht so seltene Fantasie von Frauen und Männern.
#-o

Jetzt ist das Feld hinreichend für einige so saftige wie unvertretbare Ausführungen von Ara bereitet.
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

JS hat geschrieben: Dort geht es nur darum, dass der Sexualpartner objektiv geschlafen hat, nicht um die subjektive Sicht des Angeklagten.
Nein, tut es nicht. Tolle lege:

"Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen wäre des Weiteren eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich gewesen, ob der Angeklagte möglicherweise irrig von einer Einwilligung der Zeugin in den Geschlechtsverkehr ausgegangen war."

(BGH, a.a.O., Tz. 2, Hervorhebung von mir).
Abgesehen davon sehe ich allerdings durchaus auch die Möglichkeit, unter gewissen Umständen eine Einwilligung anzunehmen, wenn der "Täter" weiß, dass das "Opfer" schläft. Das ist eine gar nicht so seltene Fantasie von Frauen und Männern.
Natürlich ist eine solche Einwilligung denkbar und kommt ggf. auch vor. Nur sind die Umstände, aus denen der 3. Strafsenat ableiten möchte, dass der Angeklagte sich hier eine solche Einwilligung vorstellen konnte, gänzlich absurd.
Vielleicht lag es für den Angeklagten angesichts der vom Tatgericht festgestellten Umstände (Komplimente der Geschädigten, Einladung ins Bett, vorherige Sexualkontakte) nahe, dass es zu einvernehmlichen Sex kommt. Das tat es aber nicht. Es ist nun gänzlich abenteuerlich, aus diesen Umständen abzuleiten, dass es nahelag, dass der Angeklagte meinte, die Geschädigte habe nichts dagegen, dass er mit ihr Geschlechtsverkehr hat während sie schläft (!).
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Re: Aktuelles aus dem Strafrecht (reloaded)

Beitrag von Swann »

[enigma] hat geschrieben: Aber das ist doch wieder fast selbstverständlich. Denn der Angeklagte durfte nicht den Schlaf selbst als "Einladung" werten, sondern das Vorverhalten und die Tatumstände. Liegt eine Einwilligung vor, ist Geschlechtsverkehr während des Schlafes straflos. Durfte der Angeklagte vom Vorliegen einer Einwilligung ausgehen? Das ist der entscheidende Punkt. Und die Punkte, die der Senat dafür anführt, dass der Angeklagte das durfte (einvernehmliche Sexualkontakte in der Vergangenheit, noch immer sehr innige Beziehung, Aktivitäten des Opfers direkt vor dem Einschlafen) erscheinen mir jetzt nicht völlig fernliegend. Soweit das Tatgericht diese Möglichkeiten nicht völlig ausschließen kann, spricht zumindest der Zweifel für den Angeklagten.

Wie gesagt, ich stelle eine erheblich abweichende Sozialisierung zwischen dem 3. Strafsenat, dem GBA, JS und dir einerseits und mir andererseits fest. Ich denke, dass das Verhalten der Geschädigten dem Angeklagten zwar Anlass zur Hoffnung geben konnte, dass sie mit ihm im Laufe der Nacht noch (freiwillig) Sex haben wird, dass aber kein vernünftiger Mensch daraus ableiten konnte, dass sie ihm erlauben möchte, während ihres Schlafes mit ihr den Beischlaf zu vollziehen.

Offenbar fehlt mir das Zeug zum Bundesrichter/Bundesanwalt.
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