Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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StudiVader315226
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Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von StudiVader315226 »

Hi,
ich bin hier neu und studiere seit Okt. 14 Jura an der Uni Augsburg. Nun habe ich rasend schnell den AT und große Teile des BT, insb. die Nichtvermögensdelikte, durchgemacht und frage mich nun folgendes:

Was ist wohl der am "schwersten" zu verwirklichende Straftatbestand, d.h. welchen Tatbestand kann man so gut wie nicht verwirklichen? Ich würde 80 StGB oder so etwas wie 98 StGB ins Feld führen, denn ich kann mir momentan kaum vorstellen, wie es möglich wäre, diese zu verwirklichen. Auch beim 109d, 109f oder 109g fehlt mir noch die Vorstellung, worin eine Tathandlung bestehen könnte.

Eine andere Frage, die eine Bekannte mir mal gestellt hat, wäre die, wie man die höchste Gesamtstrafe zusammenbekäme... ich hatte dabei auf folgendes gesetzt: A raubt mit Todesfolge für einen Menschen (250, 251), mordet dann zur Verdeckung einer Straftat (=des Raubes; 211 mit Verwirklichung mindestens eines Mordmerkmals) und zündet, ebenfalls zur Verdeckung des Raubes, das Gebäude/den Tatort an. Dabei sterben weitere Menschen. Daher auch noch Verwirklichung des 306b, 306c.

Ist dies der richtige Weg zur Erreichung der höchsten Gesamtstrafe?

Erstens: Wie könnte hier der Obersatz lauten? Wäre es richtig, zu schreiben "A könnte sich wegen schweren Raubes mit Todesfolge, Mordes und besonders schwerer Brandstiftung mit Todesfolge nach §§250, 251, 211, 306b, 306c, 52 (oder 53?) strafbar gemacht haben, indem er..."?
Zweitens: Gäbe dies mehrmalige lebenslange Freiheitsstrafe, oder was wäre die Gesamtstrafe?
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famulus
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von famulus »

StudiVader315226 hat geschrieben:Was ist wohl der am "schwersten" zu verwirklichende Straftatbestand, d.h. welchen Tatbestand kann man so gut wie nicht verwirklichen?
§ 328 Abs. 2 Nr. 3 StGB?
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von StudiVader315226 »

famulus hat geschrieben:
StudiVader315226 hat geschrieben:Was ist wohl der am "schwersten" zu verwirklichende Straftatbestand, d.h. welchen Tatbestand kann man so gut wie nicht verwirklichen?
§ 328 Abs. 2 Nr. 3 StGB?
Oho... wirklich schwer zu verwirklichen. Interessant übrigens auch die (relativ) niedrige Strafdrohung (bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe? Also ein Vergehen!), bei der schweren Tat die man letztendlich verwirklichen kann. Und einen speziellen Tatbestand à la 306c kann ich nicht finden.

EDIT: Weitere Vorschläge zu oben sind natürlich willkommen!
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Tibor
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von Tibor »

Das Nebenstrafrecht bietet viel spannendere Taten:

§ 29 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 28 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Gesetzes zum Schutz vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungsdaten. Da muss man wohl schon James Bond Gegenspieler sein um hiernach bestraft zu werden...
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von StudiVader315226 »

Auch solche Vorschläge aus dem Nebenstrafrecht sind natürlich willkommen. Und §29/28 SatDSiG.... wirklich eine spannende Vorschrift! Wurde da mal jemand wegen verurteilt?
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von Swann »

Mangels Wehrpflicht wirst du dich schwertun, §§ 109 oder 109a StGB zu erfüllen.
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Re: AW: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von thh »

Tibor hat geschrieben:Das Nebenstrafrecht bietet viel spannendere Taten:

§ 29 Abs. 1 Nr. 2 iVm § 28 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Gesetzes zum Schutz vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungsdaten. Da muss man wohl schon James Bond Gegenspieler sein um hiernach bestraft zu werden...
Großartig. - Nicht unbedingt schwerer zu verwirklichen, aber das ESchG ist eine reiche Quelle eher skurril klingender Tatbestände wie "Missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken" oder "Chimären- und Hybridbildung" ...
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Re: AW: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von thh »

StudiVader315226 hat geschrieben: Zweitens: Gäbe dies mehrmalige lebenslange Freiheitsstrafe, oder was wäre die Gesamtstrafe?
Nicht mehr. Heutzutage ist die Gesamtstrafe aus lebenslanger Freiheitsstrafe und irgendeiner anderen Strafe - einschließlich lebenslanger Freiheitsstrafe - lebenslange Freiheitsstrafe; also recht unspannend.
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von Amtsschimmel »

Wenn Du Deutscher bist, wirst Du § 42 Staatsangehörigkeitsgesetz wohl nur schwer verwirklichen können:

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben zu wesentlichen Voraussetzungen der Einbürgerung macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Einbürgerung zu erschleichen.

Mir fiele angesichts der bei Einbürgerungen gängigen Behördenpraxis (Vorlage von Urkunden erforderlich) keine wirklich realistisch anmutende Möglichkeit ein, wie ein normaler deutscher Bürger diese Tatbestände erfüllen könnte.
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von Trente Steele82 »

Amtsschimmel hat geschrieben:Wenn Du Deutscher bist, wirst Du § 42 Staatsangehörigkeitsgesetz wohl nur schwer verwirklichen können:

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben zu wesentlichen Voraussetzungen der Einbürgerung macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Einbürgerung zu erschleichen.

Mir fiele angesichts der bei Einbürgerungen gängigen Behördenpraxis (Vorlage von Urkunden erforderlich) keine wirklich realistisch anmutende Möglichkeit ein, wie ein normaler deutscher Bürger diese Tatbestände erfüllen könnte.
Als "Teilnehmer"?*





*vielleicht auch nicht, wenn man aus irgendwelchen Gründen (Sonderdelikt oä) nicht teilnehmen kann - ich verzieh mich lieber wieder aus dem Strafrechtsforum...
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von Amtsschimmel »

Trente Steele82 hat geschrieben: Als "Teilnehmer"?*





*vielleicht auch nicht, wenn man aus irgendwelchen Gründen (Sonderdelikt oä) nicht teilnehmen kann - ich verzieh mich lieber wieder aus dem Strafrechtsforum...
Wie meinst Du das konkret als "Teilnehmer"? Ein Beispiel? Würde mich interessieren.

Als ich im Einbürgerungsamt gearbeitet habe, haben wir nur Ausländer deswegen angezeigt, weil sie beispielsweise im Antrag angegeben haben, dass sie nicht vorbestraft seien, bei der Anfrage an die entsprechenden Behörden aber rauskam, dass sie einiges auf dem Kerbholz hatten...
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von Swann »

Etwa ein Deutscher, der einem Einzubürgernden den Tipp gibt, die Vorstrafen nicht anzugeben.
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von StudiVader315226 »

Ich wärme diesen alten Faden nochmal auf, da ich eine Frage zu einem kaum beachteten - und vermutlich schwer zu erfüllenden - Straftatbestand habe:

Es geht um §353a StGB, den Arnim-Paragraphen.

Eine Tathandlung kann ich mir ja noch vorstellen, und die Erfüllung in der Variante "amtliches Ungehorsam" auch - der Diplomat befolgt einfach dienstliche Anweisungen nicht.

Aber wie kann eine Falschberichterstattung bei einem anderen Staat (zum Beispiel, wenn ein deutscher Diplomat die Höhe der deutschen Staatsschulden in Washington falsch angeben würde), die Bundesregierung irreleiten?
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von thh »

StudiVader315226 hat geschrieben:Aber wie kann eine Falschberichterstattung bei einem anderen Staat (zum Beispiel, wenn ein deutscher Diplomat die Höhe der deutschen Staatsschulden in Washington falsch angeben würde), die Bundesregierung irreleiten?
Wieso "bei einem anderen Staat"? Offensichtlich sind doch Berichte, die der Diplomat der Bundesregierung erstattet, gemeint - warum sollte ein deutscher Diplomat auch einer fremden Regierung Bericht erstatten?! Berichte richten sich an den eigenen Vorgesetzten, nicht an Dritte.
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Re: Zwei kuriose Strafrechtsfragen

Beitrag von StudiVader315226 »

thh hat geschrieben:
StudiVader315226 hat geschrieben:Aber wie kann eine Falschberichterstattung bei einem anderen Staat (zum Beispiel, wenn ein deutscher Diplomat die Höhe der deutschen Staatsschulden in Washington falsch angeben würde), die Bundesregierung irreleiten?
Wieso "bei einem anderen Staat"? Offensichtlich sind doch Berichte, die der Diplomat der Bundesregierung erstattet, gemeint - warum sollte ein deutscher Diplomat auch einer fremden Regierung Bericht erstatten?! Berichte richten sich an den eigenen Vorgesetzten, nicht an Dritte.
Dann habe ich den Gesetzestext wohl falsch verstanden. Der Täter vertritt Deutschland gegenüber einer anderen Regierung (usw.), erstattet aber einen Falschbericht an die Bundesregierung.

Also beispielsweise §353a StGB (+), wenn ich als Diplomat bei Trump eingesetzt bin und die amerikanischen Pläne zum Mauerbau/wie mit Mexiko "verfahren" werden soll, falsch darstelle.
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