Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
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Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Was meint ihr? Wäre Lucy aus der Spezies Australopithecus afarensis strafrechtlich von den Tötungs- und Körperverletzungsdeliktsgesetzen geschützt? Wäre Homo erectus so geschützt?
Also: Wie wäre "Mensch" im Sinne der §211ff. StGB im Bezug auf die "Weite" des Tatbestandsmerkmals zu definieren? Umfasst es nur die Art, umfasst es unsere Gattung, unsere Familie (Hominidae), unseren Tribus (Hominini)? Oder legt man hier überhaupt keine biologischen Kriterien an?
Also: Wie wäre "Mensch" im Sinne der §211ff. StGB im Bezug auf die "Weite" des Tatbestandsmerkmals zu definieren? Umfasst es nur die Art, umfasst es unsere Gattung, unsere Familie (Hominidae), unseren Tribus (Hominini)? Oder legt man hier überhaupt keine biologischen Kriterien an?
- Levi
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Re: AW: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
"Nulla poena sine lege."
Deshalb bleibt auch der Mord an Ötzi ungesühnt.
Deshalb bleibt auch der Mord an Ötzi ungesühnt.
- Tibor
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Wohl eher wegen: "Nie die Strafbarkeit eines Toten prüfen."
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
- Levi
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Re: AW: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Grundsätzlich richtig, aber damit schließen wir das "Terminator-Problem" nicht aus.
Der Täter könnte ja ein Zeitreisender aus der Zukunft gewesen sein, der in das Jahr 3210 v. Chr. zurück gereist ist, um Ötzi zu töten. Er wollte damit verhindern, dass Ötzi Nachkommen zeugt, die später einmal die Weltherrschaft an sich reißen. Da der Täter wusste, dass die Leiche von Ötzi gefunden werden würde, da sie zu seinen Lebzeiten bereits gefunden worden war, musste er natürlich zeittypische Tatwerkzeuge benutzen, um nicht aufzufliegen.
Dann wäre der Täter noch nicht tot, da er noch überhaupt nicht einmal geboren ist und erst noch leben wird.
Die formale Nicht-Anwendbarkeit der 211 ff. StGB auf Tatbestände vor ~ 1870 n. Chr. ist unter dem "nulla poena sine lege"-Prinzip aber eindeutig.
Der Täter könnte ja ein Zeitreisender aus der Zukunft gewesen sein, der in das Jahr 3210 v. Chr. zurück gereist ist, um Ötzi zu töten. Er wollte damit verhindern, dass Ötzi Nachkommen zeugt, die später einmal die Weltherrschaft an sich reißen. Da der Täter wusste, dass die Leiche von Ötzi gefunden werden würde, da sie zu seinen Lebzeiten bereits gefunden worden war, musste er natürlich zeittypische Tatwerkzeuge benutzen, um nicht aufzufliegen.
Dann wäre der Täter noch nicht tot, da er noch überhaupt nicht einmal geboren ist und erst noch leben wird.
Die formale Nicht-Anwendbarkeit der 211 ff. StGB auf Tatbestände vor ~ 1870 n. Chr. ist unter dem "nulla poena sine lege"-Prinzip aber eindeutig.
- Ara
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Du verkennst, dass im Falle einer Zeitreise die Zeiten parallel existieren. Art. 103 II GG geht davon aus, dass Zeit im Fluss ist und nicht rückwärts fließen kann.
Wenn jemand aber nun in das Jahr 3210 v. Chr. zurück reist, dann existiert der Straftatbestand der §§ 211 ff StGB aber bereits. Zwar auf einer anderen Zeitachse, aber das ist ja egal. Lediglich die einfache Regelung in § 7 I StGB könnte dem entgegenstehen. Aber hier ist wohl von einer ungenauen Formulierung des Gesetzgebers auszugehen, weil er die Möglichkeit der Zeitreise fahrlässig verkannt hat.
Aber ansonsten ist das Problem auch ganz anders zu lösen: Der Gesetzgeber reist zurück und ändert das Gesetz, so dass es zur Tatzeit unstreitig gilt.
Wenn jemand aber nun in das Jahr 3210 v. Chr. zurück reist, dann existiert der Straftatbestand der §§ 211 ff StGB aber bereits. Zwar auf einer anderen Zeitachse, aber das ist ja egal. Lediglich die einfache Regelung in § 7 I StGB könnte dem entgegenstehen. Aber hier ist wohl von einer ungenauen Formulierung des Gesetzgebers auszugehen, weil er die Möglichkeit der Zeitreise fahrlässig verkannt hat.
Aber ansonsten ist das Problem auch ganz anders zu lösen: Der Gesetzgeber reist zurück und ändert das Gesetz, so dass es zur Tatzeit unstreitig gilt.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
- Levi
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Re: AW: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Ara hat geschrieben:Du verkennst, dass im Falle einer Zeitreise die Zeiten parallel existieren. Art. 103 II GG geht davon aus, dass Zeit im Fluss ist und nicht rückwärts fließen kann.
Wenn jemand aber nun in das Jahr 3210 v. Chr. zurück reist, dann existiert der Straftatbestand der §§ 211 ff StGB aber bereits. Zwar auf einer anderen Zeitachse, aber das ist ja egal. Lediglich die einfache Regelung in § 7 I StGB könnte dem entgegenstehen.
§ 7 I StGB ist wegen § 7 Abs. 2 StGB kein Problem. Ich gehe natürlich davon aus, dass der Zeitreisende nach der Tat (also in der Zukunft) Deutscher geworden ist (Nr. 1) oder in Deutschland aufgegriffen wurde (Nr. 2), sonst macht die Frage nach einer Anwendbarkeit des StGB sowieso keinen Sinn.
Eine "Änderung" des Gesetzes setzt voraus, dass es bereits existiert. Das ist in der Vergangenheit aber ja nicht der Fall.Aber ansonsten ist das Problem auch ganz anders zu lösen: Der Gesetzgeber reist zurück und ändert das Gesetz, so dass es zur Tatzeit unstreitig gilt.
Denkbar wäre nur, dass es früher (!) erlassen würde als bislang geschehen. Das würde aber voraussetzen, dass der zeitreisende Gesetzgeber einen erheblichen Aufwand treiben müsste. Er müsste zunächst einmal einen "Staat" schaffen (mit Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt). Sodann die deutsche Sprache erfinden (die gibt es zu dieser Zeit noch nicht), die Schrift erfinden usw. - Ein bisschen viel Aufwand für einen Mord.
Vielleicht könnte man aber mit der Multiversen-Theorie weiter kommen. Die Wahrscheinlichkeit legt es nahe, dass in irgendeinem Universum, das deutsche StGB bereits gilt, wenn Ötzi durch den Zeitreisenden ermordet wird. Damit ist seine Strafbarkeit zumindest dort gegeben - und das sollte dem Sühnegedanken doch genügen. Der Zeitreisende muss sich ja nicht in jedem Universum strafbar gemacht haben und für seine Tat belangt werden. Eines sollte doch genügen.
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Wenn das hier einer von den Reichsbürgern liest... das sind doch geheime Informationen.
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Wenn man aber nicht an einen linearen Zeitablauf glaubt (statt aller, vgl. hier: https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/73 ... 62735c.jpg), verstößt Art. 103 II GG doch gegen Art. 4 I GG.Ara hat geschrieben:Du verkennst, dass im Falle einer Zeitreise die Zeiten parallel existieren. Art. 103 II GG geht davon aus, dass Zeit im Fluss ist und nicht rückwärts fließen kann.
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Weitere spannende Rechtsfragen harren der Erörterung. Fallen Dinosaurier unter Kleintierklausel in Mietverträgen? Kann ein Pferd zum Senator ernannt werden? Und haben Jurastudenten zu viel Zeit?
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
str., gut vertretbar jedenfalls hinsichtlich sehr kleiner Dinosaurier bzw. sehr großer Wohnungen.Swann hat geschrieben: Fallen Dinosaurier unter Kleintierklausel in Mietverträgen?
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
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Re: AW: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
M. E. sogar unstreitig, soweit es (domestizierte) Vögel betrifft, die ja auch Dinosaurier sind.Parabellum hat geschrieben:str., gut vertretbar jedenfalls hinsichtlich sehr kleiner Dinosaurier bzw. sehr großer Wohnungen.Swann hat geschrieben: Fallen Dinosaurier unter Kleintierklausel in Mietverträgen?
Vgl. Wikipedia:
[
Aus kladistischer Sicht schließen die Dinosaurier als systematische Einheit die Vögel, die wahrscheinlich aus kleinen theropoden Dinosauriern hervorgingen, mit ein. Somit sind nicht alle Dinosaurier während des Massenaussterbens am Ende des Mesozoikums untergegangen, sondern mit den Vögeln überlebte eine spezielle Entwicklungslinie der Dinosaurier bis heute.
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Die Sache mit Incitatus, seiner Rechtsfähigkeit und seiner passiven Wählbarkeit war ja damals (schon?) strittig, denn es war schon im römischen Recht nicht geregelt, ob Pferde passiv wahlberechtigt waren. So sagt es zumindest der Wikipediaartikel.Swann hat geschrieben:Weitere spannende Rechtsfragen harren der Erörterung. Fallen Dinosaurier unter Kleintierklausel in Mietverträgen? Kann ein Pferd zum Senator ernannt werden? Und haben Jurastudenten zu viel Zeit?
Zu Dinosauriern: Es muss nach der Art abgegrenzt werden, heute sagt man ja auch nicht, dass "Säugetiere" immer/nie unter die Kleintierklausel fallen. Wohl kaum ist es für Diplodocus, Giraffatitan, Apatosaurus, Argentinosaurus und ähnliche Arten vertretbar. Das gleiche gilt natürlich für Tyrannosaurus, Allosaurus, Spinosaurus, Giganotosaurus, Tarbosaurus, und ähnliche (für sie müsste man wahrscheinlich eine Extraverordnung à la Kampfhundeverordnung erlassen?). Bei letzteren würde ich sogar diskutieren, ob ihr Einsatz als Werkzeug für eine vorsätzliche Tötung diese zum Mord macht, da sie ein "gemeingefährliches Mittel" iSd §211 II 2. Gruppe Var. 3 darstellen.
Aber... bezüglich der Vögel ist es schonmal unstreitig, wie unten richtig gesagt. Ist dies nun (analog?) auf Troodon, Compsognathus, Hypsilophodon, Deinonychus oder andere kleine Theropoden anwendbar? Darauf wird sich die Frage konzentrieren.
Und: Man kann natürlich die Ansicht vertreten, dass Jurastudenten, zumindest solche mit guter Merk- und Lernfähigkeit, zu viel Zeit haben. Zutreffender ist aber, dass auch die Erörterung solcher witziger, aber durchaus juristischer, Fragen einen Sinn haben kann. Und sei es nur die Ablenkung... Es gibt schließlich sowas wie ein Rechtsgut der Willens-, Entschluss- und allgemeinen Handlungsfreiheit.
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Würde man zum Ergebnis kommen Dinosaurer fallen unter die Haustierklausel, müsste man aber natürlich an § 313 denken!
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Woher kennst Du diese ganzen Dinosaurierarten beim lateinischen Namen? Ich bin beeindruckt. Gerade musste ich schon Inciatus googlen
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Re: Lucy - durch §211ff. StGB geschützt oder nicht
Du musst das verstehen: Wenn man zu viel Zeit hat, dann hat man sich hier im Forum gefälligst an sinnlosen Endlosdiskussionen (vorzugsweise zum Asylrecht) zu beteiligen.StudiVader315226 hat geschrieben: Und: Man kann natürlich die Ansicht vertreten, dass Jurastudenten, zumindest solche mit guter Merk- und Lernfähigkeit, zu viel Zeit haben. Zutreffender ist aber, dass auch die Erörterung solcher witziger, aber durchaus juristischer, Fragen einen Sinn haben kann. Und sei es nur die Ablenkung... Es gibt schließlich sowas wie ein Rechtsgut der Willens-, Entschluss- und allgemeinen Handlungsfreiheit.