Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Tibor
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Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Tibor »

Was sagen denn die Strafrechtler zu dieser Geschmacklosigkeit? Strafbar oder nur schlechter Geschmack?

http://www.tagesspiegel.de/berlin/kz-ta ... 28982.html
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von AlicImWunderland »

Meiner Meinung nach nur schlechter Geschmack!

§ 130
Volksverhetzung
.

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1. eine Schrift (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren eine Schrift (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, die
a) zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt,
b) zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen in Buchstabe a genannte Personen oder Personenmehrheiten auffordert oder
c) die Menschenwürde von in Buchstabe a genannten Personen oder Personenmehrheiten dadurch angreift, dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
2. einen in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalt mittels Rundfunk oder Telemedien einer Person unter achtzehn Jahren oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder
3. eine Schrift (§ 11 Absatz 3) des in Nummer 1 Buchstabe a bis c bezeichneten Inhalts herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diese Schrift ein- oder auszuführen, um sie oder aus ihr gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

(5) Absatz 2 Nummer 1 und 3 gilt auch für eine Schrift (§ 11 Absatz 3) des in den Absätzen 3 und 4 bezeichneten Inhalts. Nach Absatz 2 Nummer 2 wird auch bestraft, wer einen in den Absätzen 3 und 4 bezeichneten Inhalt mittels Rundfunk oder Telemedien einer Person unter achtzehn Jahren oder der Öffentlichkeit zugänglich macht.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1 und 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist der Versuch strafbar.

(7) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, und in den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.

Finde da dem Wortlaut nach nicht eine Variante, die ohne erhebliche Konstruktion einschlägig wäre.
Im Grunde handelt es sich ja "nur" um die Abbildung eines historisch belegbaren Ortes. Das tätowierte Bild wird so auch in vielen Geschichtsbüchern zu finden sein. Es handelt sich auch nicht um eine verbotene Symbolik wie das zum Beispiel bei Hakenkreuz der Fall wäre. Letztlich fehlt es an jeder Form der Aufstachelung, Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Verleumdung.

Wenn überhaupt wäre das Ganze dann nur wegen des Schriftzuges "Jedem das Seine" strafbar, da darin eine Befürwortung der NS Verbrechen gesehen werden könnte. Zwar ist auch dieser Schriftzug historisch belegt, in dem Tattoo jedoch nicht (wie historisch korrekt) als Zaunaufschrift abgebildet, sondern als Satz unter dem KZ. Darüber könnte man ihn möglicherweise also doch "dran kriegen". Nur ob das wirklich ausreicht um Volksverhetzung zu bejahen? Soweit ich weiß ist die Norm restriktiv auszulegen - mir fehlt es hier an einer gesteigerten "hetzerischen" Einwirkung auf andere Personen.

Probleme könnte es möglicherweise auch im Konflikt mit der Kunstfreiheit geben?! (Bin da kein Experte). Zu beachten ist meiner Meinung nach zudem auch, dass es sich bei der Abbildung nicht um ein verbotenes Kennzeichen im Sinne des §86a StGB handelt und der Mann vorliegend nicht in "politischer Mission" sondern als Privatmann unterwegs war der in diesem Moment "einfach nur ins Schwimmbad wollte". In sofern sehe ich sowohl ein Vorsatzproblem als auch ein generelles Problem in Hinblick auf die Grundrechte (insbesondere Art 2 GG) - schließlich würde eine Strafbarkeit bedeuten, dass dem Mann eine Teilhabe am sozialen Leben (Umkleide nach dem Sport, Schwimmbad, öffentliche Dusche usw.) in erheblichem Maße auf Dauer verwehrt bliebe, was schon einen krassen Grundrechtseingriff bedeutet. Da eine Abbildung des KZ nicht grundsätzlich verboten ist, stelle ich mir eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung schwierig vor.


Aus meiner Sich daher zwar extrem Geschmacklos und Zeichen einer menschenverachtenden Gesinnung, aber nicht strafbar!


Anders läge der Fall, wenn er das Tattoo nicht im Schwimmbad "gezwungener Maßen" präsentiert hätte, sondern z.B. absichtlich auf einer Nazi Demo mit den Worten "Damals haben sies richtig gemacht" oder ähnlichem.



Bin allerdings auch kein Experte bezüglich §130 StGB. Lasse mich gern eines besseren belehren ;)
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Tobias__21 »

Was ist mit § 130 IV? "billigen" und "verherrlichen" sind ja relativ offen. Ich denke man könnte sicher der Auffassung sein, dass zumindest ein "billigen" vorliegt. Denn wer sich so etwas tätowieren lässt wird sich ja mit den Geschehnissen in einem KZ identifizieren und diese gut heissen.

Und wenn ich an die Wunsiedel Entscheidung denke - Stein des Anstoßes war doch dort die Gefahr einer "stillschweigenden Billigung" der Gewalt- und Willkürherrschaft der Nazis durch die "positive Hervorhebung" von Rudolf Hess - dürfte § 130 IV doch ganz gut passen. Natürlich ging es bei Wunsiedel nicht um einen Strafprozess, aber wenn man eine Versammlung (!) "nur" wegen der Glorifizierung von Rudolf Hess verbieten kann, dann dürfte doch erst Recht das Tragen einer KZ Tätowierung strafbar sein. Zumindest ich persönlich finde das noch viel "schlimmer" und andere Menschen bestimmt auch, also dürfte auch der "öffentliche Frieden" als Schutzgut des § 130 empfindlich gestört sein.

Soll er halt in Zukunft einen Badeanzug im Schwimmbad tragen, oder einen Neoprenanzug, was auch immer...
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Eagnai »

Wenn man schon die Zeitungsmeldung verlinkt, dann am besten doch auch die Analyse, auf die in dem Artikel hingewiesen wird:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/nazi- ... 89596.html

Darin sind im Grunde die wesentlichen Aspekte ja schon angeführt. Ob man letztendlich das Tragen des Tattoos als "Billigen" ausreichen lässt, ist sicherlich eine Frage der individuellen Rechtsauffassung. Da findet man vermutlich ebenso Richter, die das bejahen, wie auch welche, die es verneinen. Jedenfalls scheint es mir nicht besonders fernliegend, die Tätowierung eines Konzentrationslagers in Verbindung mit dem Schriftzug "Jedem das Seine" dahingehend zu interpretieren, dass der Träger zum Ausdruck bringen möchte, er finde es gut und richtig, dass man bestimmte Gruppen von Menschen dort ermordet hat.
AlicImWunderland hat geschrieben:In sofern sehe ich sowohl ein Vorsatzproblem als auch ein generelles Problem in Hinblick auf die Grundrechte (insbesondere Art 2 GG) - schließlich würde eine Strafbarkeit bedeuten, dass dem Mann eine Teilhabe am sozialen Leben (Umkleide nach dem Sport, Schwimmbad, öffentliche Dusche usw.) in erheblichem Maße auf Dauer verwehrt bliebe, was schon einen krassen Grundrechtseingriff bedeutet.
Das sehe ich anders.

Der Mann muss ja nur eine etwas höher zu ziehende Badehose (z.B. Badeshorts) oder ein T-Shirt anziehen, oder - noch einfacher - das Tattoo mit einfachem Sporttape abkleben. Das von ihm zu verlangen ist doch allenfalls eine geringfügige Beeinträchtigung, aber nicht ernsthaft ein "krasser Grundrechtseingriff". Davon abgesehen müsstest du mit dieser Argumentation den Leuten auch erlauben, sich ein Hakenkreuz oder irgendwelche Parolen à la "Heil Hitler!" oder "Vergast das Asylantenpack!" auf die Stirn zu tätowieren und damit durch die Straßen zu spazieren.

(Hier im Bezirk laufen übrigens zu Demos regelmäßig Leute auf, die strafrechtlich relevante Tattoos an sichtbaren Körperstellen tragen - die Polizei steht in den Kontrollstellen dann schon immer mit Tape bereit, das pappen die Leute sich auf Aufforderung dann einmal über die fragliche Stelle und fertig. Ihnen wird ja nicht verboten, am öffentlichen Leben teilzuhaben, sondern es wird nur verlangt, dass sie - wenn sie sich schon verbotene Symbole stechen lassen - die doch bitte nicht auch noch öffentlich zeigen.)
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von AlicImWunderland »

Eagnai hat geschrieben:
AlicImWunderland hat geschrieben:In sofern sehe ich sowohl ein Vorsatzproblem als auch ein generelles Problem in Hinblick auf die Grundrechte (insbesondere Art 2 GG) - schließlich würde eine Strafbarkeit bedeuten, dass dem Mann eine Teilhabe am sozialen Leben (Umkleide nach dem Sport, Schwimmbad, öffentliche Dusche usw.) in erheblichem Maße auf Dauer verwehrt bliebe, was schon einen krassen Grundrechtseingriff bedeutet.
Das sehe ich anders.

Der Mann muss ja nur eine etwas höher zu ziehende Badehose (z.B. Badeshorts) oder ein T-Shirt anziehen, oder - noch einfacher - das Tattoo mit einfachem Sporttape abkleben. Das von ihm zu verlangen ist doch allenfalls eine geringfügige Beeinträchtigung, aber nicht ernsthaft ein "krasser Grundrechtseingriff". Davon abgesehen müsstest du mit dieser Argumentation den Leuten auch erlauben, sich ein Hakenkreuz oder irgendwelche Parolen à la "Heil Hitler!" oder "Vergast das Asylantenpack!" auf die Stirn zu tätowieren und damit durch die Straßen zu spazieren.

(Hier im Bezirk laufen übrigens zu Demos regelmäßig Leute auf, die strafrechtlich relevante Tattoos an sichtbaren Körperstellen tragen - die Polizei steht in den Kontrollstellen dann schon immer mit Tape bereit, das pappen die Leute sich auf Aufforderung dann einmal über die fragliche Stelle und fertig. Ihnen wird ja nicht verboten, am öffentlichen Leben teilzuhaben, sondern es wird nur verlangt, dass sie - wenn sie sich schon verbotene Symbole stechen lassen - die doch bitte nicht auch noch öffentlich zeigen.)
Das sehe ich anders! Im Gegensatz zu Hakenkreuzen die eindeutig als verfassungsfeindliche Symbole gelistet und per Gesetz verboten sind, ist die Abbildung eines KZ ja grundsätzlich nicht strafbewährt. Das gilt es im Rahmen der Abwägung der gegenüberstehenden Interessen meiner Meinung nach zu berücksichtigen.

Das mit dem Sporttape ist aber kein schlechtes Argument. Bin wirklich mal gespannt was in dem Prozess am Ende raus kommt.
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Eagnai »

AlicImWunderland hat geschrieben: Das sehe ich anders! Im Gegensatz zu Hakenkreuzen die eindeutig als verfassungsfeindliche Symbole gelistet und per Gesetz verboten sind, ist die Abbildung eines KZ ja grundsätzlich nicht strafbewährt. Das gilt es im Rahmen der Abwägung der gegenüberstehenden Interessen meiner Meinung nach zu berücksichtigen.
Schon, aber zu sagen, dass das Tattoo nur deshalb, weil es nicht zusätzlich noch den weiteren Straftatbestand des § 86a erfüllt, auch nicht unter § 130 fallen kann, finde ich als Argument nicht so überzeugend.

Die allermeisten Äußerungen und Darstellungen, die den § 130 erfüllen, sind ja keine verbotenen Kennzeichen. Es ist eben ein anderer Tatbestand.
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Einwendungsduschgriff
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Tobias__21 hat geschrieben:Und wenn ich an die Wunsiedel Entscheidung denke - Stein des Anstoßes war doch dort die Gefahr einer "stillschweigenden Billigung" der Gewalt- und Willkürherrschaft der Nazis durch die "positive Hervorhebung" von Rudolf Hess - dürfte § 130 IV doch ganz gut passen. Natürlich ging es bei Wunsiedel nicht um einen Strafprozess, aber wenn man eine Versammlung (!) "nur" wegen der Glorifizierung von Rudolf Hess verbieten kann, dann dürfte doch erst Recht das Tragen einer KZ Tätowierung strafbar sein. Zumindest ich persönlich finde das noch viel "schlimmer" und andere Menschen bestimmt auch, also dürfte auch der "öffentliche Frieden" als Schutzgut des § 130 empfindlich gestört sein.
Nicht böse gemeint: ich würde mir die Wunsiedel-Entscheidung nochmals anschauen. Dort geht es (nahezu) ausschließlich um die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 130 Abs. 4 StGB mit einem zum Ende unerfreulichen Ergebnis. Unter Berücksichtigung der Wunsiedel-Kriterien (s. BVerfGE 124, 300 <334 f.> halte ich eine Verurteilung wegen § 130 Abs. 4 StGB für verfassungsrechtlich unhaltbar. Dass er trotzdem verurteilt werden könnte, ist natürlich trotzdem nicht ausgeschlossen. Man vergegenwärtige sich nur, wieviele Strafrichter wegen Ehrschutzdelikten verurteilen ohne jemals "Soldaten sind Mörder" gelesen zu haben. Nicht umsonst hat die (aktuell) 3. Kammer des Ersten Senats eine so hohe Stattgabequote.
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Survivor »

Dass der Holocaust von allzu vielen verleugnet wird, ist schon schlimm genug. Dass aber KZs sogar verherrlicht werden und dies dann evtl. auch noch straflos zur Schau gestellt werden darf, hatte ich in meiner Naivität für ausgeschlossen gehalten.
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Tibor »

Insbesondere, wenn man dies in einer staatlichen Einrichtung (das Spaßbad wird durch eine 100%-ige Tochter-GmbH der Gemeinde betrieben) tut.
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Tobias__21 »

Einwendungsduschgriff hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Und wenn ich an die Wunsiedel Entscheidung denke - Stein des Anstoßes war doch dort die Gefahr einer "stillschweigenden Billigung" der Gewalt- und Willkürherrschaft der Nazis durch die "positive Hervorhebung" von Rudolf Hess - dürfte § 130 IV doch ganz gut passen. Natürlich ging es bei Wunsiedel nicht um einen Strafprozess, aber wenn man eine Versammlung (!) "nur" wegen der Glorifizierung von Rudolf Hess verbieten kann, dann dürfte doch erst Recht das Tragen einer KZ Tätowierung strafbar sein. Zumindest ich persönlich finde das noch viel "schlimmer" und andere Menschen bestimmt auch, also dürfte auch der "öffentliche Frieden" als Schutzgut des § 130 empfindlich gestört sein.
Nicht böse gemeint: ich würde mir die Wunsiedel-Entscheidung nochmals anschauen. Dort geht es (nahezu) ausschließlich um die verfassungsrechtliche Beurteilung des § 130 Abs. 4 StGB mit einem zum Ende unerfreulichen Ergebnis. Unter Berücksichtigung der Wunsiedel-Kriterien (s. BVerfGE 124, 300 <334 f.> halte ich eine Verurteilung wegen § 130 Abs. 4 StGB für verfassungsrechtlich unhaltbar. Dass er trotzdem verurteilt werden könnte, ist natürlich trotzdem nicht ausgeschlossen. Man vergegenwärtige sich nur, wieviele Strafrichter wegen Ehrschutzdelikten verurteilen ohne jemals "Soldaten sind Mörder" gelesen zu haben. Nicht umsonst hat die (aktuell) 3. Kammer des Ersten Senats eine so hohe Stattgabequote.

Ich weiss nicht so recht auf was du genau hinaus willst. § 130 IV StGB ist ja erstmal verfassungsmäßig, zumindest sieht das das BVerfG so. Dass das dogmatisch vielleicht alles nicht so ganz sauber begründet ist mit der Ausnahme vom "allgemeinen Gesetz", spielt ja in diesem Fall keine Rolle mehr.

Wo würdest du genau ansetzen? Reicht das stille präsentieren einer solchen Tätowierung nicht aus um den "öffentlichen Frieden" zu stören?
Die verfassungsrechtlichen Maßgaben zu der Vereinbarkeit des § 130 Abs. 4 StGB mit Art. 5 Abs. 1 GG müssen dementsprechend auch die Auslegung der Norm anleiten. Danach sind die Tatbestandsmerkmale so auszulegen, dass der Strafanspruch allein Beeinträchtigungen des öffentlichen Friedens im dargelegten Verständnis der Friedlichkeit gilt (siehe oben C III 1 b bb).

99
Für die insoweit maßgebliche Frage, ob die Äußerung einer Meinung allein auf der geistigen Wirkebene bleibt oder die Schwelle zu einer sich abzeichnenden Rechtsgutgefährdung überschreitet, kommt es dabei insbesondere darauf an, ob die Gefahren, die als Folge dieser Meinungsäußerung im Raum stehen, erst als Fernwirkung mit der weiteren freien Überzeugungsbildung drohen oder ob deren Realisierung mit der Äußerung bereits in Gang gesetzt wird. Je mehr die mit der Propagierung einer Ideologie intendierten Wirkungen nur als abstrakte Konsequenz eines Gedankengebäudes erscheinen, desto deutlicher verbleiben sie in der geistigen Sphäre, die grundsätzlich geschützt ist. Je mehr sie hingegen durch die Art der Äußerung konkret und unmittelbar greifbar werden, je mehr sie auf konkrete Personen, Personengruppen oder reale Situationen aktuell bedrohlich bezogen werden, desto eher lassen sie sich der Realsphäre zuordnen. Eine bloß symbolische Präsentation von Überzeugungen, Lehren oder Heilsentwürfen wird dabei eher der geistigen Sphäre zugeordnet werden können, als wenn Rechtsverletzungen etwa in Form historischer Ereignisse konkret und unmittelbar ausgemalt und als wünschenswert in den Raum gestellt werden.

100
b) Nach diesen Grundsätzen ist für eine Verwirklichung des § 130 Abs. 4 StGB erforderlich, dass die mit dieser Vorschrift erfasste Gutheißung erkennbar gerade auf den Nationalsozialismus als historisch reale Gewalt- und Willkürherrschaft bezogen ist. Verstanden als zusammengehöriger Begriff, der die für das NS-Regime kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2005 - 3 StR 60/05 -, NStZ 2006, S. 335 <337>) und damit geschichtlich reale Willkürakte von verbrecherischer Qualität umschreibt, bezeichnet er Rechtsverletzungen, deren zustimmende Evozierung in der Öffentlichkeit oder einer Versammlung eine potentielle Wiederholbarkeit real werden lässt und die Friedlichkeit der politischen Auseinandersetzung gefährden kann. Demgegenüber reicht für die Erfüllung dieses Tatbestandes nicht jedwede Zustimmung zu Geschehnissen dieser Zeit oder eine Gutheißung allgemein nationalsozialistischen Gedankenguts. So genügt etwa eine falsche Geschichtsinterpretation oder das Bekenntnis zur nationalsozialistischen Ideologie für eine Bestrafung nach § 130 Abs. 4 StGB nicht.
Nehmen wir an, allein das stille Tragen diese Tätowierung reicht nicht aus um den "öffentlichen Frieden" zu stören und insoweit ist der Meinungsfreiheit Vorzug zu geben. Was ist denn mit dem postmortalen Persönlichkeitsrecht der Opfer aus Art. 1 I GG, bzw. der Menschenwürde der noch lebenden Juden, bzw. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das dürfte doch hier sicher betroffen sein.
Der Gesetzgeber hat § 130 Abs. 4 StGB ausweislich der Gesetzesbegründung allein und tragfähig auf den Schutz des öffentlichen Friedens gestützt. Die Frage, ob beziehungsweise in welchem Verständnis die Norm auch auf den Schutz der Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft gestützt werden könnte, kann damit dahinstehen.
Ist die Aussage des BVerfG so zu verstehen, dass bei § 130 IV gerade nicht auch auf einen Ehrschutz der Opfer abgestellt werden darf, sondern allein der öffentliche Friede als Schutzgut gilt?

Diese Tätowierung enthält für mich die Aussage, dass die Juden die Vernichtung in einem KZ verdient hätten, "Jedem das seine" und damit auch die Billigung von NS Greultaten und Menschenwürdeverletzungen. Und meiner persönlichen Überzeugung nach stört das auch den "öffentlichen Frieden", zumindest aber wird einer bestimmten Personengruppe jeglicher Achtungsanspruch abgesprochen. Warum man in diesem Fall § 130 IV StGB aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht als erfüllt ansehen kann, versteh ich nicht (vielleicht kannst du mir ja noch einen Wink mit dem Zaunpfahl geben ;).

Geht es vielleicht darum?:
Ziel ist hier der Schutz vor Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind, das heißt den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern
Das dürfte in der Tat hier nicht erfüllt sein. Die Meinung dass die Nazis ganz tolle Menschen waren und das alles so ganz gut war, was sie veranstaltet haben, ist ja erstmal durch Art. 5 GG geschützt. Die Meinungsfreiheit wäre allerdings im Hinblick auf diese Meinung völlig entwertet, wenn man die Meinung nicht auch irgendwie nach außen transportieren kann (hier durch das Tragen der Tätowierung). § 130 IV StGB will nicht die Meinung an sich verbieten, sondern nur die Art der Meinungswiedergabe. Hier muss es zu einer Gefahr für den öffentlichen Frieden kommen. Allein das Trage der Tätowierung reicht hierzu jedoch nicht aus. Will man das anders sehen, käme das einem "Gesinnungsstrafrecht" gleich. Man wird bestraft, allein weil man eine gewisse Meinung hat und auch nach außen zeigt. Eine Strafbarkeit aus § 130 IV würde die Meinungsfreiheit in diesem Fall über das erforderliche Maß hinaus beschränken. Dann könnte man auch gleich verfassungsfeindliches Gedankengut aus dem Schutzbereich des Art. 5 GG heraus nehmen, was man aber nicht will, wehrhafte Demokratie, etc..

Wäre das eine tragfähige Argumentation gegen die Strafbarkeit aus § 130 IV?
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Survivor/Tibor: man mag das rechtspolitisch unbefriedigend finden. Akzeptiert man die Verfassungsmäßigkeit von § 130 Abs. 4 StGB - was sowieso äußerst bedenklich ist -, so muss man sich vergegenwärtigen, dass der Erste Senat hier strenge Kriterien aufgestellt hat, wann eine Störung des öffentlichen Friedens überhaupt in verfassungsrechtlich zulässiger Weise angenommen werden kann. Diese Kriterien sind hier nicht erfüllt. Das herumschwabbelnde KZ nebst "Jedem das Seine" ist sicherlich nicht dazu in der Lage eine Gefährdung des öffentlichen Friedens dergestalt ins Werk zu setzen, dass durch "Appelle oder Emotionalisierungen" bei den Adressaten "Handlungsbereitschaft" ausgelöst wird oder "Hemmschwellen" herabsetzt werden oder Dritte unmittelbar eingeschüchtert werden. Es bleibt bei der Visualisierung einer Meinung; eine Missionierungsabsicht ist dabei auch nicht intendiert.

Zu Tobias gleich. Ich verstehe den Post noch nicht recht.
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Tobias__21 »

@Duschgriff: Ja, der ist mal wieder etwas lang geraten und durcheinander. Ich habe die entsprechenden Passagen der Wunsiedel Entscheidung dort fett markiert und meine verstanden zu haben auf was Du hinauswolltest.

Kurz gesagt: Die Tätowierung alleine reicht nicht aus um den öffentlichen Frieden zu stören.
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Tobias__21 hat geschrieben:Ich weiss nicht so recht auf was du genau hinaus willst. § 130 IV StGB ist ja erstmal verfassungsmäßig, zumindest sieht das das BVerfG so. Dass das dogmatisch vielleicht alles nicht so ganz sauber begründet ist mit der Ausnahme vom "allgemeinen Gesetz", spielt ja in diesem Fall keine Rolle mehr.
Das ist auch nur ein Inhalt der Wunsiedel-Entscheidung. Es ist manchmal so mit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: man nimmt sie nur selektiv wahr - auch in der Fachpresse. Wunsiedel wie Fraport sind dafür hervorragende Beispiele: in beiden Entscheidungen des Ersten Senats, sogar unter dem gleichen Berichterstatter, sind zwei verfassungsrechtliche Grundfragen angesprochen, aber nur die eine erhält ausreichend Platz in Ausbildung, Lehre und Diskussion. Bei Fraport ist es die Grundrechtsbindung staatlich beherrschter Unternehmen, bei Wunsiedel die Negierung des verfassungsrechtlichen Gebots aus Art. 5 Abs. 2 GG. Für die Praxis ist jedoch eines ganz zentral: der Erste Senat legt § 130 Abs. 4 StGB zur Wahrung verfassungsrechtlicher Maßgaben in einer bestimmten Weise aus. Das findet sich an der bereits zitierten Stelle: BVerfGE 124, 300 <334 f.>. Dort heißt es (Herv. d. d. Verf.):
Der Gesetzgeber hat § 130 Abs. 4 StGB auf den Schutz des öffentlichen Friedens gestützt (vgl. BTDrucks 15/4832, S. 3; Innenausschussdrucksache 15(4)191, S. 5; BTDrucks 15/5051, S. 5). Dies ist verfassungsrechtlich tragfähig. Allerdings ist nach vorstehenden Maßstäben dem Begriff des öffentlichen Friedens ein eingegrenztes Verständnis zugrunde zu legen.

aa) Nicht tragfähig für die Rechtfertigung von Eingriffen in die Meinungsfreiheit ist ein Verständnis des öffentlichen Friedens, das auf den Schutz vor subjektiver Beunruhigung der Bürger durch die Konfrontation mit provokanten Meinungen und Ideologien oder auf die Wahrung von als grundlegend angesehenen sozialen oder ethischen Anschauungen zielt. Eine Beunruhigung, die die geistige Auseinandersetzung im Meinungskampf mit sich bringt und allein aus dem Inhalt der Ideen und deren gedanklichen Konsequenzen folgt, ist notwendige Kehrseite der Meinungsfreiheit und kann für deren Einschränkung kein legitimer Zweck sein. Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer Beeinträchtigung des "allgemeinen Friedensgefühls" oder der "Vergiftung des geistigen Klimas" sind ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte. Auch das Ziel, die Menschenrechte im Rechtsbewusstsein der Bevölkerung zu festigen, erlaubt es nicht, zuwiderlaufende Ansichten zu unterdrücken. Die Verfassung setzt vielmehr darauf, dass auch diesbezüglich Kritik und selbst Polemik gesellschaftlich ertragen, ihr mit bürgerschaftlichem Engagement begegnet und letztlich in Freiheit die Gefolgschaft verweigert wird. Demgegenüber setzte die Anerkennung des öffentlichen Friedens als Zumutbarkeitsgrenze gegenüber unerträglichen Ideen allein wegen der Meinung als solcher das in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgte Freiheitsprinzip selbst außer Kraft.

bb) Ein legitimer Zweck, zu dessen Wahrung der Gesetzgeber öffentlich wirkende Meinungsäußerungen begrenzen darf, ist der öffentliche Friede jedoch in einem Verständnis als Gewährleistung von Friedlichkeit. Ziel ist hier der Schutz vor Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind, das heißt den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern. Auch hier knüpft der Eingriff in die Meinungsfreiheit möglicherweise zwar an den Inhalt der Meinungsäußerung an. Jedoch richtet sich der Schutz des öffentlichen Friedens auf die Aufrechterhaltung des friedlichen Miteinanders. Es geht um einen vorgelagerten Rechtsgüterschutz, der an sich abzeichnende Gefahren anknüpft, die sich in der Wirklichkeit konkretisieren. In diesem Sinne ist der öffentliche Friede ein Schutzgut, das verschiedenen Normen des Strafrechts seit jeher zugrunde liegt wie etwa den Verboten der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB), der Androhung von Straftaten (§ 126 StGB), der Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) oder auch den anderen Straftatbeständen des Volksverhetzungsparagraphen (§ 130 Abs. 1 bis 3 StGB).
Wo würdest du genau ansetzen? Reicht das stille präsentieren einer solchen Tätowierung nicht aus um den "öffentlichen Frieden" zu stören?
Ja, siehe oben und soeben und dazu Dein Zitat aus BVerfGE 124, 300 <341 f.>.
Nehmen wir an, allein das stille Tragen diese Tätowierung reicht nicht aus um den "öffentlichen Frieden" zu stören und insoweit ist der Meinungsfreiheit Vorzug zu geben. Was ist denn mit dem postmortalen Persönlichkeitsrecht der Opfer aus Art. 1 I GG, bzw. der Menschenwürde der noch lebenden Juden, bzw. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Das dürfte doch hier sicher betroffen sein.
Das verstehe ich nicht (und das danach stehende Zitat auch nicht). Wir prüfen hier die Anwendung und den Anwendungsbereich einer bestehenden Strafvorschrift. Die verfassungsrechtliche Prüfung beschränkt sich nach dem Ersten Senat darauf, dass unser strafrechtliches Schutzgut (hier: öffentlicher Frieden) ein verfassungsrechtlich zulässiges ist. Der Schutz von Individualrechten ist nicht beabsichtigt und muss deshalb auch nicht verfassungsrechtlich überprüft werden. Zum Modus: der einfache Gesetzgeber gibt das Rechtsgut vor; das Bundesverfassungsgericht kann in gewissen Grenzen diese Festsetzung verfassungsrechtlich einer Prüfung unterziehen. Deshalb ist Deine folgende Frage:
Ist die Aussage des BVerfG so zu verstehen, dass bei § 130 IV gerade nicht auch auf einen Ehrschutz der Opfer abgestellt werden darf, sondern allein der öffentliche Friede als Schutzgut gilt?
neben dem Thema. Das Bundesverfassungsgericht ist hier an die Beurteilung durch den Gesetzgeber gebunden. Er hat sich für einen Schutz - und zwar einen isolierten Schutz - des "öffentlichen Friedens" entschieden. Damit bleibt der Schutz von Individualrechtsgütern außer Betracht.
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Tobias__21
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Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Tobias__21 »

Vielen Dank, ich habs verstanden.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Tobias__21
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Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Strafbarkeit des KZ-Tattoos?

Beitrag von Tobias__21 »

Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
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