[enigma] hat geschrieben:Ich halte das Urteil nicht für "menschlich kaum mehr Einsichtig". Du wirst mir nun wieder Bagetellisierung vorwerfen, aber ebenso wie ich als Vater des getöteten Mädchens eine harte Strafe erwarten würde, würde ich als Vater eines der Unfallfahrer auf Milde hoffen. Hier geht es wie gesagt nicht um eine absichtliche Straftat gegen ein menschliches Leben, sondern um eine (absolut strafwürdige) Dummheit mit verheerenden Konsequenzen. Das Strafrecht würdigt eben nicht nur die Folgen der Tat, sondern auch den in der Tat selbst zum Vorschein tretenden Unwert. Und da kann es auch bei illegalen Rennen mit tödlichem Ausgang zu erheblichen Unterschieden im Handlungsunrecht kommen. Wie konkret und vorhersehbar die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer war, wie rücksichtslos das jeweilige Verhalten war, etc. pp. Das sind alles Umstände, die man nur im konkreten Einzelfall wird berücksichtigen können und dazu fehlen mir hier die Informationen.
Bei einer absichtlichen Tötung ginge es jedoch um §§ 211 ff. StGB - mit deren Strafrahmen bis hin zur lebenslangen Freiheitsstrafe. Im Übrigen habe ich stillschweigend vorausgesetzt, dass es um Straßenrennen im normalen Straßenverkehr geht, die immer ein erhebliches Gefährdungspotential haben. Das war auch hier erkennbar der Fall. Vor diesem Hintergrund halte ich das Urteil in der Tat für menschlich nicht mehr nachvollziehbar, und es reiht sich ein in eine Reihe von anderen gleichgelagerten Entscheidungen, die - so viel kann man wohl sagen - bei der Bevölkerung ganz überwiegend keine Akzeptanz mehr finden.
Ja, der Strafrahmen von § 222 StGB ist vergleichsweise niedrig, wenn man bedenkt, dass es auch dort um die Vernichtung von Leben geht, und das macht es besonders schwierig, Entscheidungen zu treffen, die der Wertigkeit menschlichen Lebens gerecht werden. Ich will auch nicht ausschließen, dass ich den Richtern im konkreten Fall etwas unrecht tue. Aber auch § 222 StGB würde es allemal ermöglichen, in solchen Fällen ganz andere Strafen zu verhängen. Da sollte man sich nicht in die Tasche lügen.
Wenn ich - als fiktives Beispiel - zu meiner persönlichen "Bespaßung" an einem Autorennen teile und dadurch einen Unbeteiligten töte, ist das z.B. etwas völlig anderes, als wenn ein überarbeiteter Arzt durch leichte Fahrlässigkeit den Tod eines Patienten verschuldet. Es steht eben nirgendwo in Stein geschrieben, dass die Hürden wirklich allgemein so hoch zu legen sind. Und es wird ja auch bundesweit bekanntermaßen sehr unterschiedlich geurteilt.
Wenn man nun im erstgenannten Fall - ohne dass besondere Umstände vorliegen - zu einer Freheitsstrafe mit Bewährung kommt, sollte man auch guten Gewissens sagen können, dass man das im vom Gesetzgeber gesteckten Rahmen für "gerecht", angemessen und sozial wirksam hält. Aber offensichtlich gehen regelmäßig nicht einmal diejenigen, die solche Urteile sprechen, davon aus.
Ich lege keinen Wert auf den Beweis deinerseits, denn er kann dir ohnehin nicht gelingen. Der abschreckende Nutzen von Strafrahmenerhöhungen oder höheren Einzelstrafen ist heillos umstritten, insbesondere im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte. Es ging mir eher darum, dass du einen Beweis für meine Behauptung verlangt hast, die Straferhöhung wirke nicht abschreckend. Ich habe meine Meinung dargelegt und begründet, warum das meiner Ansicht nach nciht so ist. Mehr kann ich auch nicht machen, aber du willst ja anscheinend mehr, wenn du immer behauptest, ich hätte trotz meiner Argumentation nichts belegt.
Ich sprach von "durch nichts belegt", wobei ich zugebe, dass auch du dazu nur mehr oder weniger stichhaltige Vermutungen äußern kannst. Nur: Es entspricht eben dem Konzept unseres Strafrechts, dass Strafen abschreckend wirken und umso mehr, je höher sie sind. Wer dieses Konzept anzweifelt, ist deshalb in der Pflicht, nicht umgekehrt.
Letztlich können wir ja nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob es "individuelle Schuld" in dem Sinne, wie wir sie uns vorstellen, überhaupt gibt, so dass das ganze Schuldprinzip Unfug sein könnte. Trotzdem behandeln wir es - m.E. aus gutem Grund - als (soziale) Realität.
Und das ist wohl auch der Knackpunkt hier: Strafen, die den Menschen zum Großteil völlig unverständlich sind, sind Unsinn.