Straßenrennen und Strafzumessung

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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ovaron
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von ovaron »

Ich bin hier zwar nur der doofe Laie aber eine erneute Verurteilung wegen Mord ist doch möglich?

Bessere Begründung plus Generalprävention und es sollte klappen.

Keine Sorge mehr poste ich hier nicht.
Tobias__21
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Tobias__21 »

ovaron hat geschrieben:Ich bin hier zwar nur der doofe Laie aber eine erneute Verurteilung wegen Mord ist doch möglich?

Bessere Begründung plus Generalprävention und es sollte klappen.

Keine Sorge mehr poste ich hier nicht.
Ja, ist denkbar, wird aber mehr als schwer. Die festgestellten Tatsachen müssen eben den Vorsatz tragen. Das LG wird sich schon noch mal bemühen, das besser zu machen, aber selbst dann kann ja wieder Revision eingelegt werden.
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Ara
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Ara »

Schon die Pressemitteilung ist so umfangreich und umfassend begründet, dass es nach Ansicht des BGH wohl nahezu ausgeschlossen ist, dass man hier einen Vorsatz konstruieren kann... Der BGH hat dem LG ja gleich drei Zähne in subjektiver Hinsicht gezogen. Damit hat es mE schon recht klar gemacht, wo die Reise hingehen wird. Vermutlich werden die Urteilsgründe dann auch ne Segelanweisung drin haben.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Tobias__21 »

Ich bin mal gespannt, ob das LG das schluckt, oder ob die nochmal nachfassen und versuchen "ihr" Ergebnis zu halten. In der Sache bin ich nämlich eher beim LG.
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Ara
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Ara »

Naja, ist ja ne neue Kammer.

Wenn man das Urteil so liest vom Landgericht und davon ausgeht, dass ihre Feststellungen richtig sind, halte ich eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts für nicht vertretbar und rechtlich auch falsch (mich hat trotzdem überrascht, dass der BGH es nicht gehalten hat). Die Gründe wurden hier ja schon umfassend von anderen ausgeführt (Vorsatz muss halt zum Handlungszeitpunkt vorliegen und nicht beim Erfolgseintritt).

Unabhängig von den Feststellungen glaube ich auch nicht, dass es ihnen egal war jemanden zu töten... Ich geh sogar soweit, dass sie selbst nen Unfall nicht billigend in Kauf nahmen (bis auf ihr Auto haben die meist nichts, und das würde ja kaputtgehen). Daher wird § 222 StGB und dann am oberen Strafrand wohl die sauberste Lösung sein. Für die Zukunft haben wir ja § 315d StGB.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Kezzlerinho »

Die Pressemitteilung ist auf jeden Fall ne deutliche Ansage...
Weiß man schon, ob auch die Feststellungen aufgehoben sind? Zumindest die äußeren Tatumstände dürften ja wohl aufrecht erhalten werden oder?
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Tobias__21 »

Naja, die Richter sprechen auch untereinander, vielleicht teilt die neue Kammer ja auch diese Auffassung. Die Sache mit dem dolus subsequens überzeugt mich nicht im Geringsten. M.E. hatten die eine dolus eventualis bei Tatbegehung. Das voluntative Element kann da sogar völlig in den Hintergrund treten. Klar wollen die nicht, dass ihren Karren was passiert, aber sie wissen, dass Menschen zu Tode kommen können. Ich sehe bei der Sachlage (Innenstadt) keinen Anknüpfungspunkt für ein Vertrauen darauf, dass schon alles gut gehen würde (bewusste Fahrlässigkeit). Aber die Argumente dazu haben wir ja hier ja umfassend ausgetauscht. Eine erneute Diskussion pro/contra Vorsatz wird uns auch nicht weiterbringen. Schauen wir halt mal passiert. Ich setz das jedenfalls mal auf die dejure Merkliste.
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Kroate
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Kroate »

Kroate hat geschrieben:Die rechtliche Beurteilung des BGH ist doch ziemlich nachvollziehbar wie ich finde.

Da fällt es mir deutlich schwerer, die Ablehnung des Tötungsvorsatzes im folgenden, kürzlich in Frankfurt entschiedenen, Fall nachzuvollziehen:

"Der Angeklagte hatte sich im September 2015 am Rande eines Volksfestes in Kriftel (Main-Taunus-Kreis) darüber geärgert, dass sich die Frau und ihr Lebensgefährte auf dem Zebrastreifen küssten. Der Fahrer beschleunigte, die Frau wurde vom Wagen erfasst und auf die Motorhaube geschleudert. Dann geriet die 41-Jährige unter das Auto und wurde rund 400 Meter mitgeschleift. Sie starb an der Unfallstelle. Ihr damals 38 Jahre alter Lebensgefährte wurde zu Boden geschleudert und verletzt."

http://m.faz.net/aktuell/gesellschaft/k ... 71876.html

Das soll dann "nur" Körperverletzung mit Todesfolge sein.


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Auch wenn es nicht so wirklich in diesen Thread passt (mein Beitrag wurde aus dem Meldethread hier her verschoben), was haltet ihr denn von dem Urteil des LG Frankfurt?

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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Urs Blank »

Ara hat geschrieben:Für die Zukunft haben wir ja § 315d StGB.
Dessen Existenz allerdings die Gerichte nicht davon entbindet, sich auch in zukünftigen Raser-Fällen mit der Frage eines möglichen Tötungsvorsatzes auseinanderzusetzen. Das Problem bleibt also bestehen, mögen auch die praktischen Auswirkungen weniger gravierend sein.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Tobias__21 »

Kroate hat geschrieben:
Kroate hat geschrieben:Die rechtliche Beurteilung des BGH ist doch ziemlich nachvollziehbar wie ich finde.

Da fällt es mir deutlich schwerer, die Ablehnung des Tötungsvorsatzes im folgenden, kürzlich in Frankfurt entschiedenen, Fall nachzuvollziehen:

"Der Angeklagte hatte sich im September 2015 am Rande eines Volksfestes in Kriftel (Main-Taunus-Kreis) darüber geärgert, dass sich die Frau und ihr Lebensgefährte auf dem Zebrastreifen küssten. Der Fahrer beschleunigte, die Frau wurde vom Wagen erfasst und auf die Motorhaube geschleudert. Dann geriet die 41-Jährige unter das Auto und wurde rund 400 Meter mitgeschleift. Sie starb an der Unfallstelle. Ihr damals 38 Jahre alter Lebensgefährte wurde zu Boden geschleudert und verletzt."

http://m.faz.net/aktuell/gesellschaft/k ... 71876.html

Das soll dann "nur" Körperverletzung mit Todesfolge sein.


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Auch wenn es nicht so wirklich in diesen Thread passt (mein Beitrag wurde aus dem Meldethread hier her verschoben), was haltet ihr denn von dem Urteil des LG Frankfurt?

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Ich war nicht in der Verhandlung, aber sowas ist mir unverständlich. Ok, dann hat er es nicht gemerkt, dass er das Opfer mitgeschleift hat, mag sein. Aber wenn ich jemandem absichtlich mit dem Auto anfahre, dann rechne ich damit, dass derjenige daran sterben kann. Der muss nur blöd mit dem Kopf aufkommen und dann reichen da auch "nur" 30 km/h. Wie schnell er war, steht ja nicht im Artikel.

Neulich in der Nachbarschaft: Da ist ein Schulkind unerwartet über die Straße gerannt in einer 30er Zone. Der Autofahrer konnte nicht mehr reagieren. Das Kind hat mir sehr viel Glück überlebt und auch keine bleibenden Schäden davon getragen. Aber da hat nicht viel gefehlt und das wäre ganz anders ausgegangen.

Aber so ist das eben mit dem Vorsatz. Man müsste ihn eben mehr objektivieren, aber das man möchte man auch nicht. Er ist halt nach wie vor subjektiv geprägt. Aber bei manchen Urteilen muss ich echt schlucken. Und das hat nichts mit "Stammtisch" und "Wir waren ja nicht in der Verhandlung dabei" zu tun. Das von Dir genannte Urteil ist so ein Beispiel.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von thh »

doctor hat geschrieben:Wer mit 170 durch eine Stadt ballert, der handelt einfach bedingt vorsätzlich, da er jederzeit einen Fußgänger oder Radfahrer plattmachen könnte und dies natürlich auch weiß und einfach so hinnimmt.
Das muss man dann allerdings im Urteil auch schreiben. Der PM ist ja recht deutlich zu entnehmen, dass der BGH nur sagt: "Mit den Feststellungen passt das so nicht" und keineswegs "Ein solches Ergebnis lässt sich nicht tragfähig begründen".
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von thh »

Kezzlerinho hat geschrieben: Weiß man schon, ob auch die Feststellungen aufgehoben sind?
Laut PM "insgesamt aufgehoben", das betrifft dann auch alle Feststellungen.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Liz »

thh hat geschrieben:
doctor hat geschrieben:Wer mit 170 durch eine Stadt ballert, der handelt einfach bedingt vorsätzlich, da er jederzeit einen Fußgänger oder Radfahrer plattmachen könnte und dies natürlich auch weiß und einfach so hinnimmt.
Das muss man dann allerdings im Urteil auch schreiben. Der PM ist ja recht deutlich zu entnehmen, dass der BGH nur sagt: "Mit den Feststellungen passt das so nicht" und keineswegs "Ein solches Ergebnis lässt sich nicht tragfähig begründen".
Eben. Interessant ist die Aufhebung im Frankfurter Raserfall - das deutet darauf hin, dass die grundsätzlichen rechtlichen Überlegungen durchaus geteilt werden, was aber natürlich nichts hilft, wenn die Feststellungen nicht passen.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Tobias__21 »

Spätestens jetzt war beiden Angeklagten bewusst, dass ein die Nürnberger Straße befahrender, bei grüner Ampelphase berechtigt in die Kreuzung einfahrender Fahrzeugführer und etwaige Mitinsassen bei einer Kollision mit den von ihnen gelenkten Pkw nicht nur verletzt, sondern aufgrund der von ihnen im Rahmen des vereinbarten Rennens gefahrenen sehr hohen Geschwindigkeiten mit großer Wahrscheinlichkeit zu Tode kommen würden.
Die Fahrer dieser Fahrzeuge fühlen sich in ihren tonnenschweren, stark beschleunigenden, mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteteten Autos geschützt, stark und überlegen wie in einem Panzer oder in einer Burg und blenden jegliches Risiko für sich selbst aus
Da auch der Angeklagte Hxxxx erkannt hatte, dass sich neben dem Angeklagten Nxxxx noch eine weitere Person auf dem Beifahrersitz des Mercedes-Benz befand, nahm er es in Kauf, dass diese im Verlauf des Rennens schwere oder tödliche Verletzungen erleiden könnte. Die Verletzungen der Nebenklägerin sind mittels des gefährlichen Werkzeugs Kraftfahrzeug unmittelbar verursacht worden
Wenn man sich in einem Auto sicher fühlt, wie kann man dann Vorsatz haben seinen Beifahrer zu verletzen? Das passt nicht zusammen. Wenn die denken "Mir passiert in meiner Karre eh nichts", denken sie ja auch dass dem Beifahrer nichts passieren wird. Es wird auch nicht klar wer sich da sicher gefühlt haben soll. Die Angeklagten, oder der typische Fahrer eines solchen Autos? Man hätte da genauer auf die Vorstellungen der Angeklagten abheben müssen.

Und das "spätestens" ist halt auch unglücklich und wird der Entscheidung letztlich das Genick gebrochen haben. Das "spätestens" impliziert nämlich, dass es nicht darauf ankäme, ob der Vorsatz schon zuvor da war, denn jedenfalls war er zu diesem Zeitpunkt ja sicher gegeben. Aber dieser Zeitpunkt war eben zu spät. Ich glaube auch, dass der Vorsatz vorher da war und man das begründet kriegt, aber man kann es eben nicht mit dem Wort "spätestens" offen lassen. Den Satz hätte man sich besser komplett gespart in der Entscheidung. Aber da muss ja auch erstmal dran denken...Ich wollte so eine Entscheidung jedenfalls nicht schreiben. Allerdings war der Vorsatz eben auch der Kernknackpunkt. Da müssen die Richter dann halt doppelt und dreifach hinschauen. Eigentlich darf das nicht passieren.

Ob man das in einer neuen Verhandlung korrigiert kriegt? Ich weiß es nicht. Möglich ist es sicher. Ich denke auch, dass der BGH durchaus rechtlich eine Strafbarkeit wegen Mordes in Betracht zieht.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Liz »

Das mit der Beifahrerin ist bei genauer Betrachtung nicht so unlogisch, denn es ging dort um die Beifahrerin des anderen. Und für Täter A ist es widerspruchsfrei möglich zu sagen: "Bei dem Rennen, das ich mir gerade mit B liefere, könnte dessen Beifahrerin C verletzt werden, nämlich dann, wenn B es nicht drauf hat." Und m. E. schließt selbst die Inkaufnahme einer eigenen Körperverletzung (oder einer Körperverletzung innerhalb des eigenen Fahrzeugs) nicht zwingend einen Tötungsvorsatz hinsichtlich außerhalb des Fahrzeugs befindlicher Personen aus.
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