Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Es geht dabei ja nicht nur um Generalprävention (ein stets in höchstem Maße spekulativer Aspekt), sondern unter anderem auch darum, dass ein solches Urteil offensichtlich seine Befriedungsfunktion verfehlt. Darüber hinaus ist die Gewichtung unterschiedlicher Aspekte bei der Strafzumessung nun einmal ziemlich kontingent. Deswegen erscheint es mir ja auch so wohlfeil, so zu tun, als bleibe einem (praktisch) keine andere Wahl.
Das bezweifelt wohl niemand, ich zumindest bezweifle es nicht. Die Frage ist aber, ob die andere Wahl besser oder richtiger wäre.
Es gibt unter Juristen eine Neigung, den Gesetzgeber für alles verantwortlich zu machen. Natürlich könnte er den Strafrahmen für fahrlässige Tötung anheben, könnte einen eigenen Tatbestand schaffen, wenn Unbeteiligte bei Autorennen zu Tode kommen usw. Aber man sollte sich schon auch mal an die eigene Nase fassen, und das bedeutet, dass man Kritik auch (und vielleicht sogar erst recht) ernst nehmen sollte, wenn es nicht darum geht, ob eine Entscheidung bereits unvertretbar ist.
Die Kritik an zu geringen Strafen wird von der Justiz soweit ich das beurteilen kann durchaus ernst genommen. Aber es führt eben nicht zwangsläufig zur Erkenntnis, dass dieser Kritik unbedingt nachzugeben ist. Tatsächlich zeichnet sich eine unabhängige Justiz doch gerade dadurch aus, dass sie sich bei der Urteilsfindung nicht von Erwägungen bezüglich der Popularität einer Entscheidung leiten lässt. Natürlich ist die öffentliche Akzeptanz einer Entscheidung wichtig für das Vertrauen in den Rechtsstaat. Diese muss aber die Reaktion auf das Urteil sein, nicht umgekehrt. Fälle, in denen das Urteil der öffentlichen Erwartung nicht gerecht wird, sind zumindest dann hinzunehmen, wenn das Urteil nicht offensichtlich falsch ist. Dazu gehören auch "noch vertretbare" Urteile. Ich weiss nicht, ob das Urteil im konkreten Fall noch vertretbar ist, ich habe weder die Hauptverhandlung verfolgt, noch war ich bei der Urteilsberatung anwesend, die Entscheidungsgründe habe ich auch nicht gelesen. Ich halte es aber für durchaus denkbar und sogar wahrscheinlich, dass es Umstände gab, die das Gericht vertretbar zu einer Bewährungsstrafe gebracht haben, die in der Berichterstattung vielleicht keine Rolle gespielt haben.
Insbesondere halte ich die Bewährungsstrafe für den einen Täter, der glaubhafte Reue gezeigt, erste Hilfe geleistet und seine Schuld eingeräumt hat bereits aufgrund der Berichterstattung für nachvollziehbar, die Bewährungsstrafe des anderen Täters aber nicht. Das bedeutet aber nicht, dass das Gericht bezüglich des anderen Täters aber nicht möglicherweise Umstände berücksichtigt hat, die ich nicht kenne.
Im Übrigen ist es m.E. auch völliger Quatsch, der Bevölkerung reflexhaft zu unterstellen, sie wolle, dass ein "Exempel" statuiert wird o.Ä. Darum geht es doch gar nicht. Es geht um angemessene Strafen, die dem Gerichtigkeitsempfinden der meisten Menschen nicht völlig zuwiderlaufen und die vor allem den Einduck erwecken, das begangene Unrecht (auch in Relation zu anderen Begebenheiten) ernst zu nehmen.
So habe ich deine Aussage zur "verheerenden Wirkung" verstanden. Was denn nun eine "angemessene" Strafe ist, lässt sich doch kaum absolut bestimmen. Insbesondere ist die "angemessene Strafe" nicht zwangsläufig die, die von der Öffentlichkeit für richtig gehalten wird. Speziell im Bereich der fahrlässigen Tötung hat man nunmal die Kombination aus sehr hohem Erfolgsunrecht und sehr beschränktem Handlungsunrecht. Da bewegt man sich zwangsläufig im Bereich einer noch bewährungsfähigen Freiheitsstrafe. Was letztendlich den Ausschlag gibt, sind dann oft Details in der Persönlichkeit der Täter oder der Gestalt der konkreten Tat, diese Details kann man mE alleine über die Berichterstattung nicht in der gleichen Weise erfassen und würdigen, wie es das Gericht kann.