Straßenrennen und Strafzumessung

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Tobias__21
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Tobias__21 »

Ah, danke! Ich hab das damals nicht mehr weiter verfolgt und wusste gar nicht, dass es da sogar schon einen Gesetzesentwurf gibt. Dort Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren wenn man den Tod eines Menschen verursacht. Mord mindestens 15 Jahre. Das wird noch einige Fragen aufwerfen.
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OJ1988
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von OJ1988 »

Sebast1an hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Vielleicht kocht ja jetzt auch wieder die Forderung nach einem eigenen Straftatbestand hoch.
http://www.bundesrat.de/drs.html?id=362-16%28B%29
Das Urteil dürfte - wenn es "hält" - entsprechende Vorstöße eher eindämmen. Mehr als "lebenslang" geht kaum.
Tobias__21
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Tobias__21 »

OJ1988 hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Ja, den Gedanken hatte ich auch. Ist für mich weniger ein Argument gegen die Annahme von Vorsatz, was ja wie gesagt eine tatsächliche Frage ist. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der BGH bei einem folgenlosen, hochgefährlichen Rennen auf einer befahrenen Straße eine Verurteilung wegen versuchten Mordes akzeptieren würde. Da das aber die logische Konsequenz des Urteils wäre, kann ich mir durchaus vorstellen, dass der BGH hier aufhebt. Auf der anderen Seite steht natürlich wiederum die extreme Gefährlichkeit im vorliegenden Fall, die ja auch deutlich höher ist als bei den meisten "normalen" illegalen Straßenrennen.
Das wäre nicht die logische Konsequenz des Urteils, da neben dem Tatentschluss ja noch das unmittelbare Ansetzen zur Tat (hier: Tötung eines anderen Menschens, nicht "das Autorennen") hinzutreten muss. Dafür muss - abseits aller Feinziselierungen - das jeweils im Raum stehende Rechtsgut "Leben" eines konkreten Menschens unmittelbar gefährdet werden, was auch eine zeitlich-räumliche Nähebeziehung voraussetzt. Ein abstrakt gefährliches Rennen als solches reicht dafür nicht aus. Es macht sich daher auch bei Bejahung der subjektiven Tatseite nicht jeder gleich wegen versuchten Mordes strafbar, der auf öffentlichen Straßen ein Autorennen veranstaltet.
Wenn man aber mit 200 Sachen über eine vielbefahrene Straße brettert ist das doch nicht mehr bloß abstrakt gefährlich? Eine Rechtsgutsverletzung kann doch vielmehr jederzeit eintreten. Der BGH nimmt doch größtenteils die Zwischenaktstheorie, zieht aber auch andere Kriterien hinzu. Ich denke schon, dass man in einem Fall wie hier zu einem unmittelbaren Ansetzen kommen kann. Der Täter gibt das Geschehen ja auch völlig aus der Hand.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von [enigma] »

OJ1988 hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Ja, den Gedanken hatte ich auch. Ist für mich weniger ein Argument gegen die Annahme von Vorsatz, was ja wie gesagt eine tatsächliche Frage ist. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der BGH bei einem folgenlosen, hochgefährlichen Rennen auf einer befahrenen Straße eine Verurteilung wegen versuchten Mordes akzeptieren würde. Da das aber die logische Konsequenz des Urteils wäre, kann ich mir durchaus vorstellen, dass der BGH hier aufhebt. Auf der anderen Seite steht natürlich wiederum die extreme Gefährlichkeit im vorliegenden Fall, die ja auch deutlich höher ist als bei den meisten "normalen" illegalen Straßenrennen.
Das wäre nicht die logische Konsequenz des Urteils, da neben dem Tatentschluss ja noch das unmittelbare Ansetzen zur Tat (hier: Tötung eines anderen Menschens, nicht "das Autorennen") hinzutreten muss. Dafür muss - abseits aller Feinziselierungen - das jeweils im Raum stehende Rechtsgut "Leben" eines konkreten Menschens unmittelbar gefährdet werden, was auch eine zeitlich-räumliche Nähebeziehung voraussetzt. Ein abstrakt gefährliches Rennen als solches reicht dafür nicht aus. Es macht sich daher auch bei Bejahung der subjektiven Tatseite nicht jeder gleich wegen versuchten Mordes strafbar, der auf öffentlichen Straßen ein Autorennen veranstaltet.
In meinem ursprünglichen Beitrag hatte ich explizit geschrieben, dass die Versuchsstrafbarkeit voraussetzt, dass ein anderes Fahrzeug oder ein Fußgänger zumindest in die Nähe der Fahrer kommt. Das dürfte bei einer viel befahrenen Straße wie im vorliegenden Fall aber zwangsläufig der Fall sein. Und auch hier wäre eine Verurteilung wegen versuchten Mordes bei ausbleibendem Unfall doch kaum nachvollziehbar.
OJ1988 hat geschrieben:
Sebast1an hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Vielleicht kocht ja jetzt auch wieder die Forderung nach einem eigenen Straftatbestand hoch.
http://www.bundesrat.de/drs.html?id=362-16%28B%29
Das Urteil dürfte - wenn es "hält" - entsprechende Vorstöße eher eindämmen. Mehr als "lebenslang" geht kaum.
Möglicherweise hält der Gesetzgeber lebenslang in solchen Fällen selbst nicht für angemessen. Das ist ja gerade die zentrale Frage hier. Ob lebenslange Freiheitsstrafe als zwingende Folge auch am unteren Rand des billigenden Inkaufnehmens verhängt werden sollte.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von OJ1988 »

Tobias__21 hat geschrieben:
OJ1988 hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Ja, den Gedanken hatte ich auch. Ist für mich weniger ein Argument gegen die Annahme von Vorsatz, was ja wie gesagt eine tatsächliche Frage ist. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der BGH bei einem folgenlosen, hochgefährlichen Rennen auf einer befahrenen Straße eine Verurteilung wegen versuchten Mordes akzeptieren würde. Da das aber die logische Konsequenz des Urteils wäre, kann ich mir durchaus vorstellen, dass der BGH hier aufhebt. Auf der anderen Seite steht natürlich wiederum die extreme Gefährlichkeit im vorliegenden Fall, die ja auch deutlich höher ist als bei den meisten "normalen" illegalen Straßenrennen.
Das wäre nicht die logische Konsequenz des Urteils, da neben dem Tatentschluss ja noch das unmittelbare Ansetzen zur Tat (hier: Tötung eines anderen Menschens, nicht "das Autorennen") hinzutreten muss. Dafür muss - abseits aller Feinziselierungen - das jeweils im Raum stehende Rechtsgut "Leben" eines konkreten Menschens unmittelbar gefährdet werden, was auch eine zeitlich-räumliche Nähebeziehung voraussetzt. Ein abstrakt gefährliches Rennen als solches reicht dafür nicht aus. Es macht sich daher auch bei Bejahung der subjektiven Tatseite nicht jeder gleich wegen versuchten Mordes strafbar, der auf öffentlichen Straßen ein Autorennen veranstaltet.
Wenn man aber mit 200 Sachen über eine vielbefahrene Straße brettert ist das doch nicht mehr bloß abstrakt gefährlich? Eine Rechtsgutsverletzung kann doch vielmehr jederzeit eintreten. Der BGH nimmt doch größtenteils die Zwischenaktstheorie, zieht aber auch andere Kriterien hinzu. Ich denke schon, dass man in einem Fall wie hier zu einem unmittelbaren Ansetzen kommen kann. Der Täter gibt das Geschehen ja auch völlig aus der Hand.
Auch die Beschreibung einer Straße als "vielbefahren" genügt als solche eben nicht. Es muss m.E. ein konkretes Tatopfer geben, demgegenüber der Mord versucht wurde. Das ist dann auch eine praktische (Beweis-)frage.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von dosenbaer »

Bewirkt das Urteil eine allgemeine Anzeigepflicht von geplanten Autorennen im öffentlichen Straßenverkehr nach § 138 I Nr. 5 StGB?

Denn letztlich kann ich als Dritter schwer die konkrete Gefahr einschätzen: auch ein Rennen um 04:00 Uhr in der Innenstadt mit zwei Citroën 2CV mit umsichtigeren Fahrern kann etwa für Fußgänger durchaus tödlich enden.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von OJ1988 »

[enigma] hat geschrieben:
OJ1988 hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Ja, den Gedanken hatte ich auch. Ist für mich weniger ein Argument gegen die Annahme von Vorsatz, was ja wie gesagt eine tatsächliche Frage ist. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der BGH bei einem folgenlosen, hochgefährlichen Rennen auf einer befahrenen Straße eine Verurteilung wegen versuchten Mordes akzeptieren würde. Da das aber die logische Konsequenz des Urteils wäre, kann ich mir durchaus vorstellen, dass der BGH hier aufhebt. Auf der anderen Seite steht natürlich wiederum die extreme Gefährlichkeit im vorliegenden Fall, die ja auch deutlich höher ist als bei den meisten "normalen" illegalen Straßenrennen.
Das wäre nicht die logische Konsequenz des Urteils, da neben dem Tatentschluss ja noch das unmittelbare Ansetzen zur Tat (hier: Tötung eines anderen Menschens, nicht "das Autorennen") hinzutreten muss. Dafür muss - abseits aller Feinziselierungen - das jeweils im Raum stehende Rechtsgut "Leben" eines konkreten Menschens unmittelbar gefährdet werden, was auch eine zeitlich-räumliche Nähebeziehung voraussetzt. Ein abstrakt gefährliches Rennen als solches reicht dafür nicht aus. Es macht sich daher auch bei Bejahung der subjektiven Tatseite nicht jeder gleich wegen versuchten Mordes strafbar, der auf öffentlichen Straßen ein Autorennen veranstaltet.
In meinem ursprünglichen Beitrag hatte ich explizit geschrieben, dass die Versuchsstrafbarkeit voraussetzt, dass ein anderes Fahrzeug oder ein Fußgänger zumindest in die Nähe der Fahrer kommt. Das dürfte bei einer viel befahrenen Straße wie im vorliegenden Fall aber zwangsläufig der Fall sein. Und auch hier wäre eine Verurteilung wegen versuchten Mordes bei ausbleibendem Unfall doch kaum nachvollziehbar.
OJ1988 hat geschrieben:
Sebast1an hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:Vielleicht kocht ja jetzt auch wieder die Forderung nach einem eigenen Straftatbestand hoch.
http://www.bundesrat.de/drs.html?id=362-16%28B%29
Das Urteil dürfte - wenn es "hält" - entsprechende Vorstöße eher eindämmen. Mehr als "lebenslang" geht kaum.
Möglicherweise hält der Gesetzgeber lebenslang in solchen Fällen selbst nicht für angemessen. Das ist ja gerade die zentrale Frage hier. Ob lebenslange Freiheitsstrafe als zwingende Folge auch am unteren Rand des billigenden Inkaufnehmens verhängt werden sollte.
Diese Problematik bekommt man aber nicht durch einen neuen Straftatbestand in den Griff, sondern entweder über eine Änderung des Mordtatbestandes (um den geht es hier ja) oder - richterrechtlich - über das Auffangen solcher Fälle durch die sog. "Rechtsfolgenlösung".
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von OJ1988 »

[quote="[enigma]]

In meinem ursprünglichen Beitrag hatte ich explizit geschrieben, dass die Versuchsstrafbarkeit voraussetzt, dass ein anderes Fahrzeug oder ein Fußgänger zumindest in die Nähe der Fahrer kommt. Das dürfte bei einer viel befahrenen Straße wie im vorliegenden Fall aber zwangsläufig der Fall sein. Und auch hier wäre eine Verurteilung wegen versuchten Mordes bei ausbleibendem Unfall doch kaum nachvollziehbar.
[/quote]

Wenn jemand mit bedingtem Tötungsvorsatz auf einen Menschen schießt und der Schuss geht daneben, hättest du wohl kaum diese Bedenken. Warum soll das nun anders sein, wenn man - mit Tötungsvorsatz wohlgemerkt! - statt einer Schusswaffe ein KfZ als Tatwerkzeug benutzt?
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von [enigma] »

Weil das Unrecht, das durch Straßenrennen verwirklicht wird deutlich näher an der fahrlässigen Tötung liegt als am absichtlichen Tötungsdelikt. Das ist bei einem Schuss auf einen Menschen anders. Schusswaffen haben ausschließlich den Sinn, Menschen schwer zu verletzen oder zu töten. Im Übrigen geht es ja gerade um die Frage, ob man in der Versuchskonstellation hier überhaupt bedingten Vorsatz annehmen würde oder nicht. Ich halte das in der Praxis für fast undenkbar. Dann ist es aber widersprüchlich, den bedingten Vorsatz bei Eintritt des Todeserfolgs plötzlich doch anzunehmen. Denn der Erfolgseintritt ändert ja nichts am subjektiven Tatbestand.
OJ1988 hat geschrieben:
Diese Problematik bekommt man aber nicht durch einen neuen Straftatbestand in den Griff, sondern entweder über eine Änderung des Mordtatbestandes (um den geht es hier ja) oder - richterrechtlich - über das Auffangen solcher Fälle durch die sog. "Rechtsfolgenlösung".
Warum nicht? Die Rechtsfolgenlösung müsste hier ja noch erweitert werden und ist ohnehin bereits jetzt eine Notlösung. Denn wenn man den Vorsatz annimmt, gibt es tatsächlich kaum Gründe, warum man von der lebenslangen Freiheitsstrafe noch abweichen sollte. Die Rechtsfolgenlösung wurde aber doch entwickelt, um zu weit gehende Mordmerkmale auf Strafzumessungsseite abzufangen, nicht um praktische Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und Fahrlässigkeit zu beseitigen. Das sollte mE schon der Gesetzgeber machen. Ob man nun einen neuen Tatbestand einfügt oder einen minder schweren Fall des Mordes schafft, ist eine andere, ebenfalls interessante Frage. Ich halte spontan beide Wege für gangbar. Der neue Straßenverkehrstatbestand hätte den Vorteil, dass Straßenrennen stets strafbar - nicht im Regelfall nur eine OWi - sind und 10 Jahre Höchststrafe für tödliche Rennen halte ich auch für ausreichend. Die Reform des Mordes ist aus anderen Gründen überfällig. Es spricht ja auch nichts dagegen, beides zu machen.
Zuletzt geändert von [enigma] am Dienstag 28. Februar 2017, 15:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von sai »

dosenbaer hat geschrieben:Mich interessiert dieses Gutachten ja sehr.

Denn man sollte doch annehmen, dass zwei Hohlbrote, deren Kraftfahrzeuge ihr ein und alles sind, zumindest in der Hinsicht, dass ihren Schätzen nichts passiert, ernsthaft darauf vertrauen, das Rennen unter Kontrolle zu haben und ohne Unfall über die Bühne zu bringen. Ähnlich dem Betrunkenen, der sein Fahrzeug ohne Aufhebens und eigenen bzw. fremden Velretzungen nach Hause bringen will.

Oder haben die sich dahingehend geäußert, ihr Leben, Leben Dritter und die Sachsubstanz ihrer Fahrzeuge einer Idee des Rennens unterzuordnen?


Der Hinweis von [enigma] auf die Strafbarkeit bzgl. versuchten Mordes ist auch beachtlich :-k
Laut Presse soll der Knackpunkt in dem Gutachten sein, dass der Angeklagte, der letztlich den Unfall gebaut hat, auf die Frage der Gutachterin, ob er glaube, dass der andere eine mildere Strafe als er bekommen könne, geantwortet hat: Nein, denn der habe das Risiko ja auch in Kauf genommen, er hätte das querende Auto genauso gut treffen können.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von [enigma] »

sai hat geschrieben:
dosenbaer hat geschrieben:Mich interessiert dieses Gutachten ja sehr.

Denn man sollte doch annehmen, dass zwei Hohlbrote, deren Kraftfahrzeuge ihr ein und alles sind, zumindest in der Hinsicht, dass ihren Schätzen nichts passiert, ernsthaft darauf vertrauen, das Rennen unter Kontrolle zu haben und ohne Unfall über die Bühne zu bringen. Ähnlich dem Betrunkenen, der sein Fahrzeug ohne Aufhebens und eigenen bzw. fremden Velretzungen nach Hause bringen will.

Oder haben die sich dahingehend geäußert, ihr Leben, Leben Dritter und die Sachsubstanz ihrer Fahrzeuge einer Idee des Rennens unterzuordnen?


Der Hinweis von [enigma] auf die Strafbarkeit bzgl. versuchten Mordes ist auch beachtlich :-k
Laut Presse soll der Knackpunkt in dem Gutachten sein, dass der Angeklagte, der letztlich den Unfall gebaut hat, auf die Frage der Gutachterin, ob er glaube, dass der andere eine mildere Strafe als er bekommen könne, geantwortet hat: Nein, denn der habe das Risiko ja auch in Kauf genommen, er hätte das querende Auto genauso gut treffen können.
Wobei ich das nicht so ganz überzeugend finde. Dass der Täter das Risiko nachträglich anerkennt, nachdem es sich realisiert hat, sagt ja noch nichts über seine Vorstellung zum Tatzeitpunkt aus.
Zuletzt geändert von [enigma] am Dienstag 28. Februar 2017, 15:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Jora »

Nach dem was ich lesen konnte hierzu sehe ich überhaupt keinen Spielraum dieses Urteil abzuändern. Das Gericht kann schließlich auch nichts dafür, wenn die Angeklagten durchgängig alle Tatbestandsmerkmale erfüllen. Vor allem wenn die Verteidigung sich selbst demontiert, indem sie eine Gutachterin ins Feld führt, die dem Richter und der Sta den Eventualvorsatz auf dem Silbertablet liefert:

"Mit einer Einschränkung: Es ist nur ein Nebensatz, aber seine Formulierung steht im Saal wie ein Stolperstein. Als die Gutachterin Hamdi H. bei einem Treffen auf den Mitangeklagten Marvin N. ansprach und darauf, dass diesen eventuell ein geringeres Strafmaß erwarten könnte, soll H. gesagt haben, der andere habe es ja „auch in Kauf genommen“, dass jemand sterben könnte. Auch in Kauf genommen? War es also doch Gleichmut, der ihn in das Rennen trieb?"Welt Online

Mir wurde in Strafrecht AT gesagt, wenn im Sachverhalt schon etwas von billigend in Kauf nehmen steht, brauch man keinen Meinungsstreit mehr aufmachen. Es wäre sogar falsch.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von [enigma] »

Jora hat geschrieben:Nach dem was ich lesen konnte hierzu sehe ich überhaupt keinen Spielraum dieses Urteil abzuändern. Das Gericht kann schließlich auch nichts dafür, wenn die Angeklagten durchgängig alle Tatbestandsmerkmale erfüllen. Vor allem wenn die Verteidigung sich selbst demontiert, indem sie eine Gutachterin ins Feld führt, die dem Richter und der Sta den Eventualvorsatz auf dem Silbertablet liefert:

"Mit einer Einschränkung: Es ist nur ein Nebensatz, aber seine Formulierung steht im Saal wie ein Stolperstein. Als die Gutachterin Hamdi H. bei einem Treffen auf den Mitangeklagten Marvin N. ansprach und darauf, dass diesen eventuell ein geringeres Strafmaß erwarten könnte, soll H. gesagt haben, der andere habe es ja „auch in Kauf genommen“, dass jemand sterben könnte. Auch in Kauf genommen? War es also doch Gleichmut, der ihn in das Rennen trieb?"Welt Online
Siehe meinen letzten Beitrag.
Jora hat geschrieben:
Mir wurde in Strafrecht AT gesagt, wenn im Sachverhalt schon etwas von billigend in Kauf nehmen steht, brauch man keinen Meinungsstreit mehr aufmachen. Es wäre sogar falsch.
Du kannst aus so einem Satz alleine aber nicht auf billigendes Inkaufnehmen schließen. Die Schwierigkeit der Rechtsanwendung in der Praxis besteht gerade darin, dass du im Unterschied zur Klausur keine eindeutigen Sachverhalte hast. Diesen Luxus hat man tatsächlich nur im Studium.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Jora »

[enigma] hat geschrieben:
Jora hat geschrieben:Nach dem was ich lesen konnte hierzu sehe ich überhaupt keinen Spielraum dieses Urteil abzuändern. Das Gericht kann schließlich auch nichts dafür, wenn die Angeklagten durchgängig alle Tatbestandsmerkmale erfüllen. Vor allem wenn die Verteidigung sich selbst demontiert, indem sie eine Gutachterin ins Feld führt, die dem Richter und der Sta den Eventualvorsatz auf dem Silbertablet liefert:

"Mit einer Einschränkung: Es ist nur ein Nebensatz, aber seine Formulierung steht im Saal wie ein Stolperstein. Als die Gutachterin Hamdi H. bei einem Treffen auf den Mitangeklagten Marvin N. ansprach und darauf, dass diesen eventuell ein geringeres Strafmaß erwarten könnte, soll H. gesagt haben, der andere habe es ja „auch in Kauf genommen“, dass jemand sterben könnte. Auch in Kauf genommen? War es also doch Gleichmut, der ihn in das Rennen trieb?"Welt Online
Siehe meinen letzten Beitrag.
Jora hat geschrieben:
Mir wurde in Strafrecht AT gesagt, wenn im Sachverhalt schon etwas von billigend in Kauf nehmen steht, brauch man keinen Meinungsstreit mehr aufmachen. Es wäre sogar falsch.
Du kannst aus so einem Satz alleine aber nicht auf billigendes Inkaufnehmen schließen. Die Schwierigkeit der Rechtsanwendung in der Praxis besteht gerade darin, dass du im Unterschied zur Klausur keine eindeutigen Sachverhalte hast. Diesen Luxus hat man tatsächlich nur im Studium.
Ahh ok da schließt sich der Kreis :-({|= Ich bin natürlich auch sehr aufs Studium fixiert und Rechtsprechungsanwendung ist natürlich für mich noch weit weg. Ich denke aber schon, dass das Gericht die Beweise vorliegend richtig gewürdigt hat. Ein Urteil ist natürlich immer schwierig, wenn es sich auf ein Gutachten stützt. Andererseits hat er diese Aussage so nun mal getroffen und für mich stellt diese Aussage auch auf den Tatzeitpunkt ab. Vor allem hat er das mit billigend in Kauf nehmen ja nicht einfach so gesagt. Er selbst hat die Brücke zu einer möglichen Tötung gezogen indem er sagte, "dass jemand anderes sterben könnte". Der Angeklagte hat damit also selbst die Brücke von billigend in Kauf nehmen und der daraus resultierenden Tötung eines Menschen geschlagen. Charakterlich bezeichnend auch, dass der Angeklagte im Moment der Urteilsverkündung im Gerichtssaal rumpöbelte. Während des gesamten Prozesses den unschuldigen, um Vergebung flehenden Angeklagten gespielt, aber wenns dann doch nicht so kommt wie gewollt, die Maske fallen lassen. Sicherlich menschlich nachvollziehbar bei Verkündung einer lebenslangen Freiheitsstrafe neben sich zu stehen, passt aber eben doch nicht zu dem Bild, welches er von sich selbst während des Prozesses gezeichnet hat. Geht ja hier schliesslich um einen Menschen der zu Tode gekommen ist und nicht um Scheckkartenbetrug. Der dachte anscheinend wirklich, der geht mit 3 Jahre Bewährung Nachhause. Das wäre meiner Ansicht nach nun wirklich blanker Hohn gewesen. Dann können wir den Eventualvorsatz gleich komplett abschaffen, wäre es so gekommen.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von [enigma] »

Wie gesagt, die Aussage wurde nach dem Unfall getätigt. Spätestens da haben die Angeklagten natürlich das Risiko realisiert und wohl auch zumindest nachträglich eingesehen, dass sie damit zumindest hätten rechnen müssen. Der Vorsatz muss aber zum Zeitpunkt der Tat vorliegen. Und den wird man mit diesem Satz nicht zweifelsfrei feststellen können. Man kann das auch so lesen:

"Wenn ich schon dafür verurteilt werde, dass ich den Tod eines anderen in Kauf genommen habe - was nicht stimmt, man nennt nicht umsonst den Transporter, ich bin der beste Fahrer vong Welt -, muss das auch für den anderen Angeklagten gelten."

Das BGH-Urteil wird jedenfalls spannend. Man wird in die eine oder andere Richtung für eine einheitliche Rechtsanwendung sorgen müssen. Es kann nicht sein, dass das eine Gericht in vergleichbaren Konstellationen zu Bewährungsstrafen und das andere zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Jora hat geschrieben:Geht ja hier schliesslich um einen Menschen der zu Tode gekommen ist und nicht um Scheckkartenbetrug. Der dachte anscheinend wirklich, der geht mit 3 Jahre Bewährung Nachhause. Das wäre meiner Ansicht nach nun wirklich blanker Hohn gewesen. Dann können wir den Eventualvorsatz gleich komplett abschaffen, wäre es so gekommen.
Solche Gerechtigkeitserwägungen haben aber in der Beweiswürdigung (Vorsatz ja/nein) nichts zu suchen. Und das wird auch ein möglicher Angriffspunkt im Urteil sein. Und natürlich müsste man den Eventualvorsatz nicht abschaffen, wenn man ihn hier verneint. OJs Beispiel (Schuss auf eine Person in billigender Inkaufnahme des Todes) ist der klassische Fall des bedingten Tötungsvorsatzes. Taten wie hier, in denen man sich zumindest in der Nähe der Fahrlässigkeit bewegt, erfüllen nun mal nicht das typische Unrecht, das mit Tötungsvorsatz normalerweise verbunden ist.
Zuletzt geändert von [enigma] am Dienstag 28. Februar 2017, 15:53, insgesamt 2-mal geändert.
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