Straßenrennen und Strafzumessung

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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OJ1988
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von OJ1988 »

Levi hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:
Micha79 hat geschrieben:Der vorliegende Fall führt verständlicherweise zu einer von Emotionen beeinflussten Wertung. Die Frage nach dem Vorsatz muss man hier aber berechtigterweise stellen. Sie würde sich zB auch dann stellen, wenn der Ehemann irrationalerweise mit derselben Geschwindigkeit ins Krankenhaus fährt, weil er nur so glaubt, die Ehefrau und das Kind retten zu können, also anders als die Raser ein verständlicheres Motiv verfolgt.

Mein Problem ist neben dem bedingt vorsätzlichen Mord auch der undifferenzierte Strafrahmen bei fahrlässiger Tötung (max. 5 Jahre). Wie wäre es mit einer "leichtfertigen Tötung" als Zwischenstück? Ich halte es nicht für so gut, immer nur bei einzelnen Delikten die Todesfolge anzusetzen (XXX mit Todesfolge). Auf diese Weise müsste man auch nicht immer über einen neuen Straftatbestand nachdenken, wenn eine bestimmte gefährliche Verhaltensweise auf den ersten Blick Strafrahmen auslöst, die bzgl. ihrer Schuldangemessenheit Zweifel auslösen (zu niedrig aber ggf. auch zu hoch, wenn Mord im Raum steht).
In Common-Law-Rechtsordnungen hatte die Unwilligkeit der Jurys, bei leichtfertig verursachten Unfällen mit tödlichem Ausgang wegen manslaughter zu verurteilen, zur Einführung eines Sonderdelikts, des vehicular manslaughter geführt. Ich denke, man kann durchaus erwägen, bei § 315c StGB ein Verbrechen der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung mit Todesfolge vorzusehen. Denn eine Verurteilung wegen Tötungsdelikten dürfte nur in Extremfällen im Raum stehen, der Strafrahmen des § 222 StGB ist aber nicht immer tat- und schuldangemessen.
Einen solchen neuen Straftatbestand bräuchte man gar nicht, wenn man illegale Autorennen nicht mehr als "normale" Teilnahme am Straßenverkehr bewerten würde, sondern als das, was sie meiner Meinung nach sind: eine Zweckentfremdung der Straße.
- Und damit ein von außen kommender Eingriff.

Dann hätte man einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 iVm § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB und einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Aber ich weiß natürlich, dass das - wie so oft - eine meiner Mindermeinungen ist. Bild
Das ist keine Mindermeinung, sondern wird nach ständiger Rechtsprechung (sofern Schädigungsvorsatz vorliegt) unter dem Stichwort "Pervertierung des Straßenverkehrs" bereits jetzt unter § 315b StGB subsumiert. Allerdings muss es auch zu einem Gefährdungserfolg, also einem "Beinahe-Unfall" kommen. Daran mag es im Einzelfall fehlen und da könnte ein neuer Tatbestand ansetzen, indem er bereits die Teilnahme an einem Autorennen unter Strafe stellt.
dosenbaer
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von dosenbaer »

Wobei sich der Schütze nicht selbst gefährdet.

Überhaupt wäre interessant, inwiefern solche Rennen nun tatsächlich ein Problem darstellen. Auf der einen Seite soll der Kudamm an drei Nächten pro Woche zur illegalen Rennzone werden (http://www.bz-berlin.de/berlin/illegale ... -packt-aus), auf der anderen Seite wird nun behauptet, jeder der ein Rennen dort versuche, reguliere sich selbst - oder werde zumindest öffentlichkeitswirksam.
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tatütata
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von tatütata »

OJ1988 hat geschrieben: Das ist keine Mindermeinung, sondern wird nach ständiger Rechtsprechung (sofern Schädigungsvorsatz vorliegt) unter dem Stichwort "Pervertierung des Straßenverkehrs" bereits jetzt unter § 315b StGB subsumiert. Allerdings muss es auch zu einem Gefährdungserfolg, also einem "Beinahe-Unfall" kommen. Daran mag es im Einzelfall fehlen und da könnte ein neuer Tatbestand ansetzen, indem er bereits die Teilnahme an einem Autorennen unter Strafe stellt.
Versuchstrafbarkeit? :-k
Micha79
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Micha79 »

Das Argument "wenn sie bedingten Vorsatz haben bzgl. des Todes anderer, dann auch bzgl. Selbsttötung" verfängt nur beschränkt. Wer mit 160 ungebremst in einen Brückenpfeiler fährt, ist tot. Aber wer zB mit 60 einen Unfall baut, überlebt in der Regel in modernen Autos. Zudem kann man bei Autos auch bei höherer Geschwindigkeit glimpflich davonkommen (zB indem man keinen Frontalaufprall erleidet). Der Fußgänger hat keine Knautschzone, keinen Gurt und keinen Airbag und ist bei entsprechenden Situationen sofort tot. Daher: Um den Autofahrer zu töten, bedarf es eines wesentlich schwereren Aufpralls als für den Tod des Fußgängers. Aus diesem Grund kann der Autofahrer auch bedingten Vorsatz bzgl. des Fußgängers haben, bzgl. seiner selbst aber ernsthaft auf das Ausbleiben des Erfolges vertrauen, weil er von der Gefahr nicht gleichermaßen betroffen ist.

Unabhängig hiervon: Die Vorschläge bzgl. neuer Tatbestände, welche aber gleichwohl unter dem Damoklesschwert des Mordes stehen, zeigen ja ggf., dass doch beim bedingten Vorsatz anzusetzen ist und ggf. der fahrlässigen Tötung. Vielleicht sollte § 222 um ein paar Regelbeispiele ergänzt werden?
Micha79
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Micha79 »

Übrigens: endlich wieder ein Klausursachverhalt, bei dem unterschiedliche Vorsatztheorien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen? Nach der Wahrscheinlichkeitstheorie wohl kein Vorsatz? Nach der Hertzberg-Theorie dagegen wohl schon?
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Levi
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Levi »

OJ1988 hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:
Micha79 hat geschrieben:Der vorliegende Fall führt verständlicherweise zu einer von Emotionen beeinflussten Wertung. Die Frage nach dem Vorsatz muss man hier aber berechtigterweise stellen. Sie würde sich zB auch dann stellen, wenn der Ehemann irrationalerweise mit derselben Geschwindigkeit ins Krankenhaus fährt, weil er nur so glaubt, die Ehefrau und das Kind retten zu können, also anders als die Raser ein verständlicheres Motiv verfolgt.

Mein Problem ist neben dem bedingt vorsätzlichen Mord auch der undifferenzierte Strafrahmen bei fahrlässiger Tötung (max. 5 Jahre). Wie wäre es mit einer "leichtfertigen Tötung" als Zwischenstück? Ich halte es nicht für so gut, immer nur bei einzelnen Delikten die Todesfolge anzusetzen (XXX mit Todesfolge). Auf diese Weise müsste man auch nicht immer über einen neuen Straftatbestand nachdenken, wenn eine bestimmte gefährliche Verhaltensweise auf den ersten Blick Strafrahmen auslöst, die bzgl. ihrer Schuldangemessenheit Zweifel auslösen (zu niedrig aber ggf. auch zu hoch, wenn Mord im Raum steht).
In Common-Law-Rechtsordnungen hatte die Unwilligkeit der Jurys, bei leichtfertig verursachten Unfällen mit tödlichem Ausgang wegen manslaughter zu verurteilen, zur Einführung eines Sonderdelikts, des vehicular manslaughter geführt. Ich denke, man kann durchaus erwägen, bei § 315c StGB ein Verbrechen der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung mit Todesfolge vorzusehen. Denn eine Verurteilung wegen Tötungsdelikten dürfte nur in Extremfällen im Raum stehen, der Strafrahmen des § 222 StGB ist aber nicht immer tat- und schuldangemessen.
Einen solchen neuen Straftatbestand bräuchte man gar nicht, wenn man illegale Autorennen nicht mehr als "normale" Teilnahme am Straßenverkehr bewerten würde, sondern als das, was sie meiner Meinung nach sind: eine Zweckentfremdung der Straße.
- Und damit ein von außen kommender Eingriff.

Dann hätte man einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 iVm § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB und einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Aber ich weiß natürlich, dass das - wie so oft - eine meiner Mindermeinungen ist. Bild
Das ist keine Mindermeinung, sondern wird nach ständiger Rechtsprechung (sofern Schädigungsvorsatz vorliegt) unter dem Stichwort "Pervertierung des Straßenverkehrs" bereits jetzt unter § 315b StGB subsumiert. Allerdings muss es auch zu einem Gefährdungserfolg, also einem "Beinahe-Unfall" kommen. Daran mag es im Einzelfall fehlen und da könnte ein neuer Tatbestand ansetzen, indem er bereits die Teilnahme an einem Autorennen unter Strafe stellt.
Wieso erfordert § 315b StGB einen "Schädigungsvorsatz"? Das ist doch ein Gefährdungsdelikt. Der Vorsatz müsste sich in einem solchen Fall doch doch nur auf die Tathandlung und die konkrete Gefährdung beziehen, aber gerade nicht auf die Schädigung, oder? 

Wenn ich ein illegales Autorennen mitten in der Stadt veranstalte, habe ich immer einen Gefährdungsvorsatz, - das macht ja gerade den "Reiz" eines solchen Rennens aus. Zweifel habe ich eher bei einem (Eventual)Tötungsvorsatz, wie er hier vom Gericht angenommen wurde. 

Im Übrigen muss es m. E. noch nicht einmal zu einem Beinahe-Unfall kommen, da der Versuch ja strafbar ist und jedenfalls mit Beginn des Rennens setze ich unmittelbar zur Tat an. 

Woran scheitert hier also der Tatbestand des § 315b StGB, wenn nicht an der fehlenden Verkehrsfremdheit des Eingriffs? 
OJ1988
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von OJ1988 »

Levi hat geschrieben:
OJ1988 hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:
Micha79 hat geschrieben:Der vorliegende Fall führt verständlicherweise zu einer von Emotionen beeinflussten Wertung. Die Frage nach dem Vorsatz muss man hier aber berechtigterweise stellen. Sie würde sich zB auch dann stellen, wenn der Ehemann irrationalerweise mit derselben Geschwindigkeit ins Krankenhaus fährt, weil er nur so glaubt, die Ehefrau und das Kind retten zu können, also anders als die Raser ein verständlicheres Motiv verfolgt.

Mein Problem ist neben dem bedingt vorsätzlichen Mord auch der undifferenzierte Strafrahmen bei fahrlässiger Tötung (max. 5 Jahre). Wie wäre es mit einer "leichtfertigen Tötung" als Zwischenstück? Ich halte es nicht für so gut, immer nur bei einzelnen Delikten die Todesfolge anzusetzen (XXX mit Todesfolge). Auf diese Weise müsste man auch nicht immer über einen neuen Straftatbestand nachdenken, wenn eine bestimmte gefährliche Verhaltensweise auf den ersten Blick Strafrahmen auslöst, die bzgl. ihrer Schuldangemessenheit Zweifel auslösen (zu niedrig aber ggf. auch zu hoch, wenn Mord im Raum steht).
In Common-Law-Rechtsordnungen hatte die Unwilligkeit der Jurys, bei leichtfertig verursachten Unfällen mit tödlichem Ausgang wegen manslaughter zu verurteilen, zur Einführung eines Sonderdelikts, des vehicular manslaughter geführt. Ich denke, man kann durchaus erwägen, bei § 315c StGB ein Verbrechen der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung mit Todesfolge vorzusehen. Denn eine Verurteilung wegen Tötungsdelikten dürfte nur in Extremfällen im Raum stehen, der Strafrahmen des § 222 StGB ist aber nicht immer tat- und schuldangemessen.
Einen solchen neuen Straftatbestand bräuchte man gar nicht, wenn man illegale Autorennen nicht mehr als "normale" Teilnahme am Straßenverkehr bewerten würde, sondern als das, was sie meiner Meinung nach sind: eine Zweckentfremdung der Straße.
- Und damit ein von außen kommender Eingriff.

Dann hätte man einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 iVm § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB und einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Aber ich weiß natürlich, dass das - wie so oft - eine meiner Mindermeinungen ist. Bild
Das ist keine Mindermeinung, sondern wird nach ständiger Rechtsprechung (sofern Schädigungsvorsatz vorliegt) unter dem Stichwort "Pervertierung des Straßenverkehrs" bereits jetzt unter § 315b StGB subsumiert. Allerdings muss es auch zu einem Gefährdungserfolg, also einem "Beinahe-Unfall" kommen. Daran mag es im Einzelfall fehlen und da könnte ein neuer Tatbestand ansetzen, indem er bereits die Teilnahme an einem Autorennen unter Strafe stellt.
Wieso erfordert § 315b StGB einen "Schädigungsvorsatz"? Das ist doch ein Gefährdungsdelikt. Der Vorsatz müsste sich in einem solchen Fall doch doch nur auf die Tathandlung und die konkrete Gefährdung beziehen, aber gerade nicht auf die Schädigung, oder? 

Wenn ich ein illegales Autorennen mitten in der Stadt veranstalte, habe ich immer einen Gefährdungsvorsatz, - das macht ja gerade den "Reiz" eines solchen Rennens aus. Zweifel habe ich eher bei einem (Eventual)Tötungsvorsatz, wie er hier vom Gericht angenommen wurde. 

Im Übrigen muss es m. E. noch nicht einmal zu einem Beinahe-Unfall kommen, da der Versuch ja strafbar ist und jedenfalls mit Beginn des Rennens setze ich unmittelbar zur Tat an. 

Woran scheitert hier also der Tatbestand des § 315b StGB, wenn nicht an der fehlenden Verkehrsfremdheit des Eingriffs? 
§ 315b erfordert an sich keinen Schädigungsvorsatz. Bei der Abgrenzung von "verkehrsinternem" und "verkehrsexternem" Verhalten lässt der BGH aber Verhalten, das sich technisch im Straßenverkehr abspielt (wie zB auch Autorennen), rechtlich als "verkehrsfremd" gelten, wenn der Straßenverkehr durch diese Handlung "pervertiert" wird. Und dafür wird Schädigungsvorsatz verlangt.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Tobias__21 »

§315b umfasst grds. nur Eingriffe von außen in den Straßenverkehr. Der sg. "verkehrsfremde Inneneingriff" ist ausnahmsweise auch umfasst, der BGH fordert hierbei dann aber einen bedingten Schädigungsvorsatz, Vorsatz hinsichtlich einer konkreten Gefährdung reicht hier insoweit nicht aus.
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von dosenbaer »

Micha79 hat geschrieben:Das Argument "wenn sie bedingten Vorsatz haben bzgl. des Todes anderer, dann auch bzgl. Selbsttötung" verfängt nur beschränkt. Wer mit 160 ungebremst in einen Brückenpfeiler fährt, ist tot. Aber wer zB mit 60 einen Unfall baut, überlebt in der Regel in modernen Autos. Zudem kann man bei Autos auch bei höherer Geschwindigkeit glimpflich davonkommen (zB indem man keinen Frontalaufprall erleidet). Der Fußgänger hat keine Knautschzone, keinen Gurt und keinen Airbag und ist bei entsprechenden Situationen sofort tot. Daher: Um den Autofahrer zu töten, bedarf es eines wesentlich schwereren Aufpralls als für den Tod des Fußgängers. Aus diesem Grund kann der Autofahrer auch bedingten Vorsatz bzgl. des Fußgängers haben, bzgl. seiner selbst aber ernsthaft auf das Ausbleiben des Erfolges vertrauen, weil er von der Gefahr nicht gleichermaßen betroffen ist.
Selbst wenn der Fahrer und das KfZ den Aufprall physisch gut überstehen, dürfte das Rennen für den Raser gelaufen sein, er also diesen Eintritt verhindern wollen.
Wenn der Täter jedoch so unglaublich verroht ist, dass ihm der Einsatz als "Pflug" nichts ausmacht und er das Rennen gleichgültig fortsetzt, dann dürfte der Mord auch unproblematisch sein.
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Levi
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Levi »

OJ1988 hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:
OJ1988 hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:
Micha79 hat geschrieben:Der vorliegende Fall führt verständlicherweise zu einer von Emotionen beeinflussten Wertung. Die Frage nach dem Vorsatz muss man hier aber berechtigterweise stellen. Sie würde sich zB auch dann stellen, wenn der Ehemann irrationalerweise mit derselben Geschwindigkeit ins Krankenhaus fährt, weil er nur so glaubt, die Ehefrau und das Kind retten zu können, also anders als die Raser ein verständlicheres Motiv verfolgt.

Mein Problem ist neben dem bedingt vorsätzlichen Mord auch der undifferenzierte Strafrahmen bei fahrlässiger Tötung (max. 5 Jahre). Wie wäre es mit einer "leichtfertigen Tötung" als Zwischenstück? Ich halte es nicht für so gut, immer nur bei einzelnen Delikten die Todesfolge anzusetzen (XXX mit Todesfolge). Auf diese Weise müsste man auch nicht immer über einen neuen Straftatbestand nachdenken, wenn eine bestimmte gefährliche Verhaltensweise auf den ersten Blick Strafrahmen auslöst, die bzgl. ihrer Schuldangemessenheit Zweifel auslösen (zu niedrig aber ggf. auch zu hoch, wenn Mord im Raum steht).
In Common-Law-Rechtsordnungen hatte die Unwilligkeit der Jurys, bei leichtfertig verursachten Unfällen mit tödlichem Ausgang wegen manslaughter zu verurteilen, zur Einführung eines Sonderdelikts, des vehicular manslaughter geführt. Ich denke, man kann durchaus erwägen, bei § 315c StGB ein Verbrechen der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung mit Todesfolge vorzusehen. Denn eine Verurteilung wegen Tötungsdelikten dürfte nur in Extremfällen im Raum stehen, der Strafrahmen des § 222 StGB ist aber nicht immer tat- und schuldangemessen.
Einen solchen neuen Straftatbestand bräuchte man gar nicht, wenn man illegale Autorennen nicht mehr als "normale" Teilnahme am Straßenverkehr bewerten würde, sondern als das, was sie meiner Meinung nach sind: eine Zweckentfremdung der Straße.
- Und damit ein von außen kommender Eingriff.

Dann hätte man einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 iVm § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB und einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Aber ich weiß natürlich, dass das - wie so oft - eine meiner Mindermeinungen ist. Bild
Das ist keine Mindermeinung, sondern wird nach ständiger Rechtsprechung (sofern Schädigungsvorsatz vorliegt) unter dem Stichwort "Pervertierung des Straßenverkehrs" bereits jetzt unter § 315b StGB subsumiert. Allerdings muss es auch zu einem Gefährdungserfolg, also einem "Beinahe-Unfall" kommen. Daran mag es im Einzelfall fehlen und da könnte ein neuer Tatbestand ansetzen, indem er bereits die Teilnahme an einem Autorennen unter Strafe stellt.
Wieso erfordert § 315b StGB einen "Schädigungsvorsatz"? Das ist doch ein Gefährdungsdelikt. Der Vorsatz müsste sich in einem solchen Fall doch doch nur auf die Tathandlung und die konkrete Gefährdung beziehen, aber gerade nicht auf die Schädigung, oder? 

Wenn ich ein illegales Autorennen mitten in der Stadt veranstalte, habe ich immer einen Gefährdungsvorsatz, - das macht ja gerade den "Reiz" eines solchen Rennens aus. Zweifel habe ich eher bei einem (Eventual)Tötungsvorsatz, wie er hier vom Gericht angenommen wurde. 

Im Übrigen muss es m. E. noch nicht einmal zu einem Beinahe-Unfall kommen, da der Versuch ja strafbar ist und jedenfalls mit Beginn des Rennens setze ich unmittelbar zur Tat an. 

Woran scheitert hier also der Tatbestand des § 315b StGB, wenn nicht an der fehlenden Verkehrsfremdheit des Eingriffs? 
§ 315b erfordert an sich keinen Schädigungsvorsatz. Bei der Abgrenzung von "verkehrsinternem" und "verkehrsexternem" Verhalten lässt der BGH aber Verhalten, das sich technisch im Straßenverkehr abspielt (wie zB auch Autorennen), rechtlich als "verkehrsfremd" gelten, wenn der Straßenverkehr durch diese Handlung "pervertiert" wird. Und dafür wird Schädigungsvorsatz verlangt.
Womit wir doch dann im Ergebnis wieder bei meiner Aussage wären, dass es keines neuen Straftatbestandes bedarf, sondern nur einer Änderung der Rechtsprechung. \:D/

Der BGH müsste sogar lediglich von seiner Auslegung Abstand nehmen, dass § 315b StGB in diesen Fällen einen Schädigungsvorsatz erfordert. Eine Auslegung, die ich - im Hinblick auf den Charakter der Vorschrift als Gefährdungsdelikt -  ohnehin für eher fernliegend ansehe. Ich wäre da von selbst jedenfalls nicht draufgekommen. 
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Swann »

Levi hat geschrieben: Womit wir doch dann im Ergebnis wieder bei meiner Aussage wären, dass es keines neuen Straftatbestandes bedarf, sondern nur einer Änderung der Rechtsprechung. \:D/

Der BGH müsste sogar lediglich von seiner Auslegung Abstand nehmen, dass § 315b StGB in diesen Fällen einen Schädigungsvorsatz erfordert. Eine Auslegung, die ich - im Hinblick auf den Charakter der Vorschrift als Gefährdungsdelikt -  ohnehin für eher fernliegend ansehe. Ich wäre da von selbst jedenfalls nicht draufgekommen. 
Wie beabsichtigst du denn verkehrswidriges von verkehrsfremden Verhalten abzugrenzen?
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von tatütata »

Swann hat geschrieben: Wie beabsichtigst du denn verkehrswidriges von verkehrsfremden Verhalten abzugrenzen?
Ein verkehrsfremder Eingriff kann etwa mitunter definiert denkbar sein, wenn man "absichtlich besonders grob verkehrswidrig und rücksichtlos primär allein einen damit eher pervertiert verkehrsfemden motorisierten Wettstreit begeht" o.ä.? :-k
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von Tobias__21 »

Hier ein Beitrag von Tonio Walter zum Berliner Urteil auf Zeit.de:

http://www.zeit.de/gesellschaft/2017-02 ... esetz-mord
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von StudiVader315226 »

Sehr spannend, was hier alles so gefordert wird! 222 erweitern (warum eigentlich um Regelbeispiele und nicht um 'ne echte Qualifikation?), §222a einführen mit Leichtfertiger Tötung,...

Was haltet ihr vom Entwurf des §315d StGB eigentlich so, und von §315f StGB?

Ich fand den Schusswaffen-Vergleich übrigens auch ganz interessant. Stell dir vor, A schießt mit einer (womöglich auch noch halbautomatischen) Waffe an einer solch belebten Straße herum - zum Beispiel am Kudamm. Einfach, weil es Spaß macht und A mal erleben will, wie es ist, zu schießen.

Würde da nicht (fast) jeder einen bedingten Tötungsvorsatz unterstellen? Oder hättet ihr auch hier noch Probleme?
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Re: Straßenrennen und Strafzumessung

Beitrag von StudiVader315226 »

Tobias__21 hat geschrieben:Hier ein Beitrag von Tonio Walter zum Berliner Urteil auf Zeit.de:

http://www.zeit.de/gesellschaft/2017-02 ... esetz-mord
Auch in diesem Beitrag stecken ja einige interessante Forderungen:

1. Statt lebenslang auf §211 würde er "Freiheitsstrafe bis zu 30 Jahren" reinschreiben. Dann müsste man §38 natürlich ändern, aber... findet ihr das auch gut? Dann wäre nämlich mal die absolute Strafdrohung weg, die lebenslange Freiheitsstrafe könnte ganz abgeschafft werden, und man hätte - hoffentlich - immer eine schuldangemessene Strafe zur Hand. Oder muss man für "stets schuldangemessen" auf irrsinnige Haftstraf-Zeiten àˋla USA (hunderte oder Tausende von Jahren) ausweichen?

2. Er fordert §315c VI. Auch eine solche Vorschrift (oben stand "vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung mit Todesfolge") wurde hier schon diskutiert. Und sie sollte mit "nicht unter zwei Jahren" Knast bestraft werden, meint Tonio Walter. Was meint ihr? Reicht ein Jahr, sollten es lieber drei (wie bei §227) sein?

3. Stimmt es wirklich - und wenn ja, nach welchem Paragraphen - dass ein "Begrabschen" einer Frau mit bei sich geführtem Schraubenzieher 15 Jahre geben kann?
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