Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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[enigma]
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von [enigma] »

Honigkuchenpferd hat geschrieben: Aha, und wo liegt nun das "Unrecht", von dem du sprichst, wenn ich dir in der Meinung, es sei tödliches Gift, Aspirin in den Kaffee tue?
Wenn du der Meinung bist, Aspirin sei tödliches Gift, liegt eher kein oder nur sehr geringes Unrecht vor (§ 23 III StGB oder sogar Wahndelikt). Dann ist deine Tat dumm, aber ungefährlich. Wenn du das Arsen mit Aspirin verwechselst oder einen Löffel Aspirin in ne Vodka-Flasche kippst, demonstrierst du durch die Tat eine hohe objektive Gefährlichkeit. Auch der untaugliche Versuch wird eben nicht ausschließlich durch die Gesinnung strafwürdig.
Abgesehen davon ist es keinesfalls zutreffend zu sagen, das Verhalten sei bei versuchter Beihilfe "in der Regel" ungefährlich.
Habe "in der Regel" (das kann ich in der Tat ebenso wenig empirisch nachweisen, wie du das Gegenteil) vor deiner Antwort in "häufig" editiert.
Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Meine eingangs gegebene Erklärung entspricht der herrschenden Meinung zur Strafwürdigkeit der versuchten Anstiftung. Tatsächlich habe ich mich auch nicht auf ein "is halt so" beschränkt, sondern den Grund hierfür erklärt.
Die Verwechslung von Anstiftung zum Versuch und versuchter Anstiftung entspricht eindeutig nicht der "herrschenden Meinung".
Eine solche Verwechslung ist mir wie bereits erwähnt nicht unterlaufen, tatsächlich ging es von Anfang an um versuchte Anstiftung. Ob diese sich auf eine versuchte, vollendete oder überhaupt nicht begangene Haupttat bezieht, ist egal. Und das liegt gerade daran, dass der Strafgrund im Lostreten eines potenziell hochgefährlichen und unkontrollierten Kausalverlaufs liegt, den man bei der versuchten Beihilfe gerade nicht hat.
Zuletzt geändert von [enigma] am Donnerstag 14. Juli 2016, 15:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Honigkuchenpferd
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Wenn du der Meinung bist, Aspirin sei tödliches Gift, liegt kein Unrecht vor (Wahndelikt). Dann ist deine Tat dumm, aber ungefährlich. Wenn du das Arsen mit Aspirin verwechselst oder einen Löffel Aspirin in ne Vodka-Flasche kippst, demonstrierst du durch die Tat eine hohe Gefährlichkeit. Auch der untaugliche Versuch wird eben nicht ausschließlich durch die Gesinnung strafwürdig.
Es handelt sich dabei gerade nicht um ein strafloses "Wahndelikt", sondern um einen strafbaren untauglichen Versuch (vgl. § 23 III StGB). Ich bilde mir ja nicht ein, dass etwas strafbar ist, was gar nicht strafbar ist, sondern irre über die tatsächlichen Möglichkeiten einer Substanz, den Tod herbeizuführen. Der Gesetzgeber hebt beim Versuch eben maßgeblich auf das Vorstellungsbild des Täters ab, so dass eine reale Gefahr überhaupt nicht bestehen muss. Insofern besteht eben kein grundlegender Unterschied zur Beihilfe.
Eine solche Verwechslung ist mir wie bereits erwähnt nicht unterlaufen, tatsächlich ging es von Anfang an um versuchte Anstiftung. Ob diese sich auf eine versuchte, vollendete oder überhaupt nicht begangene Haupttat bezieht, ist egal. Und das liegt gerade darin, dass der Strafgrund im Lostreten eines potenziell hochgefährlichen und unkontrollierten Kausalverlaufs liegt, den man bei der versuchten Beihilfe gerade nicht hat.
Das ist nicht richtig. Es kann - siehe § 30 I 3 StGB - auch sein, dass es um völlig abwegige Handlungen und Geschehensabläufe geht. Darüber hinaus kann man natürlich auch Beihilfe-Fälle so konstruieren, dass der Betreffende den Geschehensablauf völlig aus der Hand gibt.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Wenn du der Meinung bist, Aspirin sei tödliches Gift, liegt eher kein oder nur sehr geringes Unrecht vor (§ 23 III StGB oder sogar Wahndelikt). Dann ist deine Tat dumm, aber ungefährlich. Wenn du das Arsen mit Aspirin verwechselst oder einen Löffel Aspirin in ne Vodka-Flasche kippst, demonstrierst du durch die Tat eine hohe objektive Gefährlichkeit. Auch der untaugliche Versuch wird eben nicht ausschließlich durch die Gesinnung strafwürdig.
Wie gesagt: Kein Wahndelikt, und von einem "sehr geringen Unrecht" kann man auch nicht unbedingt sprechen. Im Übrigen wäre das ja auch bei der versuchten Beihilfe nicht anders. Auch hier müsstest du ja Handlungen vornehmen, die nach deiner Vorstellung geeignet sind, die (vermeintliche) Haupttat zu fördern.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von [enigma] »

§ 23 III StGB habe ich ebenfalls vor deiner Antwort editiert, Verzeihung.

Wie gesagt gibt es natürlich Fälle der versuchten Beihilfe, die auch mE absolut strafwürdig sind. Würde man aber die versuchte Beihilfe per se unter Strafe stellen, würde man dabei auch all diejenigen Fälle erfassen, in denen dies nicht der Fall ist, die aber ebenfalls typisch für die versuchte Beihilfe sind. Das Beispiel im Ausgangsfall fällt natürlich eher in den Bereich der durchaus strafwürdigen Fälle, kommt wie gesagt aber auch dem Bereich der psychischen Beihilfe sehr nahe.

Im Gegensatz dazu kann ich mir keinen Fall vorstellen, in dem die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen nciht strafwürdig sein sollte. Denn mit der Anstiftungshandlung liegt es zwangsläufig nicht mehr in der Macht des Täters, wie sich die weitere Tat entwickelt.

Diese Situation hat man bei der versuchten Beihilfe typischerweise (!) gerade nicht.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von [enigma] »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Wenn du der Meinung bist, Aspirin sei tödliches Gift, liegt eher kein oder nur sehr geringes Unrecht vor (§ 23 III StGB oder sogar Wahndelikt). Dann ist deine Tat dumm, aber ungefährlich. Wenn du das Arsen mit Aspirin verwechselst oder einen Löffel Aspirin in ne Vodka-Flasche kippst, demonstrierst du durch die Tat eine hohe objektive Gefährlichkeit. Auch der untaugliche Versuch wird eben nicht ausschließlich durch die Gesinnung strafwürdig.
Wie gesagt: Kein Wahndelikt, und von einem "sehr geringen Unrecht" kann man auch nicht unbedingt sprechen. Im Übrigen wäre das ja auch bei der versuchten Beihilfe nicht anders. Auch hier müsstest du ja Handlungen vornehmen, die nach deiner Vorstellung geeignet sind, die (vermeintliche) Haupttat zu fördern.
Diese Handlungen können im Einzelfall aber auch aus völlig sozialadäquaten Handlungen bestehen. Wenn sich die Förderungshandlung dann nicht einmal in der Förderung der Tat niederschlägt, bleibt einzig und allein die rechtsfeindliche Gesinnung. Und genau diese Taten, die hinter dem zwangsläufig gegebenen Unrecht einer versuchten Anstiftung zurückbleiben, will man - mE aus guten Gründen - von der Strafbarkeit ausnehmen.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Im Gegensatz dazu kann ich mir keinen Fall vorstellen, in dem die versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen nciht strafwürdig sein sollte. Denn mit der Anstiftungshandlung liegt es zwangsläufig nicht mehr in der Macht des Täters, wie sich die weitere Tat entwickelt.
Na ja, es gibt schon gute Gründe, warum § 30 StGB umstritten ist und man der Vorschrift § 31 StGB an die Seite gestellt hat, der natürlich auch im Fall der versuchten Beihilfe greifen müsste.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Diese Handlungen können im Einzelfall aber auch aus völlig sozialadäquaten Handlungen bestehen. Wenn sich die Förderungshandlung dann nicht einmal in der Förderung der Tat niederschlägt, bleibt einzig und allein die rechtsfeindliche Gesinnung. Und genau diese Taten, die hinter dem zwangsläufig gegebenen Unrecht einer versuchten Anstiftung zurückbleiben, will man - mE aus guten Gründen - von der Strafbarkeit ausnehmen.
Das kann bei § 30 I StGB aber auch so sein. "Bestimmen" wird von der h.M. bekanntlich weit gefasst.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von [enigma] »

Da führt ein sozialadäquates Bestimmen aber zwangsläufig dazu, dass der Täter absichtlich einen Kausalverlauf lostritt, der völlig unabhängig von seiner Kontrolle zur Begehung eines Verbrechens führen kann. Dass das gefährlich und strafwürdig ist, versteht sich für mich von selbst.

Diese Situation kann bei versuchter Beihilfe vorliegen, das muss aber nicht der Fall sein.

Mir fällt spontan kein Fall ein, in dem eine versuchte Anstiftung objektiv ungefährlich wäre. Mir fallen aber zig Fälle für eine ungefährliche versuchte Beihilfe ein.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von OJ1988 »

Bevor man sich der Frage nähert, warum jenes strafbar ist, dieses aber nicht, muss man erstmal klarstellen, welches Verhalten überhaupt mit Strafe belegt werden darf (Stichwort Rechtsgutstheorie). Dann kann man daraus weiter ableiten, weshalb etwa eine versuchte Anstiftung strafbar ist, eine versuchte Beihilfe aber nicht.

Der erforderliche Rechtsgutsbezug der in § 30 beschriebenen Vorbereitungshandlungen, wozu die versuchte Anstiftung zählt, wird herkömmlicherweise darin gesehen, dass durch diese Handlungen ein unbeherrschbarer Kausalverlauf in Gang gesetzt wird bzw. eine Bindungswirkung aufgrund der Kommunikation über die Tat eintritt, die es dem Täter schwerer macht, von der Rechtsgutsverletzung abzusehen.

Bei der versuchten Beihilfe ist dieser Rechtsgutsbezug schwächer, da hier ein Kausalverlauf nicht (notwendigerweise) gestartet wird und auch nicht (notwendigerweise) eine kommunikativ begründete Bindung an die geplante Tat eintritt.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von [enigma] »

Da sind wir uns ausnahmsweise mal einig, auch wenn du es zugegebenermaßen schöner ausgedrückt hast, als ich ;)
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

"Schwächer" heißt aber eben nicht: nicht vorhanden. Darüber hinaus führt uns das letztlich eben zum generellen Unterschied von Anstiftung und Beihilfe zurück, den ich anfangs angesprochen habe. Es liegt in der Natur der Sache, dass in dem einen Fall Kausalketten begonnen und in dem anderen Fall "nur" unterstützt werden. Beim Versuch kann es aber in beiden Fällen um völlige Hirngespinste gehen.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Mir fällt spontan kein Fall ein, in dem eine versuchte Anstiftung objektiv ungefährlich wäre. Mir fallen aber zig Fälle für eine ungefährliche versuchte Beihilfe ein.
Was ist z.B., wenn es um § 154 StGB geht und Leute durch eher unverfängliche Äußerungen angestiftet werden sollen, die Unwahrheit zu sagen, die sich (ohne das Wissen des Täters) ohnehin bereits einbilden, die gewünschte "Lüge" sei die Wahrheit? In Klausuren ist das ja ein Paradebeispiel für § 30 I StGB, bei denen die weite des TB-Merkmals "bestimmen" Probleme machen kann.
Zuletzt geändert von Honigkuchenpferd am Donnerstag 14. Juli 2016, 17:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von OJ1988 »

Nein, in der Tat heißt es das nicht. Es lässt aber rational begründbar (d.h.: nicht willkürlich) erscheinen, weshalb das eine schon, das andere nicht strafbar ist.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

OJ1988 hat geschrieben:Nein, in der Tat heißt es das nicht. Es lässt aber rational begründbar (d.h.: nicht willkürlich) erscheinen, weshalb das eine schon, das andere nicht strafbar ist.
Das ist völlig unbestritten, auch wenn ich die gängige Argumentation nicht sonderlich überzeugend finde.
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von [enigma] »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Mir fällt spontan kein Fall ein, in dem eine versuchte Anstiftung objektiv ungefährlich wäre. Mir fallen aber zig Fälle für eine ungefährliche versuchte Beihilfe ein.
Was ist z.B., wenn es um § 154 StGB geht und Leute durch eher unverfängliche Äußerungen angestiftet werden sollen, die Unwahrheit zu sagen, die sich (ohne das Wissen des Täters) ohnehin bereits einbilden, die gewünschte "Lüge" sei die Wahrheit? In Klausuren ist das ja ein Paradebeispiel für § 30 I StGB, bei denen die weite des TB-Merkmals "bestimmen" Probleme machen kann.
Das ist aber ein für die versuchte Anstiftung eher untypischer Ausnahmefall, der tatsächlich eher für Klausuren relevant sein dürfte. Dass die objektiv völlig wirkungslose Beihilfehandlung aber tatsächlich völlig ungefährlich ist, dagegen der Regelfall. Bei der versuchten Anstiftung hat man ja den Regelfall, dass die Anstiftungshandlung in die Welt gesetzt wird und dann unkontrolliert zu einem Verbrechen führt oder eben nicht.
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