Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Honigkuchenpferd
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Das ist aber ein für die versuchte Anstiftung eher untypischer Ausnahmefall, der tatsächlich eher für Klausuren relevant sein dürfte. Dass die objektiv völlig wirkungslose Beihilfehandlung aber tatsächlich völlig ungefährlich ist, dagegen der Regelfall. Bei der versuchten Anstiftung hat man ja den Regelfall, dass die Anstiftungshandlung in die Welt gesetzt wird und dann unkontrolliert zu einem Verbrechen führt oder eben nicht.
Da bin ich mir ja nicht so sicher. Wann hat man es in der Realität denn überhaupt mal mit § 30 I StGB zu tun?
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[enigma]
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von [enigma] »

Z.B. Wenn nicht bewiesen werden kann, dass der Tatentschluss des Verbrechers tatsächlich auf die Anstiftungshandlung zurückzuführen ist.
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Honigkuchenpferd
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Ja, schon. Aber tatsächlich ist die Anwendung von § 30 StGB im Ganzen doch aus gutem Grund selten.
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UltimaSpes
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von UltimaSpes »

OJ1988 hat geschrieben:Bevor man sich der Frage nähert, warum jenes strafbar ist, dieses aber nicht, muss man erstmal klarstellen, welches Verhalten überhaupt mit Strafe belegt werden darf (Stichwort Rechtsgutstheorie). Dann kann man daraus weiter ableiten, weshalb etwa eine versuchte Anstiftung strafbar ist, eine versuchte Beihilfe aber nicht.

Der erforderliche Rechtsgutsbezug der in § 30 beschriebenen Vorbereitungshandlungen, wozu die versuchte Anstiftung zählt, wird herkömmlicherweise darin gesehen, dass durch diese Handlungen ein unbeherrschbarer Kausalverlauf in Gang gesetzt wird bzw. eine Bindungswirkung aufgrund der Kommunikation über die Tat eintritt, die es dem Täter schwerer macht, von der Rechtsgutsverletzung abzusehen.

Bei der versuchten Beihilfe ist dieser Rechtsgutsbezug schwächer, da hier ein Kausalverlauf nicht (notwendigerweise) gestartet wird und auch nicht (notwendigerweise) eine kommunikativ begründete Bindung an die geplante Tat eintritt.
Danke, die Erklärung finde ich ziemlich plausibel.
Trotzdem bleibt bei mir das Gefühl zurück, dass es einige Fälle (z.B. der Ausgangsfall) der versuchten Beihilfe gibt, die trotz ihrer geringen Rechtsgutsgefährdung strafwürdig sind.

Vielleicht kann man sich dem Problem auch so nähern, dass versuchte Anstiftung als auch versuchte Beihilfe in der Realität nur sehr schwer nachweisbar sind, weil beides zumindest ein "tatsächliches Nichts" darstellt.
Möglicherweise hat "der Gesetzgeber" aus diesem Grund am Anfang davon abgesehen, versuchte Anstiftung/Beihilfe unter Strafe zu stellen.
Und nur durch einen Einzelfall (der Belgier Duchesne bietet dem franz. Erzbischof gegen Geld an, Bismarck zu ermorden) kam es später doch noch dazu, dass zumindest versuchte Anstiftung unter Strafe gestellt wurde, indem § 30 eingeführt wurde.
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famulus
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von famulus »

UltimaSpes hat geschrieben:Danke, die Erklärung finde ich ziemlich plausibel.
Das ist doch genau das, was [enigma] hier zuvor schon mehrfach ausgeführt hatte?
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[enigma]
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Re: Warum ist versuchte Beihilfe straflos?

Beitrag von [enigma] »

OJ hat es zugegebenermaßen besser und präziser auf den Punkt gebracht, Ehre wem Ehre gebührt.
UltimaSpes hat geschrieben:Trotzdem bleibt bei mir das Gefühl zurück, dass es einige Fälle (z.B. der Ausgangsfall) der versuchten Beihilfe gibt, die trotz ihrer geringen Rechtsgutsgefährdung strafwürdig sind.
In deinem Ausgangsfall bewegt man sich ja auch durchaus bereits im Bereich der psychischen Beihilfe.
UltimaSpes hat geschrieben:Vielleicht kann man sich dem Problem auch so nähern, dass versuchte Anstiftung als auch versuchte Beihilfe in der Realität nur sehr schwer nachweisbar sind, weil beides zumindest ein "tatsächliches Nichts" darstellt.
Möglicherweise hat "der Gesetzgeber" aus diesem Grund am Anfang davon abgesehen, versuchte Anstiftung/Beihilfe unter Strafe zu stellen.
Und nur durch einen Einzelfall (der Belgier Duchesne bietet dem franz. Erzbischof gegen Geld an, Bismarck zu ermorden) kam es später doch noch dazu, dass zumindest versuchte Anstiftung unter Strafe gestellt wurde, indem § 30 eingeführt wurde.
Das ändert ja nichts daran, dass es heute dogmatisch vernünftige Gründe dafür gibt, die versuchte Anstiftung zu bestrafen, die versuchte Beihilfe aber nicht. Und nach genau diesen hattest du ja gefragt. Natürlich kann man das auch anders sehen, aber für mich - und die hM in Literatur sowie Rechtsprechung - sind diese durchaus einleuchtend.
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