RAe Strate et al. und der Fall Melanie M.

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Kasimir
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RAe Strate et al. und der Fall Melanie M.

Beitrag von Kasimir »

In der Presse wurde ja in den vergangenen Wochen intensiv der Fall Melanie M. besprochen.

Der Kollege Strate hat nun das stenografische Protokoll der Erklärung des Richters online gestellt:
https://www.strate.net/de/dokumentation ... digung.pdf

Was meinen die versammelten Strafrechtler (@Swann)?

Strate ist ja schon häufiger durch kuriose Aktionen aufgefallen (Fall Mollath) und ich habe kein gutes Bauchgefühl bei der Sache. Klar, keiner von uns weiß, was da abgelaufen ist. Was droht den Kollegen? §§ 160 StGB?

Wie realistisch ist ein Entzug der Zulassung? § 14 Abs. 2 Nr. 2 BRAO ist ja zwingend und ich kann mir schwer vorstellen, dass man bei einer Verurteilung eines Rechtsanwalts wegen § 160 StGB die Tatbestandsvoraussetzungen verneinen kann.

Im Münsteraner Fall hat das Anwaltsgericht die Tatbestandsvoraussetzungen verneint. Der Sachverhalt war allerdings anders (Verhaftung im Gerichtssaal) und diente wohl als tragende Begründung. Zum anderen halte ich die Entscheidung für falsch. Wenngleich das Verhalten der StA falsch war, sehe ich nicht, wie das einen Einfluss auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 BRAO haben sollte.
http://www.noz.de/lokales/dissen/artike ... -zulassung
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thh
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Re: RAe Strate et al. und der Fall Melanie M.

Beitrag von thh »

Kasimir hat geschrieben:In der Presse wurde ja in den vergangenen Wochen intensiv der Fall Melanie M. besprochen.

Der Kollege Strate hat nun das stenografische Protokoll der Erklärung des Richters online gestellt:
https://www.strate.net/de/dokumentation ... digung.pdf

Was meinen die versammelten Strafrechtler (@Swann)?
Der Gedanke, einen Täter-Opfer-Ausgleich so zu gestalten, dass der Täter dem Opfer einen größeren Geldbetrag zahlt und das Opfer dafür erklärt, es könne sich zwar nicht so recht erinnern, aber der Täter werde ihm gegenüber wohl in Notwehr gehandelt haben (so darf man die Darstellung der mündlichen Urteilsgründe wohl verstehen), ist mal ... äh ... originell.
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Ara
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Re: RAe Strate et al. und der Fall Melanie M.

Beitrag von Ara »

Ich halte es persönlich für völlig abwegig, dass die Verteidigung tatsächlich mit nem gekauften Zeugen als Strategie in eine Verhandlung geht. Zwar darf ein geplatztes Alibi/Entlastungszeuge nicht als Schuldvermutung verwendet werden, aber das alles war ja eine Katastrophe für die Verteidigung. Vor allem bestand die Verteidigung ja nicht aus Anfängern. Das Argument "Der Zeuge war so gut vorbereitet, das muss ein Jurist vorbereitet haben" finde ich sehr... sagen wir mal sportlich. Auch der Laie käme auf die Idee, dass er sich ne falsche Hotelquittung holt, um zu belegen, dass er in München war. Auch verstehe ich die Kritik nicht, dass die Verteidigung mit dem Zeugen gesprochen hat. Der Anwalt hat natürlich das Recht mit den Zeugen zu sprechen... genauso wie es die Polizei, die Staatsanwaltschaft und das Gericht tun kann.

Hinsichtlich des TOA: Es ist nicht verboten für eine wahre Aussage Geld zu zahlen. Einen faden Beigeschmack hat es aber natürlich immer. Auch wenn ein Geständnis im Rahmen eines TOA üblich ist, ist es anders als das Gericht meint, nicht Kern des TOAs. Kern des TOAs ist eher, dass der Beschuldigte das Opfer respektiert und für sein Handeln Verantwortung übernimmt (Vgl. MüKo-Maier § 46a StGB Rn. 32). Die Angeklagte räumt ja ihre Handlung tatsächlich ein. Die Verteidigung beruft sich ja lediglich auf einne Notwehrexzess. Es wurde daher die Opferstellung des Geschädigten respektiert und lediglich auf der persönlichen Schuldebene der Strafausschluss gesehen. Dies widerspricht dem Gedanken des TOA nicht.

Die Kritik, dass die Verteidigung diesen TOA "organisierte" geht imo auch völlig fehl. Die Verteidigung sind die einzigen die ein Zeugnisverweigerungrecht hinsichtlich der Verhandlung im TOA hätten. Ein "neutraler Vermittler" wäre bei einem gescheiterten TOA einfach als Zeuge geladen worden. Von daher ist es üblich und auch sinnig, dass die Verteidigung dies macht.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: AW: RAe Strate et al. und der Fall Melanie M.

Beitrag von thh »

Ara hat geschrieben: Der Anwalt hat natürlich das Recht mit den Zeugen zu sprechen... genauso wie es die Polizei, die Staatsanwaltschaft und das Gericht tun kann.
Sicher. Allerdings haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht vermutlich vorher nicht der Angeklagten Geld für ein falsches Geständnis angeboten.
Ara hat geschrieben:Hinsichtlich des TOA: Es ist nicht verboten für eine wahre Aussage Geld zu zahlen.
Nur wäre die Aussage ja nun nicht wahr gewesen.

Ara hat geschrieben:Kern des TOAs ist eher, dass der Beschuldigte das Opfer respektiert und für sein Handeln Verantwortung übernimmt (Vgl. MüKo-Maier § 46a StGB Rn. 32).
Wobei es einiger Anstrengung bedarf, Respekt und diese Übernahme von Verantwortung damit zu verbinden, dass das Opfer quasi einräumen soll, den Angriff auf sich selbst verschuldet zu haben, so dass dieser sich als Notwehr darstellt.
Ara hat geschrieben: Die Angeklagte räumt ja ihre Handlung tatsächlich ein. Die Verteidigung beruft sich ja lediglich auf einne Notwehrexzess.
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Ara
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Re: RAe Strate et al. und der Fall Melanie M.

Beitrag von Ara »

Es kommt ja nicht darauf an, ob die Aussage wahr ist oder nicht. Es kommt bei der Frage des strafbaren Verhaltens der Verteidigung ja darauf an, ob die Verteidigung die Aussage für wahr hielt oder nicht. Um das abschließend zu beurteilen, fehlt zumindest mir das konkrete Wissen, was die Verteidigung da angeboten hat. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Geldzahlungen an Zeugen für Aussagen nicht per se strafbar sind (auch wenn es, wie bereits gesagt, natürlich immer sehr anrüchig ist).

Zum berufen auf Notwehrexzess und der Opferrolle BGH NStZ 2010, 82
Dieser wird vor allem dadurch geprägt, dass sich der Angekl., wovon auch das LG ausgeht, bei seinem Messerstich tatsächlich – und nicht nur behauptet (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 304) – in einer Notwehrlage befand. Da er somit zunächst selbst Ziel eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs war, ist zumindest die von ihm geäußerte Einschätzung, eigentlich gehöre der Geschädigte auf die Anklagebank, rechtlich dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Hierin liegt nicht ohne Weiteres ein Bestreiten der (späteren) Opferrolle S. Im Hinblick auf den zunächst vom Geschädigten ausgegangenen Angriff ist auch die Bewertung des Angekl., dieser trage mit seiner Handlungsweise die Verantwortung für das weitere Geschehen, jedenfalls unter Kausalitätsgesichtspunkten nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Soweit sich der Angekl. mehrfach als unschuldig bezeichnet hat, entsprach das seinem Verteidigungsvorbringen, er habe im Tatzeitpunkt „unglaubliche und panische Angst” gehabt. Hiermit aber rekurrierte er auf die Voraussetzungen des § 33 StGB, der im Falle seiner Anwendung zur Straflosigkeit infolge fehlender Schuld geführt hätte. Durch das Abzielen auf diesen persönlichen Schuldausschließungsgrund wurde jedoch die Opferrolle S auch dann nicht in Frage gestellt, wenn die Angst – wie das LG aufgrund rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung angenommen hat – zu Unrecht behauptet worden war.
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Re: RAe Strate et al. und der Fall Melanie M.

Beitrag von Swann »

Der Unterschied ist, dass das Schwurgericht im Oktoberfestfall die Notwehrlage eben nicht festgestellt hat.
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Ara
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Re: RAe Strate et al. und der Fall Melanie M.

Beitrag von Ara »

Es geht aber ja darum, ob es ein Skandal ist, dass die Verteidigung einen TOA anstrebte, obwohl die Angeklagte sich auf den Notwehrexzess beruft. Ob das Gericht am Ende die Notwehrlage bejaht oder nicht, ist für diese Frage ja ohne Bedeutung, weil zum Zeitpunkt der Gespräche stand die Entscheidung ja noch aus.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: AW: RAe Strate et al. und der Fall Melanie M.

Beitrag von Urs Blank »

thh hat geschrieben:
Ara hat geschrieben: Der Anwalt hat natürlich das Recht mit den Zeugen zu sprechen... genauso wie es die Polizei, die Staatsanwaltschaft und das Gericht tun kann.
Sicher. Allerdings haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht vermutlich vorher nicht der Angeklagten Geld für ein falsches Geständnis angeboten.
Nee, die bieten in der Regel nur Strafnachlass an.
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