Eine Frage der Kausalität...oder doch nicht?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Antworten
AlicImWunderland
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 134
Registriert: Donnerstag 24. September 2015, 12:56

Eine Frage der Kausalität...oder doch nicht?

Beitrag von AlicImWunderland »

Ein befreundeter Polizeianwärter hat mir Heute seine Strafrecht Klausur geschildert und bat darum zu überprüfen, ob seine Lösung richtig sei. Soweit zu gut...der Großteil des Falles war Kinderkram, aber an einer Stelle bin ich dann doch ins Schwitzen gekommen und Kobel seitdem an der richtigen Lösung:

Der Fall war im Grunde der Haustyrannenfall (Mord war aber nicht zu prüfen :D ). O hat A und B jahrelang misshandelt und gedemütigt. Nachdem die letzte Tracht Prügel einige Stunden her ist, vergiftet A den Kaffee des O der diesen trinkt und sodann in Ohnmacht fällt. Kurz darauf erscheint die B, die sich schon lange vorgenommen hat den O zu töten, wenn sich ein günstiger Moment bietet. Als sie den zusammengesunkenen O im Sessel vorfindet, hält Sie ihn für schlafend, ergreift ihre "Chance" und ersticht ihn mit 2 kräftigen Stichen in Herz und Hals. Ohne die Stiche wäre O innerhalb der nächsten 2 Stunden am Gift gestorben.

Ergebnis ist ja klar: A strafbar wegen versuchtem Totschlag, B strafbar wegen Totschlag. Beide allerdings im minderschweren Fall nach 213 StGB.
Auf den ersten Blick sah mir das ganze auch nach einem klassischen Fall von "überholender Kausalität" aus. Dann ist mir aber aufgefallen, dass diese Fälle normalerweise so laufen: A vergiftet O, noch bevor die Wirkung einsetzt erscheint B und ersticht ihn. Das Vergiften ist dann nicht kausal für den Tod (Daher Versuch) und bei den Stichen gibt es dann nur das Problem, dass O "ja eh" gestorben wäre, was man mit der überholenden Kausalität (Kausalität ist das bewirken des Erfolges in seiner tatbestandlichen Form und tatbestandlichen waren die Stiche) schnell in den Griff kriegt.

In diesem Fall ist A aber ja auch für die Tötung mit dem Messer kausal geworden, da B ja niemals zugestochen hätte, wenn O nicht schlafend gewirkt hätte durch das Vergiften. Löst man das dann einfach im Rahmen der objektiven Zurechnung (Die rechtlich missbilligte geschaffene Gefahr des Vergiftens liegt schließlich im Tod durch Gift und nicht im erstochen werden) oder kann man das auch irgendwie auf der kausalitätsebene regeln?

So richtig scheint mir da nämlich keiner der mir bekannten Kausalitätsbegriffe (Überholende Kausalität, kumulative Kausalität, alternative Kausalität usw.) zu passen
Honigkuchenpferd
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4770
Registriert: Freitag 9. August 2013, 12:32
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Eine Frage der Kausalität...oder doch nicht?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Das Problem ist nicht auf Kausalitätsebene zu lösen. Das ist nämlich gerade kein Fall von überholender Kausalität, weil die Erstbedingung (Vergiftung) wirksam bleibt, wenn auch ganz anders als ursprünglich beabsichtigt. Allerdings wird der Kausalzusammenhang hier m.E. letztlich wertungsmäßig doch unterbrochen, weil sich eben nicht das gesetzte Risiko realisiert. A ist deshalb nur wegen Versuchs strafbar.

Man könnte mit Blick auf A durchaus von "atypischer Kausalität" sprechen, aber auch diese ist entweder eine Frage der objektiven Zurechnung oder des Vorsatzes.
"Honey, I forgot to duck."
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Eine Frage der Kausalität...oder doch nicht?

Beitrag von Tobias__21 »

Du hast es doch richtig gesagt :) Die objektive Zurechnung ist hier das Problem. Ein rechtlich mißbilligte Gefahr wurde hier zwar geschaffen, diese Gefahr hat sich aber nicht im Erfolg realisiert, denn hier führte die Handlung eines Dritten den Erfolg herbei (Fallgruppe: Eigenverantwortliches Dazwischentreten Dritter).

Eine Zurechnung käme hier nur in Betracht, wenn:

1.Der Ausgangstäter die rechtl. mißbilligte Gefahr durch Verletzung von Sicherheitsvorschriften schafft, die gerade dem Schutz vor Vorsatz- oder Fahrlässigkeitstaten Dritter dienen,

oder

2. Das Verhalten Dritter so spezifisch mit der Ausgangsgefahr verbunden ist, dass es bereits typischerweise in der Ausgangsgefahr begründet erscheint (das wären die "Gnadenschussfälle" oder diese Geschichten mit den Massenauffahrunfällen)

Hier beides nicht einschlägig, also fehlt mit der Lit. die obj. Zurechnung, mit der Rspr. wäre es ein atypischer Kausalverlauf (Vorsatz)
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Antworten