Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Rookieoftheyear
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Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Rookieoftheyear »

A und B möchten C berauben und verabreichen ihm deswegen (eine für sich nicht tödliche Menge) K.O.-Tropfen. C hat jedoch bereits davor eigenständig eine Dosis K.O-Tropfen zu sich genommen hat, die lediglich berauschend wirkt.
Zusammen ist die Menge an K.O.-Tropfen für C tödlich und er verstirbt. A und B nehmen ihm dann seinen Geldbeutel weg.

Nun prüfe ich Raub mit Todesfolge und habe das Problem "Hat C überhaupt Gewahrsam, der gebrochen werden kann?"
Ein Toter kann bekanntlich ja keinen Gewahrsam haben. Somit wäre ein Raub/bzw. Diebstahl nicht möglich, da der ehemalige Gewahrsam des C an seinem Geldbeutel nicht automatisch auf die Erben übergeht. Aber das Ergebnis ist für mich nicht sachgerecht. Es wäre somit höchstens eine Unterschlagung zum Nachteil der Erben möglich.
Kann mir bitte jemand helfen, finde auch keine Aufsätze oder Kommentare die dieses Thema behandeln. :-#
Sebast1an
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Sebast1an »

BGH NStZ 2010, 33:
Die Angeklagte und ihr Mittäter haben – wie von ihnen von vornherein beabsichtigt – u.a. das Kokain in Zueignungsabsicht an sich genommen. Dass das Opfer zu diesem Zeitpunkt an den Folgen der Raubhandlung schon verstorben war, steht entgegen der Auffassung des GBA dem Schuldspruch wegen einer vollendeten Tat nach § STGB § 251 StGB nicht entgegen. Zwar ist es richtig, dass Tote keinen Gewahrsam haben (BGHR StGB § 242 I Gewahrsam 1). Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass der Raub mit Todesfolge – ungeachtet des Zeitpunkts des Todeseintritts des Opfers – mit der von Zueignungsabsicht getragenen Gewahrsamserlangung durch den Täter an der Raubbeute vollendet wird (vgl. etwa BGHSt 42, BGHST Jahr 42 Seite 158; BGH StV 1992, STV Jahr 1992 Seite 417; zu den Konstellationen des erfolgsqualifizierten Versuchs des § STGB § 251 StGB s. hingegen z.B. BGHR StGB § 251 Versuch 1 und 2). Entscheidend sind in den hier relevanten Fällen demnach die Gewahrsamsverhältnisse bei Vornahme der Raubhandlung. Da die Nachprüfung des Urteils auch im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufgedeckt hat, bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Senat kann dies trotz der vom GBA beantragten Schuldspruchänderung durch Beschluss nach § STPO § 349 STPO § 349 Absatz II StPO aussprechen (BGHR StPO § 349 II Verwerfung 4).


Anm. d. Schriftltg.:
Vgl. auch Walther NStZ 2005, Seite 657; Kühl Jura 2003, Seite 19; Hefendehl StV 2000, Seite 107; Rengier JuS 1993, Seite 460.
Ich bin auch nur ein Mensch. Genauso wie ein Weißer Hai auch nur ein Fisch ist. (Zlatan Ibrahimović)
Rookieoftheyear
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Rookieoftheyear »

Sebast1an hat geschrieben:BGH NStZ 2010, 33:
Die Angeklagte und ihr Mittäter haben – wie von ihnen von vornherein beabsichtigt – u.a. das Kokain in Zueignungsabsicht an sich genommen. Dass das Opfer zu diesem Zeitpunkt an den Folgen der Raubhandlung schon verstorben war, steht entgegen der Auffassung des GBA dem Schuldspruch wegen einer vollendeten Tat nach § STGB § 251 StGB nicht entgegen. Zwar ist es richtig, dass Tote keinen Gewahrsam haben (BGHR StGB § 242 I Gewahrsam 1). Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass der Raub mit Todesfolge – ungeachtet des Zeitpunkts des Todeseintritts des Opfers – mit der von Zueignungsabsicht getragenen Gewahrsamserlangung durch den Täter an der Raubbeute vollendet wird (vgl. etwa BGHSt 42, BGHST Jahr 42 Seite 158; BGH StV 1992, STV Jahr 1992 Seite 417; zu den Konstellationen des erfolgsqualifizierten Versuchs des § STGB § 251 StGB s. hingegen z.B. BGHR StGB § 251 Versuch 1 und 2). Entscheidend sind in den hier relevanten Fällen demnach die Gewahrsamsverhältnisse bei Vornahme der Raubhandlung. Da die Nachprüfung des Urteils auch im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufgedeckt hat, bleibt die Revision ohne Erfolg. Der Senat kann dies trotz der vom GBA beantragten Schuldspruchänderung durch Beschluss nach § STPO § 349 STPO § 349 Absatz II StPO aussprechen (BGHR StPO § 349 II Verwerfung 4).


Anm. d. Schriftltg.:
Vgl. auch Walther NStZ 2005, Seite 657; Kühl Jura 2003, Seite 19; Hefendehl StV 2000, Seite 107; Rengier JuS 1993, Seite 460.
Vielen Dank ;) ;)
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Juratutorium »

Wenn man das Ergebnis kennt, ist das sicherlich ganz nett. Nur wie man begründet man es dogmatisch, mal abgesehen davon, dass es der BGH es in ständiger Rechtsprechung so macht. Mir fällt dazu allenfalls die Schließung von Strafbarkeitslücken ein, d.h. so ein bisschen Verstoß gegen das Analogieverbot, aber eben nicht ganz, weil die Norm nunmal direkt angewendet wird, obwohl sie direkt eigentlich gar nicht passt. Am besten denkt man nicht zu lange darüber nach.
Samson
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Samson »

Wieso passt die Norm nicht?
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Juratutorium »

Sagen sie doch oben: Weil Tote keinen Gewahrsam haben.
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Justitian
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Justitian »

Wer vertritt das bitte? Durch die tödliche Gewalt bricht der Täter den Gewahrsam des Opfers und begründet zugleich eigenen Gewahrsam. Dies dürfte - abgesehen von Dir - der Verkehrsanschauung entsprechen.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Tobias__21 »

Wegnahme= Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Durch die Tötung bricht er den Gewahrsam und wenn er die Sache dann an sich nimmt begründet er neuen Gewahrsam. Also Wegnahme (+) Subj.: unbeachtliche Abweichung vom Kausalverlauf

Edit:

Oh, Justitian war schneller :)
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Juratutorium »

Zwar ist es richtig, dass Tote keinen Gewahrsam haben (BGHR StGB § 242 I Gewahrsam 1).
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Tobias__21 »

Ja und? Als der Täter ins Verusschstadium eintritt, hatte das Opfer Gewahrsam. Durch den Tod wird dieser Gewahrsam durch den Täter gebrochen, der ja den Tod herbeigeführt hat. Dass sich der Täter vorgestellt hat den Gewahrsam erst später zu brechen (und dies jetzt nicht mehr kann, weil Tote keine Gewahrsam haben) ist eine unbeachtliche Abweichung vom tatsächlichen Kausalverlauf, jedenfalls hat er ihn mit der Tötung gebrochen.
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Juratutorium »

Ich habe zweimal zitiert, was oben im Urteil stand. Dort stand: Zwar haben Tote keinen Gewahrsam, aber beim Raub macht der BGH es in ständiger Rechtsprechung anders. Das ist ein Authoritätsargument. Warum? Darum!

In der Sache geht es um den Strafrahmen und das Ausschalten von Schutzbehauptungen: Raub mit Todesfolge (bis lebenslänglich) wird behandelt wie Todesfolge mit "Raub" (bis lebenslänglich) und nicht wie Körperverletzung mit Todesfolge und Unterschlagung (bis 15 Jahre).

Wenn du es nicht so machst, dann ermöglichst du dem Täter immer zu behaupten, er hätte die Sache anfänglich gar nicht wegnehmen wollen und sie letztlich nur bei Gelegenheit eingepackt. Du wirst nie zweifelsfrei das Gegenteil nachweisen können. Deswegen macht es der BGH so, er könnte es auch anders machen.
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Tobias__21 »

Genau den Vorsatz, dass er die Sache anfangs wegnehmen wollte muss man dem Täter auch nachweisen wenn man es wie der BGH und alle anderen macht. Ich sehe da kein Problem.
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Juratutorium »

Wenn Raub mit Todesfolge aus systematischen Gründen gar nicht einschlägig sein kann, dann prüfst du einen auch keinen Raubvorsatz. Nur so, wie es der BGH macht, kommst du überhaupt zur Prüfung des Raubes mit Todesfolge und den Rest übernimmt die richterliche Beweiswürdigung.
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Juratutorium »

Der Normalfall zu dieser Konstellation ist der gemeinschaftlich begangene Raubmord.

Nun lassen sich die Angeklagten so ein, dass du weder weißt, wer das Opfer getötet hat, noch einen gemeinsamen Tatplan für den Mord nachweisen kannst. Damit die Angeklagten mit dieser Nummer nicht durchkommen und du sie trotzdem lebenslänglich wegsperren kannst, gibt es den Raub mit Todesfolge als Auffangtatbestand.

Diesen Auffangtatbestand lässt sich der BGH nicht aushebeln, so dass am Ende nur wegen 227+246 zu bestrafen ist. Es geht in der strafrechtlichen Praxis aus Sicht der Gerichte ausschließlich darum, Schutzbehauptungen abzuschneiden. Nur so erklären sich sonderbare scheinbar offensichtliche dogmatische Brüche.
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Re: Gewahrsam des bereits toten Raubopfers

Beitrag von Tobias__21 »

Dir ist schon klar, dass der maßgebliche Zeitpunkt für den Vorsatz der Eintritt ins Versuchsstadium ist? Wir haben einen Täter der eine Sache mit Gewalt wegnehmen will. Er schlägt auf das Opfer mit Wegnahmevorsatz ein (Eintritt ins Versuchsstadium), das Opfer verstirbt leider ungewollt. Nach dem Tod nimmt er die Sache an sich. Was ist da denn bitte einschlägig, wenn nicht die §§ 249, 251. Selbst wenn du die Wegnahme verneinst, wärst du immer noch bei einem (ggf. untauglichen) Raubversuch. Und von welcher Systematik sprichst Du da eigentlich?

Und was für dogmatische Brüche? Tritt mit dem Tod des Opfers objektiv ein Gewahrsamsverlust ein, oder nicht?
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