Wahlfeststellung - unverständlicher BGH-Beschluss

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Sebast1an
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Wahlfeststellung - unverständlicher BGH-Beschluss

Beitrag von Sebast1an »

Der Täter, der sich unbefugt Gelder von fremden Konten verschafft, indem er Überweisungsträger der betreffenden Konten fälscht, erfüllt – wenn die Überweisungsträger nur in automatisierter Weise auf ihre Echtheit überprüft werden – den Tatbestand des Computerbetruges. Lässt sich der Ablauf der Überweisung bei der bezogenen Bank nicht mehr aufklären, kommt regelmäßig eine wahlweise Verurteilung wegen Betruges oder Computerbetruges in Betracht.

BGH, Beschluss vom 12. 2. 2008 - 4 StR 623/07 (LG Rostock), NStZ 2008, 281 = NJW 2008, 1394
Im Beschluss führt der BGH aus, dass § 263 StGB bei gefälschten Überweisungsträgern mangels Irrtums eines Bankangestellten nicht vorliegt bzw. nicht vorliegen würde. § 263a StGB ist bzw. wäre (+).

Die Wahlfeststellung wird jetzt damit begründet, dass der Täter auch bzgl. des Irrtums Vorsatz hatte. Das reicht aber doch nicht?! Auch dann würde immernoch der tatsächliche Irrtum eines Bankangestellten fehlen?
Wenn damit eine Wahlfestellung zwischen §§ 22, 263 StGB und § 263a StGB gemeint sein sollte, wäre diese aufgrund des Stufenverhältnisses doch ebenfalls unzulässig? :-k :-k
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Remus
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Re: Wahlfeststellung - unverständlicher BGH-Beschluss

Beitrag von Remus »

Sebast1an hat geschrieben:
Der Täter, der sich unbefugt Gelder von fremden Konten verschafft, indem er Überweisungsträger der betreffenden Konten fälscht, erfüllt – wenn die Überweisungsträger nur in automatisierter Weise auf ihre Echtheit überprüft werden – den Tatbestand des Computerbetruges. Lässt sich der Ablauf der Überweisung bei der bezogenen Bank nicht mehr aufklären, kommt regelmäßig eine wahlweise Verurteilung wegen Betruges oder Computerbetruges in Betracht.

BGH, Beschluss vom 12. 2. 2008 - 4 StR 623/07 (LG Rostock), NStZ 2008, 281 = NJW 2008, 1394
Im Beschluss führt der BGH aus, dass § 263 StGB bei gefälschten Überweisungsträgern mangels Irrtums eines Bankangestellten nicht vorliegt bzw. nicht vorliegen würde. § 263a StGB ist bzw. wäre (+).

Die Wahlfeststellung wird jetzt damit begründet, dass der Täter auch bzgl. des Irrtums Vorsatz hatte. Das reicht aber doch nicht?! Auch dann würde immernoch der tatsächliche Irrtum eines Bankangestellten fehlen?
Wenn damit eine Wahlfestellung zwischen §§ 22, 263 StGB und § 263a StGB gemeint sein sollte, wäre diese aufgrund des Stufenverhältnisses doch ebenfalls unzulässig? :-k :-k
Ich habe es jetzt nur überflogen, aber der BGH führt doch nur aus, dass kein Irrtum eines Bankangestellten vorliegt, wenn ein automatisierter Prozess ausschlaggebend war oder? Da sich nicht nach verfolgen lässt ob nun ein Mitarbeiter oder eine automatisierte Prüfungsvorrichtung getäuscht wurde, geht er über die Wahlfeststellung. Oder habe ich da jetzt was überlesen?
Nach den Feststellungen bleibt unklar, im Hinblick auf welche konkreten Umstände Bankbedienstete täuschungsbedingt einer Fehlvorstellung erlegen sein sollen, zumal offensichtlich eine Vernehmung der Bankbediensteten nicht erfolgt ist (Senat NStZ 2000, 375, 376). Vielmehr liegt in diesen Fällen nahe, dass die betreffenden Banken die Überweisungsträger, soweit die Überweisungen ausgeführt worden sind, lediglich in automatisierter Weise geprüft haben, ohne dass die Fälschung auffiel und ohne dass ein Mitarbeiter des jeweiligen Kreditinstituts noch eine persönliche Kontrolle durchgeführt hat. Dann aber fehlte es für eine Strafbarkeit wegen Betruges an einer Täuschung und Irrtumserregung.
Swann
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Re: Wahlfeststellung - unverständlicher BGH-Beschluss

Beitrag von Swann »

Du hast die Entscheidung missverstanden. Die Situation ist so: In 999 von 1000 Fällen prüft kein Mensch die Überweisung -> Computerbetrug. In 1 von 1000 Fällen prüft ein Mensch -> Betrug. Der BGH führt nun aus, dass:
Insoweit ist zur subjektiven Tatseite ohne weiteres davon auszugehen, dass der Täter in solchen Fällen jedenfalls bedingt sowohl die Täuschung und Irrtumserregung eines Bankbediensteten erreichen als auch - für den Fall einer automatisierten Prüfung - den Datenverarbeitungsvorgang "unbefugt" beeinflussen will und sich deshalb sein Vorsatz auf beide Tatbestände erstreckt (vgl. dazu Goeckenjan JA 2006, 758 ff.).
Das heißt, die Wahlfeststellung ist möglich, weil der Täter Eventualvorsatz sowohl hinsichtlich der Merkmale des Betrugs als auch des Computerbetrugs hat.

Objektiv brauchst du nicht zwingend einen Irrtum, sondern nur dass entweder Irrtum oder Datenmanipulation gegeben ist (deshalb ja die Wahlfeststellung).
Sondermeinung
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Re: Wahlfeststellung - unverständlicher BGH-Beschluss

Beitrag von Sondermeinung »

Und zu der Entscheidung gibt es eine gut verständliche Anmerkung von v. Heintschel-Heinegg in der JA 2008, 660 ff.
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