Mittäterexzess bei Versuch

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Logisch_Win7
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Mittäterexzess bei Versuch

Beitrag von Logisch_Win7 »

Hallo,

folgendes Beispiel: A und B haben verabredet, den Tankstellenwärter T zu überfallen und ihn unter Bedrohung mit einer Pistole dazu zu bringen, den Tresor zu öffnen, sodass A und B das Geld aus dem Tresor nehmen können. A und B begeben sich also zu T und B richtet die Pistole auf T und sagt ihm, er solle den Tresor öffnen, wozu sich T auch bewegen lässt. Auf dem Weg zum Tresor schlägt B dem T mit der Waffe auf den Hinterkopf, um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen. A ist davon zunächst überrascht, da ursprünglich nur die Bedrohung geplant war, billigt das Verhalten des B allerdings schließlich. Als A und B den geöffneten Tresor gerade ausräumen wollen, hören sie Polizeisirenen und fliehen.

Ich prüfe zunächst die Strafbarkeit des B nach §§ 255, 22, 23 I

I. Vorprüfung
- Nichtvollendung (+), da B das Geld nicht mitnehmen konnte

- Strafbarkeit des Versuchs (+)

II. Tatentschluss
- qualifiziertes Nötigungsmittel gemäß § 255: Gewalt gegen eine Person (+), durch den Schlag mit der Pistole
- Handeln, Dulden, Unterlassen (+), das Öffnen des Tresors
- Vermögensverfügung liegt auch in dem Öffnen des Tresors (sofern man mit der h. L. eine solche voraussetzt)
- Vermögensschaden (+), nach Vorstellung des B wollte er das Geld des T nehmen
- Bereicherungsabsicht (+)

III. unmittelbares Ansetzen (+)


Bei der Strafbarkeit des A habe ich ein Problem. Strafbarkeit des A gemäß §§ 255, 22, 23 I, 25 II

I. Vorprüfung
- Nichtvollendung und Strafbarkeit des Versuchs (+)

II. Tatentschluss
A müsste sich vorgestellt haben, gemeinschaftlich iSd § 25 II einen § 255 zu begehen.

Hier mein Problem: A hat sich vorgestellt, dass B als qualifiziertes Nötigungsmittel iSd § 255 nicht die Gewalt gegen eine Person, sondern die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, da er ja nach dem vorherigen Tatplan nicht dachte, dass B den T mit der Pistole schlagen würde.

Wie bringe ich das in das Gutachten ein?

Mein Vorschlag wäre: A müsste Vorsatz bzgl. des qualifizierten Nötigungsmittels iSd § 255 haben. A hat sich vorgestellt, dass B den T mit der Pistole bedroht, folglich also mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bedroht.

Und dann weiter im Tatentschluss beim Prüfungspunkt "Handeln im gegenseitigen Einvernehmen": Problematisch ist hier, dass nach der Vorstellung des A der B den T mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bedrohen sollte. Tatsächlich hat B aber Gewalt gegen eine Person durch den Pistolenschlag angewendet. Diese Abweichung vom Tatplan ist allerdings irrelevant, da A das Verhalten des B nachträglich gebilligt hat.


Mein Problem etwas abstrakter formuliert: Rechnet man bei Versuch in Mittäterschaft den Tatentschluss des anderen zu (sodass man dem A hier den Tatentschluss des B zurechnen würde), wenn die Voraussetzungen des § 25 II erfüllt sind oder kommt es beim Tatentschluss auf die jeweils eigenen Vorstellungen an (also hier auf die Vorstellung des A an, der sich ja ursprünglich eigentlich § 255 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr seitens des B vorgestellt hatte).

Vielen Dank im Voraus für Eure Antworten.
Sondermeinung
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Re: Mittäterexzess bei Versuch

Beitrag von Sondermeinung »

Mal abgesehen davon, dass entgegen der h.L. nach dem BGH (NJW 1970, 61 f.) die Bedrohung mit einer Waffe bereits Gewalt und keine Drohung sein soll: Grundsätzlich kommt es nur auf den eigenen Vorsatz an (BGH, NStZ 2002, 597, 598). Nach h.M. begründen geringfügige Abweichungen vom Tatplan durch einen Mittäer allerdings noch keinen Exzess, sind also weiterhin zurechenbar (BGH, NJW 1973, 377; Roxin, AT II, § 25 Rn. 196). Das soll insbesondere dann der Fall sein (auch wenn das m.E. zweifelhaft ist), wenn der Mittäter die Abweichung durch späteres Verhalten billigt (BGH, NStZ-RR 2006, 12, 13).

Mit den Grundsätzen kannst du dir die Frage sicherlich selbst beantworten.
Logisch_Win7
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Re: Mittäterexzess bei Versuch

Beitrag von Logisch_Win7 »

Vielen Dank schon mal. Also wäre es beim Versuch dann so: A hatte Tatentschluss bzgl. §§ 255, 25 II durch Drohen mit gegenwärtiger Gefahr und hat dann durch das Billigen der Gewaltanwendung mit der Pistole seinen Tatentschluss zu §§ 255, 25 II durch Gewalt gegen eine Person geändert?

Sehe ich das richtig?
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