Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklausur

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Peaches2
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Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklausur

Beitrag von Peaches2 »

Hallo zusammen,

ich hoffe ihr könnt mir weiterhelfen bei meinem Problem. Ich hab da ein paar Fragen zur Examensklausur in Strafrecht. Die Fülle des Stoffes insbesondere in Strafrecht ist ja bekannt und deswegen habe ich beim Schreiben nicht selten Zeitprobleme.

Ich schreibe die Examensklausur überwiegend im Gutachtenstil und es wird oft angemerkt "kürzer", "zu lang" usw.

Wie führe ich unproblematisch erfüllte TB'Merkmale am besten aus? Im Urteilstil ohne Definition? Darf man das?

Beispiel bei Heimtücke. Da definiere ich es und füge noch die Definition von der Arg- und Wehrlosigkeit zu. Das wird dann aber laut Anmerkung wieder zu lange. Es sind dann wieder nur 5 Zeilen mindestens Definitionen ohne Obersatz und Subsumtion.

Wie macht man das richtig? Sollte man die Klausur nur auf die Probleme beschränken, also nur die ausführlich abhandeln und den Rest in einem Satz kurz und knapp?

Danke O:)
Honigkuchenpferd
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Nun ja, es gilt halt auch bei dieser Frage: "Jeder Jeck is anders". Wenn ein Korrektor moniert, etwas sei ihm zu kurz, kann ein anderer es auch ganz richtig oder sogar zu knapp finden.

Im 1. Examen gilt grundsätzlich, dass für Tatbestandsmerkmale, die nicht völlig unproblematisch sind, eine Definition und Subsumtion geliefert werden muss. Je wichtiger das Delikt, desto ausführlicher. Gerade beim Mord sollte man also nicht sparen. Bei weniger wichtigen Delikten kann man sich dann kürzer fassen und auch mit dem Feststellungsstil arbeiten. Letzteres gilt auch bei Tatbestandsmerkmalen, die völlig unproblematisch sind.

Wie viel verlangt wird, um einen gesunden "Mittelweg" zu finden, kann man eigentlich nur durch fortgesetztes Üben im Klausurenkurs herausfinden. Aber auch dann kann man immer wieder an Leute geraten, die es gerne ausführlicher oder knapper hätten...
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Peaches2
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von Peaches2 »

Vielen Dank für deine Antwort.

Diesen Mittelweg zu finden, finde ich gar nicht einfach bei der Vielfalt von Korrektoren.

Führt denn so etwas zu Punktabzug?

Denn dann ist das ja Glückssache an wen man im Examen gerät..
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JulezLaw
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von JulezLaw »

So pauschal als Glückssache würde ich das nicht bezeichnen.

Wichtig für mich (als Korrektor) ist vor allem, dass der Bearbeiter Schwerpunkte setzt. Erkennst du einen Punkt als problematisch, diskutierst du ihn (und das zugehörige Tatbestandsmerkmal) entsprechend ausführlich. Dafür solltest du dich kürzer halten bei Aspekten, die einfach unproblematisch sind. Schießt der Täter dem arglosen Opfer von hinten in den Rücken, solltest du die Prüfung der Heimtücke kurz halten. Tut er das, weil er zB eifersüchtig ist, kannst du ggfs. ausführlicher diskutieren, ob hier niedrige Beweggründe vorliegen.

Es ist auch grundsätzlich nicht schlimm, auch bei unproblematischen Aspekten immer jede Definition zu nennen und darunter zu subsumieren. Ein Problem wird es erst, wenn die Darstellung der problematischen Punkte genauso lang oder kürzer ist (im Sinne einer intensiven Auseinandersetzung, nicht vom Umfang der geschriebenen Zeilen). Noch ungeschickter ist es, wenn du die Klausur dann nicht fertigstellen kannst, weil du dich am Anfang sehr ausführlich mit einfachen Subsumtionen auseinandergesetzt hast. DAS führt dann aufgrund misslungener Schwerpunktsetzung ggfs. zu "Punktabzug" bzw. schlicht zu weniger Punkten als bei einer vollständigen Bearbeitung. Du musst dem Korrektor zeigen, dass du siehst, wo hier die echten Probleme des Falles liegen.

Insofern stimme ich Honigkuchenpferd zu: Gerade im Strafrecht halte ich das Schreiben von Übungsklausuren für absolut wichtig, um ein Gefühl für die Zeiteinteilung und Schwerpunktsetzung zu bekommen. Dann wird es auf Dauer auch besser :)
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JulezLaw
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von JulezLaw »

Ah, und noch eine Anmerkung: Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass jede Randbemerkung/jeder Haken/jede Unterstreichung Einfluss auf die endgültige Benotung hat. Insofern kommt es im Wesentlichen auf das abschließende Votum an. Gerade Randbemerkungen wie "kürzer!" haben zB bei mir in der Regel keine Auswirkung auf die Bewertung, sondern allenfalls die (am Ende auch nochmal entsprechend bemängelte) Schwerpunktsetzung.
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von [enigma] »

Bewertet wird die Gesamtleistung. Wenn du den Fall gut vertretbar löst und die Schwerpunkte richtig auf die Probleme setzt, wird dir niemand ankreiden, dass du beim Diebstahl die unproblematische Fremdheit der Sache mit einem Satz feststellst. Gerade die "kürzer"/"zu lang" Bemerkungen deuten darauf hin, dass die Schwerpunktsetzung noch nicht ganz passt. Diese geht aber mit genug Übung in Fleisch und Blut über, also so viele Klausuren schreiben wie möglich.

Ein Patentrezept a la "mindestens drei Sätze zum Vorsatz" gibt es leider nicht ;)
Peaches2 hat geschrieben: Denn dann ist das ja Glückssache an wen man im Examen gerät..
Das lässt sich leider nicht völlig vermeiden. Der Glücksfaktor macht aber nicht den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Klausur aus, zumal man im Examen zwei Korrektoren hat.
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von markus87 »

"Indem A der O die Handtasche entriss, hat er ihren Gewahrsam gebrochen und eigenen begründet, mithin eine fremde bewegliche Sache weggenommen." Mehr möchte niemand lesen in einem unproblematischen Fall. Wer 2 Sätze dafür braucht kriegt keinen Abzug. Wer aber ohne Anlass definiert, was eine fremde, bewegliche Sache ist, kriegt dafür gedanklich eine Ohrfeige vom Korrektor und wenn dann ein Problem zu oberflächlich bearbeitet wird bleibt es nicht bei der gedanklichen Ohrfeige.
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von Peaches2 »

Herzlichen Dank an Alle für die zahlreichen Antworten!

Ihr habt mir schon sehr geholfen damit und ich werde jetzt darauf achten, dass ich das umsetze.

Irgendwie hab ich immer Angst, dass was zu kurz kommt, ich was vergesse oder es zu ungenau ist und hab sogar unproblematisches wie oben geschildert ausgeführt, samt Definition und Subsumtion. Gerade während den Klausuren packt mich ein zwanghafter Perfektionismus und ich bleibe an völlig irrelevanten Stellen zu lange hängen und führe zu lange aus :( Sieht vielleicht auch anfängerhaft aus, was auch nicht gut ankommt.

Das Beispiel von markus87 find ich sehr hilfreich, so werde ich unproblematisches das nächste Mal ausführen und hoffe diesmal auf positive Reaktionen bei der Korrektur.

Kann ich diese Regeln für die Examensklausur auch auf Zivilrecht und Öffentliches Recht übertragen?
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von markus87 »

Absolut. Zum Verwaltungsrechtsweg beispielsweise sollte es fast immer auch nur ein kurzer knackiger Satz sein.
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Tibor
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von Tibor »

In diesem Fall solltest du den Fokus auf das Erstellen von Lösungsskizzen setzen und dich hierbei zwingen vor Reinschrift Schwerpunkte zu markieren. Im StrafR hatte ich bspw immer nur skizziert

OT (+)
ST (+)
RW (P: 32 Wille?)
S (+)

usw usf. Wo dann kein P stand, gab es im Idealfall nur die Sätze, wie von Markus vorgeschlagen. Wenn Zeit ist, sollte man nach der Skizze nochmals den SV lesen und dann kann man nochmals prüfen, ob man zu jeder ausführlicheren Angabe irgendwo ein (P) hat.
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von markus87 »

Das mit den (P) habe ich auch gemacht differenziert nach echten Schwerpunkten und kleinen Problemen. Danach habe ich vor dem Schreiben noch 1 min investiert, die Lösungskizze in 3-5 Abschnitte aufgeteilt (v.a. orientiert an der Anzahl der Probleme) und mir bei jedem Abschnittsende die gewünschte "Durchlaufzeit" hingeschrieben. Dadurch wusste ich immer wie ich in der Zeit liege und bin immer rechtzeitig fertig geworden.
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von Peaches2 »

Ich hab mir jetzt vorgenommen, täglich zu einer Klausur eine Lösungsskizze zu erstellen und dann abzugleichen. Bisher hab ich das nie so ausführlich gemacht, eher grob und kurz. Heute hab ich schon durch die Lösungsskizze bemerkt, wo ich Lücken hab. Hab die Lösungsskizze bisher wohl sehr unterschätzt.

Wenn die Lösungsskizze mit den Problemen vollständig erstellt wurde, dürfte das Schreiben an sich viel einfacher fallen, nehme ich an.
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JulezLaw
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von JulezLaw »

Das war tatsächlich auch bei mir der Fall. Im Zivil- und ÖffRecht haben kurze Lösungsskizzen bei mir immer funktioniert (am Anfang hab ich fälschlicherweise sogar gar keine angefertigt), im Strafrecht kam ich aber regelmäßig an den Punkt, dass mir beim Schreiben aufgefallen ist, dass da noch ein weiteres Problem liegt. Das ist mir bei der ausführlichen Lösungsskizze dann nur noch höchst selten passiert. Der Vorteil ist auch, dass man dann tatsächlich einfach nur noch, ohne zu denken, das Gutachten "runterschreiben" kann.
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Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von Peaches2 »

JulezLaw hat geschrieben:Das war tatsächlich auch bei mir der Fall. Im Zivil- und ÖffRecht haben kurze Lösungsskizzen bei mir immer funktioniert (am Anfang hab ich fälschlicherweise sogar gar keine angefertigt), im Strafrecht kam ich aber regelmäßig an den Punkt, dass mir beim Schreiben aufgefallen ist, dass da noch ein weiteres Problem liegt. Das ist mir bei der ausführlichen Lösungsskizze dann nur noch höchst selten passiert. Der Vorteil ist auch, dass man dann tatsächlich einfach nur noch, ohne zu denken, das Gutachten "runterschreiben" kann.
In Strafrecht hab ich dauernd das Gefühl etwas übersehen zu haben (höchstwahrscheinlich tue ich das auch), da ich den Stoff extrem viel finde und dementsprechend das Auswendiglernen. Ständig gerät irgendwas ins Universum des Vergessens. Die Examensklausuren finde ich auch sehr umfangreich.
Außerhalb der Examensvorbereitung war es mal mein Lieblingsfach, weil es auch überschaubar war und (noch) Spaß gemacht hat.Jetzt sehe ich vor lauter Bäumen (Streitigkeiten, Definitionen, Aufbauschemata) den Wald nicht mehr.. #-o
Gelöschter Nutzer

Re: Unproblematische Tatbestandsmerkmale in der Examensklaus

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ohne Experte zu sein, würde ich versuchen, alles Unproblematische -- selbst (oder gerade?) im Strafrecht -- möglichst kurz zu halten.

Das spart nicht nur Zeit, sondern wirkt vor allem auch souverän.

Ganz gut kommt nach meiner Klausurerfahrung auch immer ein "Pseudo"- bzw. verkürzter Gutachtenstil, z.B. bei einer eindeutigen Heimtücke (nach der Grunddefinition):

"Angesichts des Überfalls aus dem Hinterhalt war sich O keines Angriffs bewusst, sodass T die Arg- und die hierauf beruhende Wehrlosigkeit des O ausnutze und damit grundsätzlich heimtückisch handelte.
Problematisch erscheint im Lichte der Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsätze (vgl. Art. 20 III GG) allenfalls die uferlose Weite des Heimtückebegriffs, zumal hiermit sogleich die lebenslage Freiheitsstrafe einhergeht. Dementsprechend könnte iSe teleologischen Reduktion zusätzlich.... zu fordern sein. usw."

oder noch kürzer, v.a. bei Zeitproblemen bzw. wenn hier offenkundig kein Klausurschwerpunkt liegt.
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