Reichweite von Ermittlungsverfahren und Einstellung

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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dosenbaer
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Reichweite von Ermittlungsverfahren und Einstellung

Beitrag von dosenbaer »

Beispielfall:
Der stadtbekannte Dieb T wird von zwei Polizisten zufällig beobachtet, wie er Fahrradständer umkreist. Nach einiger Zeit kommt er erneut zu den Ständern, nimmt zielgerichtet ein unabgeschlossenes Fahrrad und fährt los. Zuhause angekommen sprechen ihn die Polizisten an, der T erklärt, er habe das teure Rad bereits vor Tagen wahrgenommen und nun aus Sorge vor Dieben zum nächsten Fundbüro bringen wollen. Zuhause habe er nun nachschlagen wollen, wo sich das Fundbüro befindet.

Es stellt sich heraus, dass das Fahrrad Wochen zuvor an einem ganz anderen Ort von einer unbekannten Person gestohlen wurde. Die Eigentümerin O hat den Sachverhalt angezeigt. Spurensicherung, etc. blieb erfolglos. Nun erhält sie ihr Fahrrad zurück.
Der Beschuldigte verweigert weitere Einlassungen.

Nun hat der StA über den Abschluss des Emittlungsverfahrens zu entscheiden:

Geschehnisse Wochen zuvor:
§ 242 StGB (-), kein Nachweis möglich

Geschehnisse bei Observation:
§ 242 StGB (-), kein Gewahrsamsbruch
§ 259 StGB (-), kein Verschaffen im Einverständnis mit Vortäter, zumindest spricht Vorgehen sehr dagegen, daher auch keine Lösung über Postpendenz
§ 246 StGB (+), zumindest ist die Einlassung sehr wackelig, Anklage gut vertretbar
=> Anklage wegen Unterschlagung

Mein Problem:
was passiert mit dem früheren Ermittlungsverfahren, das durch die ursprüngliche Anzeige der O ausgelöst wurde?

Läuft es weiter (denn der Täter kann ja noch gefunden werden)?
Wurde es mit dem jetzigen vereint? Denn schließlich ist denkbar, wenn auch fernliegend, dass T das Fahrrad damals gestohlen hat. Müsste ich dann ggü. dem T eine Teileinstellung verfügen, wenn ich nun nur wegen Unterschlagung anklage?


EDIT: mein Vorschlag:
die Vorwürfe liegen zwar zeitlich weit auseinander, sind aber miteinander unabdingbar verknüpft, sodass ein einheitliches Geschehen vorliegt und keine separate Einstellung erfolgt.
Denn sollte T in der Hauptverhandlung den damaligen Diebstahl eingestehen, entfällt die Unterschlagung und er würde wegen Diebstahl verurteilt.
Und sollte T einräumen, er kenne den Dieb, und dieser habe ihn beauftragt, das Rad zu holen (fernliegend, aber denkbar), würde die Hehlerei greifen.
cad
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Re: Reichweite von Ermittlungsverfahren und Einstellung

Beitrag von cad »

Was ist mit versuchten Diebstahl?

Hinsichtlich er Entwendung Wochen zuvor ist das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO teilweise einzustellen, da kein Tatnachweis und andere prozessuale Tat.

Die theoretisch denkbaren Konstellationen kannst du außen vor lassen. Du prüfst den hinreichenden Tatverdacht!
dosenbaer
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Re: Reichweite von Ermittlungsverfahren und Einstellung

Beitrag von dosenbaer »

cad hat geschrieben:Was ist mit versuchten Diebstahl?
Gute Frage:
- tauglicher vesuchter Diebstahl (-), keine Brechung eines fremden Gewahrsams möglich
- untauglicher versuchter Diebstahl demnach (+)

Fischer, § 242, Rn. 55 sagt, dass beides nebeneinander existieren kann. Hatte die Subsidiarität des § 246 StGB strenger in Erinnerung. Ok, danke!

cad hat geschrieben:Hinsichtlich er Entwendung Wochen zuvor ist das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO teilweise einzustellen, da kein Tatnachweis und andere prozessuale Tat.
EDIT: Macht erschreckend Sinn./EDIT Insbesondere, um meiner Lösung folgend ne bis in idem zu verhindern, wonach dann T nicht mehr wegen des früheren Diebstahls angeklagt und verurteilt werden könnte, wenn er zuvor mit nun rechtsmittelfesten Urteil wegen versuchtem Diebstahl und Unterschlagung verurteilt wurde. Siehe M/G § 264 a.E. bzgl. Hehlerei, nachfolgend Diebstahl.
cad hat geschrieben:Die theoretisch denkbaren Konstellationen kannst du außen vor lassen. Du prüfst den hinreichenden Tatverdacht!
Alles klar.
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