Versuch, Vollendung und Rücktritt bei einzelnen Mittätern?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Antworten
Gelöschter Nutzer

Versuch, Vollendung und Rücktritt bei einzelnen Mittätern?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Zwei schon für sich genommen recht komplexe Themenkreise treffen aufeinander: Mittäterschaft und Versuch/Rücktritt.

Tatsächlich ist mir in einer Examensklausur ein Problem begegnet, welches zwar relativ unspektakulär erscheint, das ich bis dato aber noch nie gesehen hatte.

Fall (vereinfacht):

A, B und C wollen O ausrauben. A bedroht bereits O, B und C sollten anschließend nach dem gemeinsamen Tatplan O fesseln, schließlich sollten sie die Beute gemeinsam wegschaffen und gleichmäßig teilen. MaW: klare Mittäterschaft.

Allerdings entscheidet sich B während der Bedrohung des O um und greift plötzlich A an. Nach einem kurzen Gerangel läuft B davon. Auch C macht sich aus dem Staub. O ist währenddessen noch geschockt und verharrt an Ort und Stelle. A führt den ursprünglichen Plan alleine durch, fesselt O und macht sich mit der Beute aus dem Staub.

----

Ich bin bei dem Fall äußerst unsicher, wie sich der "Rücktritt der (ehemaligen?) Mittäter" nach dem gemeinsamen unmittelbaren Ansetzen bei einer Vollendung der Tat durch A auswirkt. Hier ein paar Gedanken, die mir im Kopf herumspuken:

- prüfe ich bei B und C Versuch oder Vollendung?
- ihr Abbruch der Tat vor Vollendung spricht zwar für einen Versuch, aber immerhin hat A die Tat ja (entsprechend dem ursprünglichen Plan) durchgeführt
- tragen B und C deshalb nicht gewissermaßen das "Vollendungsrisiko"? (vgl. ich setze einen Kausalverlauf in Gang, überlege es mir vor Vollendung anders, aber das Opfer stirbt trotzdem)
- ist es wirklich zulässig, bei Mittätern trotz der grundsätzlichen Akzessorietät teilweise Vollendung anzunehmen, teilweise dagegen Versuch?
- § 24 II 2 Var. 2 StGB spricht ja dafür, dass ein vergleichbarer Fall als Versuch zu behandeln wäre -- allerdings meine ich auch gelesen zu haben, dass die Norm als Ausnahme einen Rücktritt trotz Vollendung erlaubt

----

Wirklich viel habe ich zu der Frage bei einer kurzen Recherche nicht gefunden, nur MüKo zu § 24 StGB deutet wohl auf eine Vollendung durch alle Mittäter hin.

In der echten Klausur habe ich 3x Vollendung (mit Begründung) angenommen und dafür eine gute Note bekommen, aber wirklich befriedigt hat mich das Ganze noch immer nicht. Zumal es eigentlich als äußerst simple Frage erscheint, die ein Examenskandidat bzw. -absolvent problemlos beherrschen sollte...

Gegenwärtig erscheint es mir fast naheliegender, bei A, B und C jeweils einen Versuch in Mittäterschaft anzunehmen, bei A dann noch zusätzlich eine Vollendung, sodass As Versuch konkurrenzrechtlich zurücktritt. Diese Lösung setzt aber voraus, dass das "Auseinanderbrechen" der Mittätereinheit als echte Zäsur gesehen werden kann.

Was meint ihr?
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Versuch, Vollendung und Rücktritt bei einzelnen Mittäter

Beitrag von Tobias__21 »

Hört sich nach dem Problem der Aufgabe des gemeinsamen Tatplans durch einen/mehrere Mittäter an. Da gibt es verschiedene Lösungsansätze je nachdem in welchem Stadium der Tat und auf welche Weise (bspw. mit Wissen der anderen Mittäter) die Abkehr vom Tatplan erfolgt ist. Problematisch ist dann ob die bereits im Vorfeld erbrachten Tatbeiträge noch fortwirken. Ich hab dazu mal einen guten Aufsatz gelesen. Schau gerade mal nach, ob ich ihn finde und meld mich dann ggf. nochmal.

Bei Deinem Fall sind ja alle schon ins Versuchsstadium eingetreten (unproblematisch). Von daher scheint auch eine Vollendungsstrafbarkeit in Bezug auf C vertretbar. Ich meine aber, dass man hier auch über eine (ggf. analoge) Anwendung des § 24 zu Gunsten derjenigen Mittäter die aufhören diskutiert. In Deinem Fall dürfte aber hinsichtlich B der § 24 II S. 2 Alt. 2 einschlägig sein, so dass man insoweit ohne analoge Anwendung auskommt und B bzgl des Raubes wirksam zurückgetreten ist. Bei C könnte das allerdings anders aussehen, der haut ja einfach nur ab. Bei A muss man doch auch nichts zurechnen? Der übt ja selbst Gewalt und nimmt die Sache weg. Der Fall scheint mir insoweit nur in Bezug auf C problematisch. Probleme mit einem "Auseinanderbrechen" der Mittäterschaft sehe ich auch nicht. Die Mittäterschaft ist doch nur eine Zurechnung von Tatbeiträgen.
Im Ergebnis ist A also Täter eines Raubes, B ist zurückgetreten und C werden ggf. die Tatbeiträge des A zugerechnet und man berücksichtigt sein Verhalten auf Strafzumessungsebene (a.A wohl vertretbar) :)

EDIT:
Täterschaft und Teilnahme – Unverändert aktuelle Streitpunkte, Rengier JuS 2010, 281

Das war zwar nicht der Aufsatz den ich meinte, aber dort wird es auch thematisiert.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Gelöschter Nutzer

Re: Versuch, Vollendung und Rücktritt bei einzelnen Mittäter

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Tobias__21 hat geschrieben:Hört sich nach dem Problem der Aufgabe des gemeinsamen Tatplans durch einen/mehrere Mittäter an. Da gibt es verschiedene Lösungsansätze je nachdem in welchem Stadium der Tat und auf welche Weise (bspw. mit Wissen der anderen Mittäter) die Abkehr vom Tatplan erfolgt ist. Problematisch ist dann ob die bereits im Vorfeld erbrachten Tatbeiträge noch fortwirken. Ich hab dazu mal einen guten Aufsatz gelesen. Schau gerade mal nach, ob ich ihn finde und meld mich dann ggf. nochmal.

Bei Deinem Fall sind ja alle schon ins Versuchsstadium eingetreten (unproblematisch). Von daher scheint auch eine Vollendungsstrafbarkeit in Bezug auf C vertretbar. Ich meine aber, dass man hier auch über eine (ggf. analoge) Anwendung des § 24 zu Gunsten derjenigen Mittäter die aufhören diskutiert. In Deinem Fall dürfte aber hinsichtlich B der § 24 II S. 2 Alt. 2 einschlägig sein, so dass man insoweit ohne analoge Anwendung auskommt und B bzgl des Raubes wirksam zurückgetreten ist. Bei C könnte das allerdings anders aussehen, der haut ja einfach nur ab. Bei A muss man doch auch nichts zurechnen? Der übt ja selbst Gewalt und nimmt die Sache weg. Der Fall scheint mir insoweit nur in Bezug auf C problematisch. Probleme mit einem "Auseinanderbrechen" der Mittäterschaft sehe ich auch nicht. Die Mittäterschaft ist doch nur eine Zurechnung von Tatbeiträgen.
Im Ergebnis ist A also Täter eines Raubes, B ist zurückgetreten und C werden ggf. die Tatbeiträge des A zugerechnet und man berücksichtigt sein Verhalten auf Strafzumessungsebene (a.A wohl vertretbar) :)

EDIT:
Täterschaft und Teilnahme – Unverändert aktuelle Streitpunkte, Rengier JuS 2010, 281

Das war zwar nicht der Aufsatz den ich meinte, aber dort wird es auch thematisiert.
Danke!

Mir sind aber noch immer ein paar Einzelheiten nicht ganz klar, insbesondere: würdest du bei B und C einen versuchten Raub oder eine Vollendung prüfen?

Falls du einen Versuch prüfen würdest, wie passt das mit dem Gedanken des "Vollendungsrisikos" (ich schieße, überlege es mir dann anders, die Kugel trifft trotzdem ihr Ziel) und der Akzessorietät zwischen den Mittätern (A wg. Raub in Vollendung, B Raub in Versuch) zusammen?

Falls du eine Vollendung annimmst, wie kannst du dann § 24 (Rücktritt!) prüfen bzw. regelt § 24 II 2 Var. 2 tatsächlich einen Fall des Rücktritts vom vollendeten Delikt?

Am einfachsten wäre eine kurze Darstellung, vgl. z.B.:

A. Strafbarkeit des A

I. § 249 I (+)
(unproblematisch)

II. Qualis, andere Taten usw.

B. Strafbarkeit des B

I. §§ 249 I, 22, 23 I

P: Vorprüfung -- Nichtvollendung der Tat (?!)

(...)
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Versuch, Vollendung und Rücktritt bei einzelnen Mittäter

Beitrag von Tobias__21 »

Ja, § 24 II S. 2 Alt. 2 regelt einen Rücktritt bei Vollendung der Tat. Steht doch auch so im Gesetz. Das kann man dann auf verschiedene Weise prüfen. Bspw. könnte man mit einer Vollendungsstrafbarkeit beginnen und die Kausalität des Tatbeitrages verneinen. Danach würde sich dann eine Versuchsprüfung anschließen mit Rücktritt nach § 24 II S. 2 Alt. 2. Bei der Versuchsprüfung stellst Du dann nicht auf die fehlende Vollendung ab, sondern auf die mangelnde Kausalität. Ein Versuch kommt ja nicht nur in Betracht wenn die Tat nicht vollendet wird, sondern auch wenn es an Kausalität oder objektiver Zurechnung fehlt (auch beim Einzeltäter).

Bei C ist der SV etwas dünn. Ist da irgendein Tatbeitrag für die Vollendung kausal geworden? Wenn Nein, würde ich hier mangels ernsthaften Bemühens (vgl. § 24 II S. 2 Alt. 2) eine Strafbarkeit wegen Versuchs annehmen, A wegen Vollendung bestrafen und B zurücktreten lassen.

Was meinst Du mit Akzessorietät zwischen den Mittätern? Ein Problem mit dem Vollendungsrisiko hast Du hier auch nicht, da wohl keiner der Tatbeiträge von B und C für die Vollendung des Raubes kausal wurde.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Tobias__21
Fossil
Fossil
Beiträge: 10395
Registriert: Dienstag 4. November 2014, 07:51
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Versuch, Vollendung und Rücktritt bei einzelnen Mittäter

Beitrag von Tobias__21 »

Ich habe den Aufsatz den ich meinte übrigens gerade im google drive gefunden :)

§ 24 II StGB – Der Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten - JA 2012, S. 1ff.

Falls Du in der Hinsicht noch was lesen möchtest.
Having cats in the house is like living with art that sometimes throws up on the carpet
Antworten