Warum ist der Meineid ein eigenhändiges Delikt?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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UltimaSpes
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Warum ist der Meineid ein eigenhändiges Delikt?

Beitrag von UltimaSpes »

Hallo,

nach wohl allgemeiner Ansicht handelt es sich ja beim Meineid um ein sog. eigenhändiges Delikt und deswegen ist keine mittelbare Täterschaft möglich. Aber wieso genau ist das eigentlich so?

Als Begründung habe ich gelesen: "Der Meineid ist ein eigenhändiges Delikt, da er nur von dem begangen werden kann, der unter Eid aussagt."
Diese Begründung beißt sich doch aber selber in den Schwanz, denn dann könnte man doch auch sagen: der Totschlag ist ein eigenhändiges Delikt, da er nur von dem begangen werden kann, der jemanden tötet (und damit würde auch beim Totschlag keine mittelbare Täterschaft infrage kommen).

Wie kann man also sauber begründen, dass es sich um ein eigenhändiges Delikt handelt?
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[enigma]
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Re: Warum ist der Meineid ein eigenhändiges Delikt?

Beitrag von [enigma] »

UltimaSpes hat geschrieben:Hallo,

nach wohl allgemeiner Ansicht handelt es sich ja beim Meineid um ein sog. eigenhändiges Delikt und deswegen ist keine mittelbare Täterschaft möglich. Aber wieso genau ist das eigentlich so?

Als Begründung habe ich gelesen: "Der Meineid ist ein eigenhändiges Delikt, da er nur von dem begangen werden kann, der unter Eid aussagt."
Diese Begründung beißt sich doch aber selber in den Schwanz, denn dann könnte man doch auch sagen: der Totschlag ist ein eigenhändiges Delikt, da er nur von dem begangen werden kann, der jemanden tötet (und damit würde auch beim Totschlag keine mittelbare Täterschaft infrage kommen).

Wie kann man also sauber begründen, dass es sich um ein eigenhändiges Delikt handelt?
Der Unterschied zwischen den Fällen in deinem Beispiel liegt bereits darin, dass nicht jeder, der unter Eid steht, auch einen Meineid begeht. Jeder, der jemanden vorsätzlich tötet, erfüllt aber (mindestens) den Tatbestand des Totschlags.

Der Erfolg "Tötung" kann grundsätzlich durch jeden täterschaftlich verursacht werden, also auch in mittelbarer Täterschaft oder Mittäterschaft. Der Erfolg "Meineid" aber nur von demjenigem, der selbst unter Eid steht. Deshalb auch keine mittelbare Täterschaft/Mittäterschaft.

Du kannst dich ja einfach fragen, ob sich der Haupttäter der mittelbaren Täterschaft auch dann strafbar machen würde, wenn er die Tathandlung des Werkzeugs selbst begeht. Beim Totschlag (wenn der Haupttäter selbst schießt) ist das der Fall, beim Meineid (Täter lügt selbst) nicht, weil der Haupttäter nicht selbst unter Eid steht. Die Abgrenzung kann bei einigen Delikten etwas schwierig sein, teilweise ist deren Behandlung auch umstritten. Deshalb empfiehlt es sich, die wichtigsten eigenhändigen Delikte einfach auswendig zu lernen.
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UltimaSpes
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Re: Warum ist der Meineid ein eigenhändiges Delikt?

Beitrag von UltimaSpes »

[enigma] hat geschrieben: Du kannst dich ja einfach fragen, ob sich der Haupttäter der mittelbaren Täterschaft auch dann strafbar machen würde, wenn er die Tathandlung des Werkzeugs selbst begeht. Beim Totschlag (wenn der Haupttäter selbst schießt) ist das der Fall, beim Meineid (Täter lügt selbst) nicht, weil der Haupttäter nicht selbst unter Eid steht.
Danke, so wird es mir klar. Die Tathandlung - das Töten oder Lügen - ist im Wege einer mittelbaren Täterschaft zurechenbar. Beim Meineid kommt aber noch der besondere Umstand hinzu, dass der Lügende sozusagen höchstpersönlich unter Eid steht, was dem Hintermann nicht mehr zugerechnet werden kann.

Um diese Lücke zu schließen, dass mittelbare Täterschaft u.a. beim Meineid nicht möglich ist, gibt es ja den § 160.
Ich frage mich aber, warum man als Täter nach § 160 I Var. 1 (Verleiten zum Meineid) deutlich milder bestraft wird als der Anstifter zu einem Meineid nach §§ 154 I, 26.
Im ersten Fall ist man ja praktisch gesehen mittelbarer Täter, kann aber nur eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bekommen, wohingegen dem Anstifter bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe drohen.
Gibt es einen rechtfertigenden Grund für dieses unterschiedliche Strafmaß? Denn ansonsten steht die mittelbare Täterschaft - die bei § 160 faktisch vorliegt - ja grundsätzlich über der Anstiftung.
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[enigma]
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Re: Warum ist der Meineid ein eigenhändiges Delikt?

Beitrag von [enigma] »

UltimaSpes hat geschrieben: Ich frage mich aber, warum man als Täter nach § 160 I Var. 1 (Verleiten zum Meineid) deutlich milder bestraft wird als der Anstifter zu einem Meineid nach §§ 154 I, 26.
Im ersten Fall ist man ja praktisch gesehen mittelbarer Täter, kann aber nur eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bekommen, wohingegen dem Anstifter bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe drohen.
Nein, der Anstifter bekommt die Strafmilderung über § 28 I Hs. 2 StGB.
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Re: Warum ist der Meineid ein eigenhändiges Delikt?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

UltimaSpes hat geschrieben:Denn ansonsten steht die mittelbare Täterschaft - die bei § 160 faktisch vorliegt - ja grundsätzlich über der Anstiftung.
§ 160 StGB ist insofern dem Grunde nach schlicht wertungswidersprüchlich. Bei den Aussagedelikten ist die Anstiftung - abweichend von den Regelungen des allgemeinen Teils - die stärkere Beteiligungsform.
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Re: Warum ist der Meineid ein eigenhändiges Delikt?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Nein, der Anstifter bekommt die Strafmilderung über § 28 I Hs. 2 StGB.
Dass die Wahrheitspflicht ein besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 I StGB ist, ist aber keineswegs allgemein anerkannt.
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Re: Warum ist der Meineid ein eigenhändiges Delikt?

Beitrag von Swann »

UltimaSpes hat geschrieben: Gibt es einen rechtfertigenden Grund für dieses unterschiedliche Strafmaß? Denn ansonsten steht die mittelbare Täterschaft - die bei § 160 faktisch vorliegt - ja grundsätzlich über der Anstiftung.
Der Unterschied dürfte historisch damit zu erklären sein, dass bei der Strafwürdigkeit des Meineides weniger die Beeinträchtigung der Rechtspflege im Vordergrund stand als die Verletzung einer persönlichen Wahrheitspflicht. Ist derjenige, der falsch schwört, jedoch gutgläubig, begeht er - wenn überhaupt - nur eine geringfügigere Verletzung seiner Wahrheitspflicht, nämlich einen fahrlässigen Falscheid, sodass ein geringeres Kriminalunrecht verwirklicht ist als beim Anstifter. Im Zusammenhang damit steht, dass der damalige Strafgrund der Anstiftung zT in der Schuldverstrickungslehre gesehen wurde und auch insoweit ist die hervorgerufene Schuld nicht so gravierend.
Das ist heutzutage natürlich nicht mehr sachgemäß.
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