Erlaunistatbestandsirrtum oder Doppelirrtum?

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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JeSuisJeReste
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Erlaunistatbestandsirrtum oder Doppelirrtum?

Beitrag von JeSuisJeReste »

Wann liegt ein Doppelirrtum vor? Die grundsätzliche Konstellation ist doch, wenn man mit der Prüfung des ETBI nicht ganz durchkommt und an der Stelle, an der die Lücke im ETBI auftaucht, tritt ein rechtlicher Irrtum des Täters ein.

Wie sieht es denn aus, wenn ich mit einer hypothetischen Prüfung des Rechtfertigungsgrundes nach Tätervorstellung ohne Probleme durchkomme und dieser überdes vom "Erlaubtsein" seiner Tathandlung ausgeht? Ist dann ob der Bejahung des ETBI ein (zusätzlicher) rechtlicher Irrtum irrelevant oder tritt dieser iS eines Doppelirrtums dann noch zum ETBI dazu?

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JPivonka
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Re: Erlaunistatbestandsirrtum oder Doppelirrtum?

Beitrag von JPivonka »

Beim Erlaubnistatbestandsirrtum nimmt der Täter ja irrig Umstände an, bei denen er bei deren tatsächlichem Vorliegen gerechtfertigt wäre - bspw. wenn jemand glaubt, durch Notwehr gerechtfertigt zu sein. Er geht also von einem SV aus, bei dessen Vorliegen er durch einen existierenden Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt wäre. Glaubt der Täter nun aber zusätzlich noch, er dürfe den (vermeintlichen) Angreifer etwa sofort mit einem Kopfschuss niederstrecken, dann irrt er zusätzlich um die Reichweite des (irrtümlich angenommenen) Rechtfertgiungsgrundes. Das ist dann ein Erlaubnisirrtum. Diesen Doppelirrtum, den du meinst ist genau diese Konstellation, nämlich einmal die Vorstellung eines SV, bei dem man gerechtfertigt sein würde (= ETBI) und zusätzlich die irrige Annahme etwa über die Reichweite dieses gedachten Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnisirrtum) = Tatbestandsirrtum + Verbotsirrtum.
Im Ergebnis wird dies aber wie ein Verbotsirrtum also nach § 17 behandelt, denn der Täter darf nicht durch den Irrtum über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes privilegiert werden (nach § 16 I 1 würde ja der Vorsatz entfallen), wenn er dessen Reichweite ohnehin überschreiten würde: das Gesetz würde selbst bei einem wirklichen Angriff und bestehender Rechtfertigungslage (was der Täter auch weiß = kein ETBI) einen sofortigen tödlichen Kopfschuss nicht gestatten, wenn es etwa an der Erforderlichkeit scheitert (der Täter das aber irrrtümlich glaubt = Irrtum über die Reichweite --> § 17 S.1 StGB --> Täter wäre nur entschuldigt, wenn der Irrtum unvermeidbar war). Das muss dann aber auch für den Täter gelten, der sich das orliegen der Rechtfertigungsvoraussetzungen nur vorgestellt hat (= ETBI) Der darf dann nicht nach § 16 I 1 als vorsatzlos gelten, sondern dort ist ebenso § 17 S.1 heranzuziehen, denn er darf im Ergebnis nicht besser stehen, als der Täter, dessen Vorstellungen tatsächlich der Realität entsprechen.
So hab ich das verstanden und ich hoffe ich konnte das einigermaßen verständlich erklären. Wenn nicht schau mal bei Frister, Allgemeiner Teil, 14. Kapitel Rn.36, dort schreibt er, dass ein Erlaubnistatbestandsirrtum nur gegeben ist, wenn auf Grundlage der Tätervorstellung alle Rechtfertigungsvoraussetzungen erfüllt sein würden. Daran fehlt es aber, wenn der Täter sich zB. nur einen Teil der Umstände vorgestellt hat und im Übrigen davon ausgeht, dass sein Handeln erlaubt ist. Etwa, wenn jemand glaubt, einen Einbrecher auf der Flucht zu ertappen und ihn niederschießt in dem Glauben, durch 127 StPO gerechtfertigt zu sein. Selbst wenn es wirklich ein Einbrecher wäre, wäre er dennoch nicht gerechtfertigt, sodass es im Ergebnis bei einem Erlaubnisirrtum bleibt. Deswegen sei die Bezeichnung von einem Doppelirrtum auch irreführend.
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