Verhältnis § 211 StGB und § 216 StGB im Einzelfall

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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JPivonka
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Verhältnis § 211 StGB und § 216 StGB im Einzelfall

Beitrag von JPivonka »

Für meine Frage folgender Ausgangspunkt: Auch wenn die h.L. im Gegensatz zur Rechtsprechung von einem Stufenverhältnis der Tötungstatbestände spricht, so stehen sie jedoch nach beiden Ansichten im Verhältnis der Spezialität zueinander, d.h. die speziellere Privilegierung des § 216 verdrängt den Totschlag und auch den Mord (so etwa, wenn neben dem bewusstseinsdominanten Mitleidsmotiv auch Geld eine Rolle spielt). Aber gilt das wirklich uneingeschränkt? Mir erscheint das fragwürdig, je nachdem welches Mordmerkmal insbesondere verwirklicht sein würde... wenn nun jemand auf das ernsthafte Sterbeverlangen eines Angehörigen dazu bestimmt wird, ihn zu töten und dazu (zugegeben fernliegender aber doch hypothetisch möglicherweise) anfängt, ihm von den Füßen aufwärts erstmal die Haut abzuziehen, kann das doch nicht nur bei § 216 bleiben?
Der Gedanke ist doch derselbe wie bei § 228, auch wenn es da um Fragen der Rechtfertigung und nicht der Privilegierung geht, aber vom Gedanken her ist doch die Grenze bei der Sittenwidrigkeit? Gut, man könnte sagen, dass eine Töung stets sittenwidrig ist auch angesichts des absoluten Verbots, aber hinter § 216 steht doch gerade das verhälnismäßig sittliche Motiv des Täters, der sich in das Opfer einfühlt und aus Mitleid auf dessen Verlangen von seinen Qualen erlöst.
Würde man dann etwa sagen, dass sich das Verlangen nicht auf die Tötung an sich, sondern auch auf die konkrete Tötungsweise beziehen muss? Sodass eine eher "unschöne" Tötung gar nicht mehr erfasst würde? Aber am Tatbestand lässt sich das nicht festmachen, dafür ist der Wortlaut zu eindeutig. Und in solchen Fällen lediglich das Höchstmaß zu verhängen scheint bei 5 Jahren Maximum auch nicht wirklich angebracht oder? Würde man vielleicht sogar eine Sperrwirkung des Mordes in solchen Fällen annehmen?
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[enigma]
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Re: Verhältnis § 211 StGB und § 216 StGB im Einzelfall

Beitrag von [enigma] »

Bei § 216 ist das Unrecht der eigentlichen Tötung im Vergleich zu Totschlag und Mord ja deutlich niedriger. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Täter Mordmerkmale erfüllt, die sind ja nicht der primäre Strafgrund des TötungsDelikts. Soweit durch die Mordmerkale eigenständiges Unrecht verwirklicht wird, was in deinem Beispiel der Fall sein dürfte, bleiben natürlich noch andere Straftatbestände anwendbar.

In der Lit wird teilweise angenommen, § 211 sei neben § 216 anwendbar. Halte ich aber aus oben genannten Gründen für nicht überzeugend.
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JPivonka
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Re: Verhältnis § 211 StGB und § 216 StGB im Einzelfall

Beitrag von JPivonka »

Wie ist das dann zu erklären, dass der BGH neulich den LKA Beamten wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt hat? Sei es drum, dass er dabei sexuelle Neigungen empfunden hat, die Tat entsprach ganz eindeutig dem Verlangen des Opfers?
Tobias__21
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Re: Verhältnis § 211 StGB und § 216 StGB im Einzelfall

Beitrag von Tobias__21 »

JPivonka hat geschrieben:Wie ist das dann zu erklären, dass der BGH neulich den LKA Beamten wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt hat? Sei es drum, dass er dabei sexuelle Neigungen empfunden hat, die Tat entsprach ganz eindeutig dem Verlangen des Opfers?
Die Kammer hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen für eine Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) verneint, weil das Verlangen des Opfers für den Angeklagten bereits nicht handlungsleitend war. Das wäre aber erforderlich gewesen (Schneider in MünchKomm § 216 Rdn. 26; vgl. auch: Horn in SK 6. Aufl. § 216 Rdn. 5; Jähnke in LK 11. Aufl. § 216 Rdn. 8; Neumann in NK [13. Lieferung] § 216 Rdn. 16; Maurach/Schroeder/Maiwald Strafrecht BT 1. Teilband 9. Aufl. S. 57; a.A. Arzt/Weber Strafrecht BT [2000] S. 88). "Bestimmen" i. S. v. § 216 Abs. 1 StGB setzt mehr voraus, als die bloße Einwilligung des Opfers. Es muß dadurch im Täter der Entschluß zur Tat hervorgerufen werden. Die außerordentliche Strafmilderung des § 216 StGB ist nur dann zu rechtfertigen, wenn das "Bestimmen" auch tatsächlich handlungsleitend war (Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 8),

Der Wunsch des B. nach Beginn des Tatgeschehens, daß kein Notarzt herbeigerufen werden und der Angeklagte ihn abstechen sollte, sobald er das Bewußtsein verloren hatte, kann nur als Ausführung der bereits vorher zwischen Täter und Opfer getroffenen gegenseitigen Vereinbarung verstanden werden, die beiden Beteiligten dazu dienen sollte, jeweils ausschließlich die eigenen Interessen zu verwirklichen. Schon deshalb weist die Verneinung der Voraussetzungen des § 216 StGB durch den Tatrichter keinen Rechtsfehler auf.
(BGH, Urteil vom 22. April 2005 – 2 StR 310/04 –, BGHSt 50, 80-93, Rn. 37)
Wird im aktuellen Fall ähnlich gewesen sein.
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